Eine ganz persönliche Domführung

"Ein ganz anderer Zugang"

Unter dem Motto "Mein Dom. Abendliche Glaubenswege" führen Menschen im Juni durch den Kölner Dom, die besonders mit ihm verbunden sind. Eine von ihnen ist Petra Dierkes. Sie erklärt, was Teilnehmer bei ihrer Führung erwartet.

Blick in den Chorraum des Kölner Domes / © Julia Steinbrecht (KNA)
Blick in den Chorraum des Kölner Domes / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die erste Besonderheit an dieser Führung ist, dass sie im abendlichen, schon eigentlich für die Öffentlichkeit geschlossenen Dom stattfindet. Ist das schon ein gutes Sprungbrett hin zur Spiritualität?

Dipl. Theol. Petra Dierkes / © Boecker
Dipl. Theol. Petra Dierkes / © Boecker

Petra Dierkes (Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat Köln): Das ist ganz bestimmt ein gutes Sprungbrett für uns, auch fürs Gespräch. Denn um 20:00 Uhr wird der Dom ganz ruhig. Und das ist vielleicht das allererste Mal, dass man den Dom in dieser Stille und Ruhe erlebt. Ich denke, viele Menschen, die zu so einer Führung kommen, wollen genau das erleben.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht es bei dieser Führung um einen ganz eigenen Zugang zu dem Bauwerk. Also es geht nicht um eine klassische, umfassende Domführung. Aber mussten Sie vorher trotzdem eine Domführer-Prüfung ablegen?

Dierkes: Nein, aber vielleicht kommt das irgendwann noch mal. Für mich ist der Dom in dreifacher Hinsicht immer schon etwas ganz besonderes gewesen, und zwar einmal als Gotteshaus, römisch-katholische Kirche, Raum für Gottesdienste, für Messen, für die Sakramente. Dann ist er natürlich UNESCO-Weltkulturerbe. Das ist ein ganz anderer Zugang, eher ein kunsthistorischer Zugang. Der Dom ist auch die größte Kathedrale mit sechs Millionen Besucherinnen und Besuchern im Jahr.

Und der dritte Punkt, ganz wichtig: Für viele ist er auch ein Symbol für Heimat, ein Monument, das auch stehengeblieben ist im Zweiten Weltkrieg. Wir kennen alle die Bilder vom zerstörten Köln und der Dom ragt mehr oder weniger unzerstört aus den Trümmern hervor. Das ist ein Symbol für den Lebenswillen nicht nur der Kölnerinnen und Kölner, sondern von vielen Menschen damals. Von daher sind diese drei Aspekte, also Kirche sein und auch Kirche leben dort, aber auch Weltkulturerbe sein und das Heimatgefühl für mich die drei Punkte, die mich mit dem Dom verbinden und die ich auch an dem Abend zeigen möchte.

DOMRADIO.DE: Haben Sie auch einen Lieblingsort im Dom, zu dem es dann geht?

Dierkes: Ich habe drei Orte, die ich gerne zeigen möchte. Der eine Ort ist im Nordquerhaus die Schmuckmadonna. Für mich ein ganz wichtiger Ort. Dort brennen viele Kerzen, jede Kerze steht für ein Gebet, für eine Bitte. Dieser Ort ist von daher ein Ort, der einladend ist, weil er schon, ich sage mal, warmgebetet ist. Wer nicht zu diesem Ort kommen kann, kann über die Homepage vom Kölner Dom auch eine Bitte dorthin senden. Für jede Bitte wird an der Schmuckmadonna ein Licht angezündet.

Der Hintergrund der Schmuckmadonna wurde 2021 neu gestaltet. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Der Hintergrund der Schmuckmadonna wurde 2021 neu gestaltet. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Ich habe heute die Kollegin mal gefragt: Sie geht wirklich mit ihrem iPad dorthin und liest vor, welche Gedanken und Gebete hineinkommen. Und zwar zum Beispiel: "Danke für den Tag ohne Tränen." Es sind also auch Dankgebete. "Bitte lass unsere Tochter morgen ihre mündliche Prüfung erfolgreich bestehen." Es ist ja gerade Abitur-Zeit. Was ich auch sehr berührend fand: "Maria, Mutter Gottes, bitte beschütze uns in unserem Urlaub und begleite uns. Beschütze auch die zu Hause. Eltern, Kinder und ihre Partner und unsere Freunde." Also es kommt etwas an, auch wenn man nicht im Dom ist und das ist dort spürbar. Diese Seite ist die meist angeklickte Seite vom ganzen Internetauftritt des Kölner Doms. Dort, wo ich eine Bitte hinterlassen kann und wo eine Kerze angezündet wird, dort kommen die meisten Besucher von der Homepage hin.

Kölner Dom

Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat ( shutterstock )

Der Kölner Dom ist eine der bedeutendsten Kirchen der Welt und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Deutschland. Das Gotteshaus beherbergt die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die Erzbischof Rainald von Dassel 1164 aus Mailand nach Köln brachte.

Der Grundstein für den gotischen Neubau an der Stelle mehrerer Vorgängerkirchen wurde 1248 gelegt; 1322 wurde der Chor geweiht. Mittelschiff, Querhäuser und Seitenschiffe der Kölner Bischofskirche folgten bis 1560. Dann stoppten die Querelen um die Reformation und Geldmangel den Baubetrieb.

DOMRADIO.DE: Und wohin geht es an diesem Abend dann noch weiter?

Dierkes: Der zweite Aspekt war ja der Dom als UNESCO-Weltkulturerbe und ich liebe die Fenster im Kölner Dom. Der Kölner Dom hat eine Glasfläche von 8000 Quadratmetern. Das entspricht einem 30-stöckigen Hochhaus. Die ältesten Fenster sind von 1260 und ganze 747 Jahre später hat Gerhard Richter sein Fenster im Südquerhaus erstellen dürfen. Da geht mein zweiter Weg hin und ich finde, in diesem Fenster spiegelt sich der ganze Dom wider.

Die Sonne strahlt durch das Richter-Fenster im Kölner Dom. / © ND Johnston (shutterstock)
Die Sonne strahlt durch das Richter-Fenster im Kölner Dom. / © ND Johnston ( shutterstock )

Das ist ja auch tatsächlich so. Gerhard Richter hat ja gesagt, er hat alle Farben des Doms in diesem Fenster aufgenommen, das ja auch eine eigene Geschichte erzählt. Für mich ist das ein Symbol für das Weltkulturerbe, das bis heute weitergebaut wird. Wir wissen ja auch, wenn die Baustellen am Dom fertig sein sollten, geht die Welt zugrunde. Von daher, denken wir mal, wird das nie so richtig aufhören. Auch wenn ich den Dombaumeister Peter Füssenich höre, werden die Baustellen weitergehen.

DOMRADIO.DE: Und wie sieht es mit dem dritten Aspekt aus?

Dierkes: Das ist der Aspekt der Heimat. Der Dom ist ein Zuhause für viele Menschen und der Dom ist für viele Menschen ein Ort der Identität, des Nach-Hause-Kommens. Ich habe gestern ein Pärchen beobachtet, da sagte die Freundin zu ihrem Freund: "Ich muss noch mal schnell den Dom berühren, bevor wir gehen." Die lief dann schnell zur Fassade und berührte einmal kurz den Dom. Ich fand das, das sprach für sich. Es hat mich sehr berührt.

Was mich auch immer berührt, ist, wenn wir den Dom am zweiten Adventssonntag zu einem großen Wohnzimmer werden lassen, wo wir gemeinsam den Advent feiern. Das ist für mich auch so ein Gefühl von Familie sein im großen Stil. Zusammen mit den Höhnern musizieren wir dort Lieder zum Advent. Das wird auch in diesem Jahr wieder so sein. Am 10. Dezember, am zweiten Advent treffen wir uns im Kölner Dom, um zusammen zu singen, zu beten, Texte zu hören, die Gemeinschaft zu erleben auf Einladung des Dompropst Assmann.

DOMRADIO.DE: Und ein bisschen von dieser Musik und dieser Stimmung wollen Sie auch mit den Menschen, die jetzt im Juni die Führungen mitmachen, schon mitgeben?

Dierkes: Zum Abschluss der Führung werden wir in die Vierung gehen, das ist sozusagen die Mitte vom Dom. Und dort werden wir ein Lied singen, das wir auch schon oft am zweiten Advent gesungen haben, nämlich das Lied "Möge die Straße uns zusammenführen." Ich denke, wer singt, betet doppelt. Von daher werden wir zusammen singen und beten und uns diesen Segen gegenseitig damit auch auf den Weg geben.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR