Eine theologische Betrachtung zu Mariä Geburt

Genauer Geburtstermin unbekannt

Anfang September feiert die Kirche die Geburt der Gottesmutter. Wie bei allen biblischen Ereignissen gibt es zwar keine konkreten Anhaltspunkte für diesen Termin. Einmal mehr ist eine kreative Verknüpfung gefragt.

Autor/in:
Fabian Brand
Symbolbild Prozession mit einer Marienfigur / © ThalesAntonio (shutterstock)
Symbolbild Prozession mit einer Marienfigur / © ThalesAntonio ( shutterstock )

"An Mariä Geburt fliegen die Schwalben furt, an Mariä Verkündigung kommen die Schwalben wiederum": So weiß es der Volksmund.

Das Fest der Geburt Mariens wird von der Kirche am 8. September begangen - also zu einer Zeit, in der sich die Natur schon auf den nahenden Herbst einstellt. Wann Maria genau geboren wurde, wissen wir nicht. Das Neue Testament berichtet weder von den Umständen der Geburt Mariens noch erwähnt es ihre Eltern. Erst in außerbiblischen Texten erfahren wir, dass die Großeltern Jesu wohl Anna und Joachim hießen und in Jerusalem ansässig waren.

Pilger auf der Via Dolorosa / © Andrea Krogmann (KNA)
Pilger auf der Via Dolorosa / © Andrea Krogmann ( KNA )

Wer in Jerusalem vom Löwentor in Richtung Altstadt läuft, befindet sich schon bald auf einer der bekanntesten Straßenzüge der Heiligen Stadt: der Via Dolorosa. Die Gedächtnisroute des Kreuzweges Jesu führt von der ersten Station, die sich in einer kleinen Kapelle versteckt, bis hinauf zur Grabeskirche. Tagtäglich strömen zahlreiche Pilger über diesen Weg, um des Leidens Jesu im Gebet und in Meditation zu gedenken.

Mutter Mariens soll an dieser Stelle geboren worden sein

Doch kurz bevor die Via Dolorosa beginnt, erhebt sich eine mächtige Kirche: Es ist die Kirche, die sich am sogenannten Schafteich befindet und der heiligen Anna geweiht ist. Das Gedächtnis der heiligen Anna hat sich mit diesem Ort verschmolzen, weil die Tradition annimmt, dass die Mutter Mariens an dieser Stelle zur Welt kam.

Die französische Fahne weht auf der Sankt-Anna-Kirche in Jerusalem am 21. April 2022. / © Andrea Krogmann (KNA)
Die französische Fahne weht auf der Sankt-Anna-Kirche in Jerusalem am 21. April 2022. / © Andrea Krogmann ( KNA )

Doch nicht nur sie, sondern auch ihre Tochter Maria wurde hier geboren: Schon Theodosius, ein wahrscheinlich aus Nordafrika stammender Diakon, berichtet in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts, neben dem Schafteich habe sich eine Kirche befunden, die der "Herrin Maria" geweiht war.

Auch der Pilger von Piacenza, ein anonymer Heilig-Land-Pilger des späten sechsten Jahrhunderts, kennt eine Basilika zu Ehren der Gottesmutter an dieser Stelle. Das heißt: Schon sehr früh, nämlich spätestens um 500, hat es neben dem Schafteich eine Kirche zu Ehren Marias gegeben.

In Kirche befands sich das Grab der Eltern Mariens

Im Jahr 614, beim Einfall der Perser in Jerusalem, wurde diese Kirche wohl schwer zerstört. Das endgültige Ende fand das Gotteshaus vermutlich im Jahr 1009 durch Sultan al-Hakim, der auch der Grabeskirche schweren Schaden zufügte. Erst unter den Kreuzfahrern wurde die alte Tradition fortgeführt: Sie bauten am alten Ort eine neue Kirche auf, die sie der heiligen Mutter Anna widmeten.

Heilige Anna und Joachim in der Kirche des Heiligen Erretters von Chora, Griechenland.  / © godongphoto (shutterstock)
Heilige Anna und Joachim in der Kirche des Heiligen Erretters von Chora, Griechenland. / © godongphoto ( shutterstock )

Der Grund hierfür war die Tradition, die schon lange mit dieser Stelle verbunden war: In der Kirche befand sich das Grab von Joachim und Anna, den Eltern Mariens. Außerdem wurde in einer Krypta eine Höhle verehrt, in der Maria geboren wurde.

Noch heute ist die Sankt-Anna-Kirche in Jerusalem ein beeindruckendes Zeugnis der Baukunst der Kreuzfahrer. Die spätromanische Basilika ist heute vor allem wegen ihrer Akustik bekannt: Der lange Nachhall, der durch das Gebäude erzeugt wird, sorgt für einen ausgezeichneten Klang. Und bis heute steigen Menschen in die Krypta der Kirche hinab, um dort den Ort zu verehren, an dem die Tradition die Geburt Mariens lokalisiert.

Maria soll am 8. September die kirchliche Weihe erhalten haben

Dass das Fest der Geburt Mariens ausgerechnet am 8. September begangen wird, hat mit dieser Kirche in Jerusalem zu tun: Es heißt, dass sie an diesem Datum die kirchliche Weihe erhalten hat - deshalb hat man am Ende des 5. Jahrhunderts begonnen, an diesem Festtag auch der Geburt Mariens zu gedenken. Freilich ist damit kein historisches Datum der Geburt bestimmt; aber wie so oft in der Kirchengeschichte hat man schon bestehende Anlässe genommen und sie mit einem nahestehenden Ereignis aus der Heilsgeschichte verknüpft.

Übrigens hat die Terminierung der Geburt Mariens Anfang September auch Auswirkungen auf ein anderes Fest: Das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria wird am 8. Dezember begangen. Zurückgerechnet sind das genau neun Monate vor dem Geburtsfest Mariens. Damit stehen zwei Marienfeste in einer sehr engen Verbindung. Und wie bei anderen Festen waren es oft kreative Verknüpfungen, die zu solchen Festterminen geführt haben. Wenn man schon den "echten" Geburtstag Mariens nicht kennt, muss man sich eben aushelfen, um das Fest trotzdem feiern zu können! 

Jerusalem

Blick auf Jerusalem / © JekLi (shutterstock)

Jerusalem ist für die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam eine zentrale Stadt. Daran erinnern heute archäologische Zeugnisse und Heiligtümer, die sogenannten Heiligen Stätten. Kaum eine andere Metropole hatte eine so wechselvolle Geschichte; immer wieder änderten sich die politischen Machtverhältnisse.

Quelle:
KNA