Eine theologische Betrachtung zum zweiten Fastensonntag

Der Versuchung widerstehen und auf Gott vertrauen

Allzu oft erscheint der Alltag trüb und beschwerlich. Wenn Menschen auch dann auf Gott vertrauen, wenn es ans Eingemachte geht, kann indes Außergewöhnliches geschehen: Davon berichtet die Bibel.

Autor/in:
Fabian Brand
Altarkreuz vor einem Fastentuch / © Harald Oppitz (KNA)
Altarkreuz vor einem Fastentuch / © Harald Oppitz ( KNA )

Wer diese österliche Bußzeit nutzt, um in ihr auf etwas zu verzichten, der kennt auch das Gegenteil von Verzicht: die Versuchung. Irgendwie lauert sie überall: Plötzlich hat man Heißhunger auf Schokolade, obwohl man doch gerade Schokolade fastet.

Oder der Schweinebraten duftet verführerisch, und es fällt so schwer, weiterhin auf Fleisch zu verzichten. Die Versuchung ist eng mit der Fastenzeit verbunden. Davon war bereits in der vergangenen Woche im Evangelium zu hören, wo davon erzählt wurde, dass Jesus selbst vom Teufel versucht worden ist.

Fortsetzung der Versuchungs-Geschichte

Am zweiten Sonntag der Fastenzeit setzt sich diese Versuchungs-Geschichte fort. Die erste Lesung aus dem Buch Genesis, die von der Opferung Isaaks erzählt, gibt ein neues Beispiel einer Versuchung. Jüdinnen und Juden nennen diese Episode häufig "Bindung Isaaks"; es ist ein Motiv, das auch in vielen antiken Synagogen oder auf Mosaiken abgebildet ist.

Gott stellt Abraham auf die Probe: Mit diesen Worten setzt die Lesung zum zweiten Fastensonntag an. Aber Abraham weiß das freilich nicht. Er weiß nicht, dass es sich bei all dem, was im Folgenden geschehen wird, sozusagen nur um einen göttlichen Test handelt. Für Abraham ist das, was Gott von ihm fordert, bitterernst.

Vertrauen auf Gott

Deswegen sieht sich Abraham in der Verpflichtung Gott gegenüber: Schon einmal, als Abraham aus seiner Heimat weggezogen und in ein fremdes Land gegangen ist, hat es doch funktioniert, dass Abraham sein Leben ganz in Gottes Hand gelegt hat. 

Schon einmal hat sich Abraham vollständig auf Gott verlassen – und es ist gut geworden, weil Gott selbst gut ist und das Leben der Menschen will und nicht deren Verderben sucht. Und so tut Abraham auch jetzt das, was Gott von ihm verlangt: Er nimmt seinen Sohn Isaak und soll ihn als Opfer für Gott darbringen.

Abraham wird von Gott gesehen

Und dann erzählt die Geschichte detailliert diesen langen Weg, den Abraham nimmt, bis er beim Felsen Morija ankommt. Die Lesung, die an diesem Sonntag zu hören ist, lässt einige Verse aus; sie schildern in allen Einzelheiten, wie Abraham den Esel sattelt, Holz spaltet und dann mit Isaak alleine zum Felsen hinaufgeht. 

Pfeilerfigur des Propheten Abraham am Mittelportal der Westfassade des Kölner Doms / © Adelaide Di Nunzio (KNA)
Pfeilerfigur des Propheten Abraham am Mittelportal der Westfassade des Kölner Doms / © Adelaide Di Nunzio ( KNA )

Es ist, als hätte der Autor der Erzählung das Tempo der Geschichte so heruntergeschraubt, dass die Spannung zum Zerreißen ist. Der Blick auf immer mehr Details unterbricht den Handlungsstrang und zieht ihn absichtlich in die Länge. Der Leser oder die Hörerin soll die Gefühlswelt Abrahams nachvollziehen können: Angespanntheit, Unbehagen, Unwohlsein.

Doch die Geschichte wendet sich: Als Abraham gerade ansetzt, um seinen eigenen Sohn zu töten, ruft ihn die göttliche Stimme mit seinem Namen an. Abraham wird von Gott gesehen: Er wird von Gott gesehen als einer, der bereit ist, sich ganz und gar auf seinen Willen einzulassen. 

Gott sieht auf das Opfer, das Abraham darbringt, und Gott segnet ihn. Den Sohn, seinen einzigen, hat Abraham nicht vorenthalten, sondern ihn auf den Berg hinaufgebracht, um ihn dort zu opfern. Gott legt daraufhin seinen Segen auf Abraham, weil er Gott getraut und sein eigenes Leben sowie das Leben Isaaks ganz in dessen Hand gelegt hat.

Gott schont seinen eigenen Sohn nicht

Dornenkrone während der Fastenzeit / © Bob Roller/CNS photo (KNA)
Dornenkrone während der Fastenzeit / © Bob Roller/CNS photo ( KNA )

Diese Geschichte Abrahams klingt im Neuen Testament fort. Gott hat seinen eigenen Sohn nicht geschont, sagt der Apostel Paulus. Und in Christus wird deshalb nichts anderes konkret als das, was sich schon auf dem Berg Morija zugetragen hat: dass da einer hinaufsteigt auf den Berg der Ungewissheit und des Leides, dass da einer freiwillig sein Kreuz auf sich nimmt. 

Dass da einer getragen wird von der Gewissheit, in Gottes Hand eingeschrieben zu sein. Und dass sich der Himmel auftut, dass Gott wirklich auf die Erde herabschaut in dem Augenblick, in dem sich ein Mensch selbst darbringt für das Heil der Welt.

Ein Licht in der Finsternis des Alltags

Wer mit diesem Gottvertrauen durchs Leben geht, der ist schon heute ein Licht in der Finsternis des Alltags. Der kann schon heute Hoffnung sein in einer Welt, die von Furcht und Zukunftsangst zerfressen ist. Der kann schon heute vom Morgen singen und von einer Zukunft, in der Gott alles in allem sein wird. So, wie es damals Abraham und Jesus getan haben.

Fastenzeit

Die 40-tägige christliche Fastenzeit beginnt Aschermittwoch und endet am Gründonnerstag vor Ostern. Seit dem 5. Jahrhundert rückte während der Vorbereitung auf Ostern das Fasten in den Mittelpunkt. Da an Sonntagen nicht gefastet werden sollte und sie deshalb nicht als Fastentage gezählt werden, wurde der Beginn der Fastenzeit offenbar im sechsten oder siebten Jahrhundert vom sechsten Sonntag vor Ostern auf den vorhergehenden Mittwoch, den Aschermittwoch, vorverlegt.

Fastenzeit / © Tomasetti (DR)
Fastenzeit / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
KNA