Ein sommerabendlicher Rundgang durch die Vatikanischen Museen

Magische Momente mit Michelangelo und Co.

Ruhige Momente in den Vatikanischen Museen? Die gibt es tatsächlich - mit etwas Glück. Abendliche Sonderöffnungen bieten Gelegenheit, die Museen neu zu entdecken.

Autor/in:
Stefanie Stahlhofen
In den Vatikanischen Museen / © Anton Fuchs (KNA)
In den Vatikanischen Museen / © Anton Fuchs ( KNA )

"Nein, nicht sofort zur Sixtinischen Kapelle", rät Matteo Alessandrini. Das Meisterwerk mit den berühmten Fresken Michelangelos aus dem 16. Jahrhundert sei zwar der Besuchermagnet schlechthin, aber "leider überstrahlt die Sixtina manchmal das, was es sonst noch an Schätzen hier gibt". Der Italiener weiß, wovon er spricht; schließlich arbeitet er seit elf Jahren in den Vatikanischen Museen.

Eine ideale Gelegenheit, um diese oft vergessenen Schätze in Augenschein zu nehmen, ist die "lange Nacht der Museen". Gedacht seien die 2009 unter Benedikt XVI. eingeführten abendlichen Sonderöffnungszeiten besonders für Römer, damit die "ihre Museen auch mal besuchen können", sagt Museumsdirektor Antonio Paolucci. Es kommen aber auch viele Touristen.

Besuchermassen

Die Vatikanischen Museen sind Pflichtprogramm für Touristen und Pilger: 2015 wurden erstmals mehr als sechs Millionen Besucher gezählt. "Jetzt reicht es aber - Wachstum null bitte", soll Paolucci diese Zahl im Juni kommentiert haben. Ein noch größerer Andrang täte den Museen wohl wirklich nicht gut. Schon jetzt merkt der Besucher, dass die Säle - teilweise als Wohnraum oder Bibliothek der Päpste entstanden - nie für solche Massen gedacht waren. Auch die Kunstwerke leiden, etwa unter dem Straßenstaub.

Umso angenehmer, wenn sich beim abendlichen Museumsbesuch zumindest anfangs deutlich weniger Menschen durch die Säle drängen. Es lohnt sich, ein Ticket direkt für 19.00 Uhr zu buchen und sich eine halbe Stunde früher vor dem Eingang anzustellen. Allesandrini empfiehlt zum Start den Hof der Gemäldegalerie (Pinacoteca) gegenüber der Eingangstreppe. Der Platz bietet einen wunderbaren Blick auf die Kuppel des Petersdoms und Teile der Vatikanischen Gärten im Abendlicht. Ideal für ein Foto. Dann geht es über den Pinienhof und die Treppen hoch. Ein Blick aus dem offenen Fenster auf die Dächer von Rom lohnt. Nächstes Ziel: die Laokoon-Gruppe.

Nur drei Besucher bewundern gerade die berühmte antike Marmorskulptur im Belvedere-Hof. "Hier begann die Sammlung der Päpste", erklärt Alessandrini zu der Darstellung aus der griechischen Sagenwelt. Die Gruppe, die den Todeskampf des Priesters Laokoon und seiner beiden Söhne zeigt, wurde 1506 auf dem Esquilin in Rom entdeckt. Zufällig war gerade ein Künstler aus Florenz da - Michelangelo. Papst Julius II. (1503-1513) ließ ihn den Fund begutachten. Michelangelo, selbst ein begnadeter Bildhauer, erkannte: etwas ganz Besonderes. So kam die Laookon-Gruppe in die Vatikanischen Museen.

Frische Brise und freier Blick

Angenehm: die frische Brise und der freie Blick nach oben in den Sternenhimmel. An Tierskulpturen vorbei geht es zum Saal der Musen, in deren Mitte der antike "Torso del Belvedere" steht. "Achtung, nicht einfach vorbeilaufen!" mahnt Alessandrini. Denn: Das Marmorfragment mit dem extrem plastischen, muskulösen Körper beeindruckte schon Michelangelo. Er nahm den Torso als Vorlage für seinen Christus beim "Jüngsten Gericht" (1535-1541) in der Sixtinischen Kapelle.

Bis zur Galerie der Kerzenleuchter (Galleria dei Candelabri) und der Galerie der Wandteppiche mit ihren flämischen Knüpfkunstwerken hält sich der Besucherstrom in Grenzen. Spätestens bei der frisch restaurierten Kartengalerie, deren Farben von den Wänden strahlen, wird es voller - die Besucher bleiben stehen. "Die Karten Italiens sind erstaunlich präzise für die damalige Zeit. Viele Leute sind überrascht, dass sie sogar ihren kleinen Geburtsort finden", so Alessandrini.

Beleuchtete Sixtina

Am Ende des Gangs geht es geradeaus direkt zur Sixtina. Hier lässt sich noch alles gut erkennen, auch wenn es draußen bereits dunkel ist - dank moderner LED-Beleuchtung. Bis etwa 22.30 Uhr ist Zeit, die Museen zu erkunden. Die Ausstellungsstücke an anderen Orten sind im Dunkeln manchmal schlechter zu sehen - nicht alles ist so gut ausgeleuchtet wie die Sixtina. Die Aufnahmefähigkeit der meisten Besucher ist wohl nach mittlerweile rund zwei Stunden ohnehin erschöpft. Viele verweilen allenfalls noch bei den Souvenirständen länger.

Wem Bildende Kunst nicht reicht, für den gibt es ab 20.30 Uhr übrigens extra zu den Museumsnächten ausgewählte Live-Konzerte. Aber abends einige Werke fast allein genießen zu können, hat auch ohne musikalische Begleitung etwas Magisches.


Sixtinische Kapelle (KNA)
Sixtinische Kapelle / ( KNA )
Quelle:
KNA