Grünen-Politikerin sieht Kirche beim Klimaschutz in der Pflicht

"Eine klare Haltung gegenüber Politik einnehmen"

200 Staaten sprechen seit Sonntag in Glasgow über den Klimawandel. Karoline Otte sitzt seit der Bundestagswahl für die Grünen im deutschen Parlament und findet, dass es höchste Zeit ist, dass sich in Sachen Klima weltweit etwas tut.

Klimaschutz / © Kim Kuperkova (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Mit was für einem Gefühl gucken Sie nach Glasgow zur Weltklimakonferenz?

Karoline Otte (Grüne, Mitglied des Deutschen Bundestags): Mit sehr gemischten Gefühlen. Wir haben nur noch verdammt wenig Zeit, um die Klimakrise in den Griff zu kriegen. Paris ist inzwischen sechs Jahre her. Letztes Jahr hätte man eigentlich in Glasgow zusammenkommen wollen, um darüber zu reden, wie man Paris noch nachschärfen kann, um tatsächlich 1,5 Grad als Erwärmungsmaximalziel realisierbar zu machen.

Jetzt muss man noch ein Jahr damit warten. Jetzt wird es langsam echt eng und natürlich ist man irgendwie schon auch ein bisschen hoffnungsvoll, denn es muss jetzt einfach was passieren.

DOMRADIO.DE: So eine Weltklimakonferenz, die wird nicht von heute auf morgen die Welt verändern können. Was kann dieser Gipfel denn zumindest erreichen?

Otte: Ich denke, es ist wahnsinnig wichtig, dass noch mal ganz ernsthaft darüber geredet wird, was es denn eigentlich heißt, 1,5 Grad nicht zu erreichen und was genau noch realisierbar ist, um da möglichst nah ran zu kommen. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig, sich als Weltgemeinschaft hinzusetzen und darüber zu reden, welche Erwartungen eigentlich an die Industrieländer gestellt werden und welche Erwartungen gerade krass verfehlt werden.

DOMRADIO.DE: Wenn wir dann jetzt zu uns nach Deutschland gucken, inwiefern könnte denn die Klimakonferenz vielleicht auch die laufenden Koalitionsverhandlungen bei uns beeinflussen? Sorgt das bei dem Thema "Klimaschutz" noch mal für Druck?

Otte: Auf jeden Fall. Ich denke, es ist ganz, ganz wichtig, dass wir genau nach Glasgow hinhören und dort mitkriegen, wie ernst die Lage in weiten Teilen der Welt ist, wie dringend gehandelt werden muss, weil wirklich innerhalb der nächsten fünf Jahre Millionen von Menschen vom Klimawandel betroffen sein werden.

Das sollte uns definitiv dazu anhalten, so stark wie wir können, irgendwie gegenzusteuern.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat sich ja auch vor der Weltklimakonferenz geäußert. Er warnte vor einer unbewohnbaren Welt und sagte, es müssten radikale Entscheidungen getroffen werden. Was für radikale Entscheidungen könnten das sein?

Otte: Zum Beispiel ist es ganz, ganz wichtig, dass sich die Industrienationen für einen Kohleausstieg nicht weit weg von 2030 aussprechen, dass Verbrennermotoren ab 2035 eingestellt werden. Das sind ganz, ganz wichtige Schritte, auf die sich die Industrienationen auf jeden Fall verständigen müssen.

Und dann ist es schon von entscheidender Wichtigkeit, dass die Finanzzusagen, die in Paris zugesagt wurden, soweit es irgendwie geht, eingehalten werden. Da versuchen gerade die Industrienationen rauszukommen. Das kann aber nicht die Antwort auf die Klimakrise sein.

DOMRADIO.DE: Sie selbst sind evangelisch-lutherisch. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche, die sagen immer wieder, dass auch sie sich den Klimaschutz auf die Fahne schreiben wollen. Welche Verantwortung trägt die Kirche denn hier in Ihren Augen?

Otte: Ich denke, es ist wahnsinnig wichtig, dass die Kirche über die Klimakrise, über den Klimawandel spricht. Es ist die Gerechtigkeitsfrage unserer Zeit und da können wir uns als Christinnen und Christen nicht von frei machen. Da müssen wir klare Position zu beziehen und klare Haltung gegenüber Politik einnehmen, damit Politik ins Handeln kommt und sich nicht weiter wegducken kann.

DOMRADIO.DE: Sie sind ja jetzt ganz frisch bei der diesjährigen Wahl über die niedersächsische Landesliste der Grünen in den Bundestag eingezogen. Welche Themen stehen für Sie im Fokus mit Blick auf den Klimaschutz?

Otte: Für mich spielt die Kombination mit kommunalen Themen eine ganz wichtige Rolle, weil ich aus der Kommunalpolitik komme und auch Kommunalverwaltung gelernt habe und einfach immer wieder vor Ort gesehen habe, was den Unterschied machen könnte, wie weit wir kommunal kommen könnten in Sachen Klimaschutz, wenn der Bund die richtigen Rahmenbedingungen setzen würde und wie viel Menschen vor Ort tatsächlich zum Klimaschutz beitragen könnten, wenn der Bund dort richtig handelt.

Das ist ganz, ganz entscheidend, dass Kommunen Geld für eine vernünftige ÖPNV-Anbindung kriegen, damit ich nicht mehr vor Ort auf meinen Verbrennermotor angewiesen bin. Das ist ganz, ganz wichtig, dass wir uns Bebauungspläne angucken, um vor Ort klimaneutral zu werden.

Das Interview führte Julia Reck am 31. Oktober 2021.


Plakat mit der Aufschrift "Planet vor Profit" / © Harald Oppitz (KNA)
Plakat mit der Aufschrift "Planet vor Profit" / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema