EKD-Appell vor Afghanistan-Konferenz

"Vorrang für zivile Anstrengungen"

Vor der Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London haben die evangelische Kirche und Hilfsorganisationen einen Vorrang für zivile Anstrengungen gefordert. Die militärische Logik dürfe nicht das Denken, Planen und Organisieren für Afghanistan beherrschen, heißt es in einem Appell der Evangelischen Kirche in Deutschland an die Bundesregierung.

 (DR)

Mit Blick auf den Einsatz westlicher Truppen zog die Kirche eine «zwiespältige und ernüchternde Bilanz». Zwar seien ohne die ISAF-Schutztruppen manche Erfolge im zivilen Aufbau nicht möglich gewesen, andererseits gebe es viele zivile Opfer und der Wiederaufbau des Landes komme nur schleppend voran. Deshalb müssten die westlichen Regierungen die Arbeit der zivilen Friedenskräfte und der Nichtregierungsorganisationen stärker unterstützen und sie verbessern. Als wichtigste Ziele für Afghanistan nannte die EKD unter anderem eine verbesserte Sicherheit der Bevölkerung durch polizeilichen Schutz, ein funktionierendes Rechtssystem und die Anbahnung von Gesprächen mit den Taliban. Begrüßt wurde der Appell der EKD auch vom Bundesvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel (CDU).

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) forderte einen konsequenten Schutz von Zivilisten, kompromisslose Untersuchungen von zivilen Todesfällen bei Kampfhandlungen und eine transparente Handhabung von Entschädigungen. «Der Schutz der Zivilbevölkerung und die Einhaltung der Menschenrechte müssen in London ganz oben auf der Tagesordnung stehen», sagte die deutsche ai-Generalsekretärin Monika Lüke in Berlin. Außerdem müsse die afghanische Zivilgesellschaft in London angemessen Gehör finden.

Auch die Welthungerhilfe forderte hinsichtlich der Afghanistankonferenz eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft. «Die Afghanen müssen bei der Planung über die Zukunft ihres Landes stärker einbezogen werden», sagte Generalsekretär Wolfgang Jamann. Bloße Finanzzusagen seien nicht entscheidend für den Erfolg der Konferenz. «Das 'Rezept Geld' allein reicht nicht aus», fügte er hinzu. Beim zivilen Aufbaus zähle nicht das «Wieviel», sondern das «Wie». Entwicklungsmaßnahmen müssten künftig sorgfältig geplant und koordiniert, die afghanische Bevölkerung stärker beteiligt werden.

Unterdessen übte der Vorsitzende der Hilfsorganisation Grünhelme, Rupert Neudeck, scharfe Kritik an Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP). Laut einer vorab verbreiteten Pressemitteilung des MDR-Magazins «Fakt» bezeichnete er die Ankündigung des Ministers, Nichtregierungsorganisationen finanzielle Mittel zu streichen, wenn diese nicht mit der Bundeswehr in Afghanistan kooperierten, als einen «katastrophalen Fehler». Im Hinblick auf die Afghanistan-Konferenz forderte Neudeck eine Konzentration auf den zivilen Aufbau. Die Frage nach dem Militär dürfe nur eine untergeordnete Rolle spielen.