Ein Künstler stellt den toten Nelson Mandela bei der Obduktion dar

Leichenbild schockt Südafrika

Auch eine Woche nach der Fußball-WM sind viele Südafrikaner entsetzt, wenn sie derzeit durch das edle Hyde-Park-Einkaufszentrum von Johannesburg bummeln. Dabei ist dort eigentlich nur ein neues Bild mit Nelson Mandela zu sehen: Allerdings ist der "Madiba", wie er auch ehrenvoll genannt wird, als Leiche dargestellt, die gerade obduziert wird.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Verantwortlich für das Entsetzen ist der südafrikanische Künstler Yiull Damaso, der Mandela schon seit Jahren in besonders ungewöhnlichen Situationen porträitiert hat: mal als Boxer, mal mit filzigen Dreadlocks. Doch diesmal hat sich Damaso, der aus Johannesburg stammt und seit 16 Jahren als Künstler arbeitet, an den Alten Meistern orientiert. Seine Arbeit ist eine Neufassung des Rembrandt-Gemäldes "Die Anatomie des Dr. Tulp", das der Niederländer 1632 schuf und das heute im Haager Mauritshuis zu sehen ist. Der Maler griff damals ein besonders beliebtes Thema auf: Anatomie-Vorführungen waren ein gesellschaftlichen Ereignis, für das oft sogar Eintritt verlangt wurde.

Doch anders als die südafrikanische Neufassung mit Mandela als zentrale Figur ist Rembrandts Leichnam mehr oder weniger unbekannt. Der Tote soll ein erhängter Straßenräuber gewesen sein. Wer die Ärzte sind, die sich um ihn scharren, weiß niemand. Ganz anders die Damaso-Fassung: Anstatt unbekannter Mediziner zeigt der Künstler den anglikanischen Alterzbischof Desmond Tutu sowie die Politiker Frederick de Klerk, Jacob Zuma, Thabo Mbeki und Helen Zille. Obduziert wird die Leiche von Nkosi Johnson (1989-2001) in der Rolle des Dr. Tulp. Nkosi Johnson zählt am Kap zu den bekanntesten Aids-Opfern. Aufsehen erregte der Junge 1997, als ihm wegen seiner Krankheit der Schulbesuch im Johannesburger Stadtteil Melville verweigert wurde. 2000 hielt er die Eröffnungsrede zur 13. Internationalen Aids-Konferenz. Ein Jahr später starb Nkosi Johnson - im Alter von nur zwölf Jahren.

"Genau dieser Junge erklärt den politischen Führern, dass Mandela ein Mensch wie du und ich ist", beschreibt Damaso sein Bild im südafrikanischen Radiosender YFM-News. "Gleichzeitig ist er aber jemand, der in seinem Leben großartige Dinge geschafft hat. Und die Politiker haben die Möglichkeit, das auch zu schaffen". Das Werk, meint Damaso, werde oft falsch interpretiert. Es soll weder Missachtung des "Madiba" noch Kritik sein. Vielmehr wolle er zeigen, dass sich Menschen auf die Suche nach seinem Inneren machen und feststellen wollen, weshalb er so eine großartige Persönlichkeit war..

"Wir müssen seinem möglichen Tod ins Auge sehen"
Und doch hat es noch eine weitere Botschaft - die viele Südafrikaner nur ungern hören. Mandela wurde am 18. Juli 92 Jahre alt - und wirkte bei seinen wenigen Auftritten in der Öffentlichkeit zuletzt geschwächt, ja krank. "Wir müssen seinem möglichen Tod ins Auge sehen, als einzelne und als Nation."

Genau diese Erklärung soll nun aufgebrachten Besuchern helfen, das Bild besser zu verstehen und es zu akzeptieren. Schließlich habe es immer wieder Beschwerden von Besuchern gegeben, sagt Nikola van Kann, Managerin des Hyde-Park-Zentrums. Abgehängt werden soll es aber auf keinen Fall. "Wir stehen hinter der Meinungsfreiheit und der Möglichkeit, dass Künstler ihre Ideen zum Ausdruck bringen können."

Auch der Sprecher der Südafrikanischen Bischofskonferenz, Pater Chris Townsend, geht davon aus, dass Mandela selbst das Recht auf künstlerische Freiheit unterstützen und befürworten würde. "Alllerdings verdient jemand wie Nelson Mandela Respekt." Und ob das Bild respektvoll genug ist, das hat Südafrika noch nicht entschieden.