Vatikankenner über das Buch "Die zwei Päpste"

"Eine wunderbare Lektüre mit vielen historischen Fehlern"

Jüngst ist ein Sachbuch von Anthony McCarten über die Päpste Benedikt und Franziskus erschienen, das als Vorlage einer Netflix-Serie dient. Vatikanexperte Bernd Hagenkord findet das Buch spannend, mit der historischen Wahrheit habe es aber wenig gemein.

2016: Papst Franziskus und der emeritierte Papst Benedikt XVI. in der Kapelle des Klosters Mater Ecclesiae / © Osservatore Romano (KNA)
2016: Papst Franziskus und der emeritierte Papst Benedikt XVI. in der Kapelle des Klosters Mater Ecclesiae / © Osservatore Romano ( KNA )

"Es liest sich wunderbar. Bestsellerautor McCarten weiß natürlich, wie man eine gute Geschichte aufbaut, wie man Dramen inszeniert, es ist einfach wunderbar zu lesen", schwärmt Bernd Hagenkord nach der Lektüre des Sachbuchs "Die zwei Päpste". Der konservative Benedikt und der hippe Franziskus stehen sich gegenüber.

McCarten lässt sie "aufeinander los", so fasst Hagenkord den Plot des Buches zusammen. "Benedikt steht hier für das Bewahren und Festhalten an Tradition", sagt der Vatikanexperte. Das sei natürlich eine Steilvorlage für einen packenden Einstieg, wenn ausgerechnet der konservative Benedikt mit der Tradition breche und als erster Papst zurücktrete. "Am 11. Februar 2013 wurde eine sechshundertjährige Tradition durchbrochen", lautet der erste Satz des Buches, der den Rücktritt Benedikts ankündigt.

Und dann kommt Franziskus, der als demütiger sündiger Mensch auftritt, der menschelt, der seine Geschichte hat – und trotzdem dieses hohe Amt wahrnimmt. Das sei ein von McCarten gut inszeniertes Rollenspiel, zwei Figuren eines Dramas. Mit der Realität habe das allerdings wenig gemein, sagt Hagenkord, der beide Päpste kennen gelernt hat.

Die Sympathien gehören Franziskus

Dabei werde beim Lesen schnell klar, wem Anthony McCartens Sympathien gehören. "Der Autor steht auf der Seite von Franziskus, was für einen Roman durchaus legitim sei, aber nicht in ein auf historische Fakten aufbauendes Sachbuch gehöre. Der Autor, und das kritisiert Hagenkord, stecke Benedikt und Franziskus in Schubladen, um zu polarisieren, er vereinfacht die komplexen Charaktere. "Es wird dem nicht gerecht, wofür Benedikt als amtierender Papst stand," sagt der Vatikanexperte, eben nicht nur dafür, dass Menschen etwas zum Festhalten und Weitergeben haben, sondern auch für eine große geistliche Weite, für ein Weiterdenken des Konzils, für ein Zusammenhalten der Weltkirche".

Vieles stimmt einfach nicht

 

Ärgerlich findet der kritische Leser Hagenkord, dass der Autor McCarten die Realität verbiege, um sie für sein Konzept der aufeinanderprallenden Charaktere passend zu machen. "Vieles von dem stimmt einfach nicht", sagt er, "das darf ein Romanautor machen, aber McCarten schreibt das wie ein Historiker. Seitenweise erklärt er, wie die Junta in Argentinien funktioniert oder er erklärt die Unfehlbarkeit der Päpste. Dabei streut er Geschichten und Anekdoten ein, die sich nachweislich so nicht zugetragen haben".

 

So gibt es eklatante Fehler im Roman, historische Unwahrheiten, was die Vergangenheit von Papst Franziskus in seiner Zeit während der argentinischen Militärdiktatur betrifft. McCarten ist da nicht auf dem Stand der aktuellen Forschung, verfälscht hier Geschichte, um sie für sein Konzept des polarisierenden Rollenspiels passend zu machen. "Ich finde es auch gefährlich Linien zu ziehen", warnt Hagenkord. McCarten behaupte gleich zu Anfang des Buches, Benedikt habe den Platz mit dem Wissen frei geräumt, dass dann Franziskus kommt. NEIN, das wusste er nicht".

 

Netflix-Serien interessieren weder Benedikt noch Franziskus

 

Trotz aller Kritik, Vatikanexperte Hagenkord freut sich jetzt schon auf die Netflix Serie zum Papst-Buch von Anthony McCarten mit Anthony Hopkins und Jonathan Pryce. Gut sei doch, dass über die Kirche gesprochen und hoffentlich auch angeregt diskutiert werde. "Ich bin von daher auch gar nicht sauer auf Herrn McCarten. Ich kritisiere nur die Art und Weise, wie er schreibt, aber letztlich können wir sehr, sehr dankbar sein, dass es solche Bücher gibt". Und wer sich durch die Lektüre angespornt fühlt und weiter mit dem Thema des Doppeltpapstums beschäftigen möchte, dem legt Hagenkord die Autoren Austen Ivereigh, Gerald O'Connell oder auch das Buch "Papst Franziskus" von Daniel Deckers ans Herz.

 

P.S. Ob sich die beiden Päpste zusammen die Netflix-Serie anschauen werden, sei sehr fraglich, fügt Bernd Hagenkord hinzu. Benedikt habe es nicht so mit TV-Serien, sondern sei ein leidenschaftlicher Leser und Franziskus habe wahrscheinlich nicht einmal einen Fernsehapparat in der Wohnung. "Nett wäre allerdings, wenn die beiden Schauspieler Anthony Hopkins und Jonathan Pryce die Päpste besuchen und sich neben ihren Vorbildern fotografieren ließen".


Bernd Hagenkord / © Radio Vatikan (dpa)
Bernd Hagenkord / © Radio Vatikan ( dpa )
Quelle:
DR