Rückblick auf den ersten "Predigerinnentag"

Eine Frage der Interpretation?

Der vergangene Sonntag hatte in der katholischen Kirche in Deutschland für Aufsehen gesorgt, predigten doch vielerorts Frauen in verschiedenen Bistümern. Was hatte es mit dem sogenannten "Predigerinnentag" genau auf sich?

Die Kanzel: Häufig der Ort der Predigt / © Patrick Post (KNA)
Die Kanzel: Häufig der Ort der Predigt / © Patrick Post ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Zwölf Frauen, zwölf Orte, zwölf Predigten", so lautete das Motto der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) zum sogenannten Predigerinnentag am vergangenen Sonntag in vielen Bistümern in Deutschland. Dort haben vielerorts Frauen die Predigt gehalten. Ist das denn so außergewöhnlich, dass Frauen predigen?

Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redaktion): Die Unterscheidung geht weniger in Richtung Frauen, sondern eher in die Richtung, ob Laien predigen. Dazu gehören natürlich auch Frauen.

Der Unterschied besteht zum einen darin, dass es in der katholischen Kirche die Predigt gibt, vom Lateinischen praedicare, was Lobpreis Gottes bedeutet. Das machen normalerweise die Amtsträger, also Bischöfe, Priester und Diakone. Aber nach Maßgabe können das auch Laien in besonderen Gottesdiensten wie Andachten oder Wortgottesdiensten machen.

Des Weiteren gibt es unter den Predigten aber auch noch die Homilie. Diese ist im Unterschied zur Predigt eine Glaubensunterweisung. Das heißt, hier geht es weniger um den Lobpreis, sondern eine lehramtliche Tätigkeit, die Bestandteil der Liturgie ist und vor allem in der Heiligen Messe vorkommt.

Die Predigt in der Messe ist also eine Glaubensunterweisung, die den kirchlichen Amtsträgern vorbehalten ist. Man kann das beispielsweise daran erkennen, dass der Bischof, wenn er in der Messe predigt, normalerweise auch seine Mitra auf hat und seinen Bischofsstab in der Hand hält. Das soll zeigen, dass er jetzt sein Lehramt ausübt.

DOMRADIO.DE: Predigen in einer Eucharistiefeier ist also Männersache bei den Katholiken. Was ist aber, wenn zum Beispiel eine Theologie-Professorin zu einem bestimmten Evangelium mehr weiß als der Ortspfarrer?

Stens: Das ist in der Tat eine interessante Frage. Es gibt eine Instruktion über den Predigtdienst. Da wird auch genau dieser Gedanke aufgegriffen. Da heißt es, es geht nicht um eine eventuell bessere Gabe der Darstellung oder vielleicht auch ein größeres theologisches Wissen, sondern es geht vielmehr darum, dass demjenigen die Aufgabe vorbehalten ist, der mit dem Sakrament ausgestattet wurde.

Hier haben wir es also nicht mit einem besseren Können zu tun, sondern entscheidend ist, dass das Weihesakrament an dieser Stelle wirkt. Das ist natürlich eine Aussage, über die man streiten kann.

Aber hier ist auch ganz klar die Regelung der Kirche so gehalten, dass es eine unmittelbare Verbindung vom Lehramt, also vom Weihesakrament, zum Dienst der Predigt innerhalb der Eucharistiefeier gibt.

Das ist aber genau der Punkt, bei dem von der Katholischen Frauengemeinschaft Kritik kommt, ob man das nicht vielleicht innerhalb der Eucharistiefeier anders regeln kann.

Es gibt beispielsweise in bestimmten Bistümern die Regelung, dass die Möglichkeit besteht, innerhalb der Eucharistiefeier eine Statio zu Beginn zu halten. Hierbei wird auch bei der Eucharistiefeier die Möglichkeit eingeräumt, dass von Laien, also Männern oder Frauen, zu Beginn der Messfeier eine Statio gehalten werden kann, wo dann vielleicht die entsprechenden Dinge zum Evangelium oder zu anderen Texten zu Wort kommen können.

DOMRADIO.DE: Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands hatte für diesen Predigerinnentag den Gedenktag der Apostelin Junia ausgewählt. Und sie sprechen im Fall Junia von einem frühen Beispiel von Sexismus...

Stens: Bei der Junia geht es um einen Abschnitt aus dem Römerbrief. Und zwar wird hier eine Person mit dem Namen Junia oder Junias zusammen mit einem Andronicus erwähnt. Paulus bezeichnet diese beiden Personen als "angesehen unter den Aposteln". Viele Jahre hindurch wurde aus dieser Junia ein Junias. Das heißt, man war aufgrund der Aussage des Paulus der Überzeugung, dass es wohl ein Mann gewesen sein muss.

In den letzten Jahren hat sich dann unter den Exegeten, also unter den Bibelwissenschaftlern, die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich wohl eher um eine Frau gehandelt hat. Deswegen haben wir seit einigen Jahren in der Neuauflage der Einheitsübersetzung keinen Junias mehr stehen, sondern eine Junia, eine Frau.

Und die zweite Frage, die sich hier stellt, ist, was denn "angesehen unter den Aposteln" genau heißt? Also, war die Person dieses Namens nun auch selbst Apostel oder Apostelin? Und wenn ja, wie ist das zu verstehen?

Damit tut sich natürlich die Tür zur Frage der Zulassung von Frauen zu Weiheämtern auf. Daher ist im Zusammenhang mit dem Predigerinnentag der Katholischen Frauengemeinschaft die Frage erneut aufzuwerfen, inwiefern Frauen der Zugang zu den Weiheämtern in der katholischen Kirche ermöglicht werden kann.


Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )
Quelle:
DR