Digitale Weihnachtserzählung von Rainer Oberthür

Ein kräftiger biblischer Impuls

Der Religionspädagoge und Autor Rainer Oberthür musste sich im Laufe der Corona-Krise umstellen und auf digitale Formate setzen. Rechtzeitig zum Weihnachtsfest hat er auch seine Weihnachtserzählung digitalisiert. 

Symbolbild Weihnachten digital / © Lana_M (shutterstock)
Symbolbild Weihnachten digital / © Lana_M ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie geben üblicherweise Fortbildungen für Religionslehrer, aber in diesem Jahr musste viel ausfallen, was persönliche Begegnungen angeht. Warum war das Jahr so besonders für Sie?

Rainer Oberthür (Autor und Dozent für Religionspädagogik am Katechetischen Institut des Bistums Aachen): Weil tatsächlich mein Hauptberufsfeld beziehungsweise die Identität meines Berufsfeldes, über die Tagungen bestimmt wird, was im März von heute auf morgen wegfiel. Dann musste ich mir überlegen: Was bietest du sonst an? Ich bin jetzt aber nicht der digitale Experte, habe mich aber dann sehr schnell umorientiert und im Frühjahr dann Lesungen angeboten, die ich einfach aus dem Stand irgendwie gemacht habe, mich vors Handy gesetzt und die Daten zu meinem Sohn nach Spanien geschickt habe.

Der hat daraus Videos produziert. Die wurden bei YouTube angeboten und dazu kamen dann Download-Pakete, die auf meiner Homepage standen als Fortbildungsalternative zu Ostern, zu Pfingsten, zu den großen Fragen. Und so habe ich also bis heute acht Lesungen gemacht und 60 Materialien auf die Homepage gestellt, auf die man dann frei zugreifen kann.

DOMRADIO.DE: Zwischendurch im Sommer ging es dann wieder einigermaßen. Aber jetzt gibt es den nächsten Lockdown und sie haben ja quasi vorgesorgt. Sie haben mit dieser Online-Geschichte die ganze Zeit immer noch parallel dann auch weitergemacht. Wir finden jetzt die Weihnachtserzählung als Lesung mit zusätzlichem Download auf Ihrer Homepage. In welcher Form erzählen Sie die Weihnachtsgeschichte da?

Oberthür: Das ist ein biblisches Bilderbuch der besonderen Art. weil ich die Matthäus-Kindheitsgeschichte und die Lukas-Kindheitsgeschichte zunächst mal getrennt erzähle. Also Vater und Kind unterhalten sich und aus dem Wunsch des Kindes heraus, die Erzählung zu hören, erzählt der Vater die Matthäus-Version und dann nach einem Zwischengespräch die Lukas-Version, sodass wir die Theologie des einen und die Theologie des anderen unterscheiden können.

Wir haben ja immer so auch als Erwachsene die Art, dass wir das hören und alles zu einer Geschichte zusammenrühren. Aber von den Sterndeutern erzählt nur der Matthäus und von den Hirten oder Lukas. Jeder Evangelist hat seine eigene Theologie. Und die kommt viel besser zum Tragen, wenn zunächst einmal getrennt erzählt wird.

DOMRADIO.DE: Wenn man das schon auseinander hält, ist das dann wirklich speziell was für Theologen oder Religionslehrer? Weil ich glaube, einem Kind ist es ja schon fast egal, ob man beide Versionen der Geschichte zusammen wirft, oder?

Oberthür: Das glaube ich nicht. Das weiß ich auch von Religionslehrern, die ganz begeistert sind, wenn sie mit dieser Weihnachtserzählung auch arbeiten, dass die Kinder schon merken: Aha, da erzählt der eine immer von den Propheten und von den Verheißungen, die erfüllt werden. Bei Matthäus ist das so, weil der sich an die Juden-Christen wendet. Der andere erzählt immer von Jesus als den Friedensbringer, als Alternative zu Augustus. Natürlich führen wir es dann am Ende auch wieder zusammen in der Geschichte. Aber ich glaube, es kommt was Unterschiedliches rüber. Vor allem kommt rüber, dass es nicht um historische Abläufe geht und die Frage, was wann, wo und wie passiert ist, sondern darum, wer Jesus für die Evangelisten, für die Menschen damals und für uns auch wirklich ist. Das kommt, glaube ich, dadurch besser zum Tragen. Vielleicht sehr intuitiv, aber das ist schön.

DOMRADIO.DE: Dann sind wir auch im Grunde genommen bei Weihnachten angekommen, denn die Religionslehrer, die haben jetzt noch ein paar Tage was zu tun, wie die anderen Lehrer auch. Aber danach sind Weihnachtsferien. An Weihnachten selber kann man ja auch diese Weihnachtserzählung anhören. Wenn Menschen zum Beispiel entscheiden, Weihnachten nicht in die Kirche zu gehen.

Oberthür: Genau. Das ist jetzt so, wie es auch Ostern war, dass diese Lesung tatsächlich geeignet ist, in die Familien gebracht zu werden und sie weiterzuleiten. Wir haben das selber mit unseren erwachsenen Kindern vor, die schon fast 30 sind. Wenn wir an Heiligabend das Video anschauen, der Papa liest vor und der Sohn hat es geschnitten, das wird sicherlich sehr speziell sein. Und das kann ich mir sehr gut vorstellen – auch für die Familien, die sagen: Wir wollen da auch einen kräftigen biblischen Impuls setzen. Die können sich das einfach gemeinsam anschauen, darüber sprechen und sich austauschen.

DOMRADIO.DE: Das ist ja auch genau für viele jetzt so eine Hürde zu überlegen, ich möchte eigentlich gerne Gottesdienst feiern, aber die steigenden Infektionszahlen sprechen eigentlich dagegen. Soll ich hingehen? Soll ich zuhause bleiben? Warum würden Sie sagen, Zuhause bleiben ist auch in Ordnung und kann ein würdiger Ersatz werden für dieses Jahr?

Oberthür: Ich finde, wir verzichten auf so viel. Also wir werden nicht mal unsere Schwiegereltern überhaupt besuchen im Münsterland, weil das uns einfach zu gefährlich ist und ihnen auch nicht so recht ist.

Dann kann man gut begründet sagen: Aus Liebe zu den Menschen, mit denen wir ganz besonders viel zu tun haben, gehen wir dann nicht dahin und gehen dann auch nicht in den Gottesdienst. Wir haben aber eine Form, die vielleicht inhaltlich viel intensiver ist, weil wir uns nochmal im kleinen und persönlichen Kreis auch austauschen können.

DOMRADIO.DE: Und dazu gehört die Weihnachtserzählung, die Sie selber gemacht haben. Was gehört für Sie dann noch dazu?

Oberthür: Was eigentlich ja jedes Jahr in jeder Familie auch dazugehört. Dass man sich überhaupt trifft, dass man die Zeit gemeinsam verbringt und dass man das eigentlich lebt, was diese Botschaft austauscht. Das tut man ja im Alltag eigentlich hoffentlich möglichst viel über das ganze Jahr. Aber ich glaube, da wird das nochmal, ich habe es neulich so schön gehört, synchronisiert möglich. Und ich hoffe, dass das in diesem engeren Kern Familienkreis auch in diesem Jahr ganz intensiv geschieht. 

Das Interview führte Dagmar Peters.


Rainer Oberthür / © Philipp Wichrowski (DR)
Rainer Oberthür / © Philipp Wichrowski ( DR )
Quelle:
DR