"Ein Kelch für zwei" - Gedanken zum Kommunionsempfang konfessionsverschiedener Paare

Für ein neues Verständnis Luthers

"Ein Kelch für zwei" - unter diesem Titel widmen sich mehrere Experten der Frage des Kommunionsempfangs konfessionsverschiedener Paare. Mitautor Wolfgang Tönnissen hält eine Teilnahme evangelischer Christen an der Kommunion grundsätzlich für möglich.

 (DR)

Ein Partner ist evangelisch der andere katholisch. So genannte konfessionsverschiedene Ehen sind heute alltäglich. Selbstverständlich ist auch, dass die Eheleute gemeinsam zum Sonntagsgottesdienst gehen. Was aber, wenn dann in der katholischen Messe der Gang nach vorne zur Kommunion ansteht? Mit genau dieser Frage, dem Kommunionempfang konfessionsverschiedener Paare, setzen sich unterschiedliche Autoren auseinander; im neuen Buch "Ein Kelch für zwei", herausgegeben vom langjährigen Italien-Korrespondenten und Vatikan-Kenner Jörg Bremer. Einer der Autoren ist der Leiter des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn, Prof. Wolfgang Thönnissen.

DOMRADIO.DE: Sie setzen sich in ihrem Beitrag vor allem mit Luthers Sakramentenverständnis auseinander und verteidigen ihn gegen den Vorwurf, die römisch-katholische Lehre nicht mehr vertreten zu haben. Was führt Sie dazu?

Prof. Dr. Wolfgang Thönissen (Leitender Direktor des Johannes-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn): Wir haben einen langen Prozess der Verständigung mit Martin Luther innerhalb der katholischen Kirche und der katholischen Theologie der letzten Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts hinter uns. Auf diese Geschichte greifen wir zurück, wenn wir uns heute noch einmal erneut mit den Schriften Martin Luthers auseinandersetzen. Das ist schon lange im lutherisch-katholischen Dialog geschehen. Aber auch die jüngeren Päpste wie etwa Benedikt XVI. haben sich ja ganz positiv mit Luther auseinandergesetzt. Es gibt schon eine ganze Reihe von Zeugnissen dafür, dass Martin Luther heute anders verstanden werden kann als es noch in den vergangenen Jahrhunderten möglich war.

DOMRADIO.DE: Mit der eucharistischen Verehrung, wie sie zum Beispiel beim Fronleichnamsfest geschieht, soll Luther aber massive Schwierigkeiten gehabt haben. Wie ist das denn aus heutiger Sicht zu bewerten?

Thönissen: Ich denke, dass man sehen muss, dass Luther auf der einen Seite vor allen Dingen an der spätmittelalterlichen Theologie und an der spätmittelalterlichen Praxis der Eucharistie sehr viel Kritik geübt hat. Das bedeutet aber nicht, dass er das Ganze verworfen hat. Wir müssen immer genau beobachten und sehen, was Luther wirklich kritisiert hat. Und das haben wir in unseren historischen und wissenschaftlichen Arbeiten gemacht und dabei haben wir festgestellt, dass Martin Luther ein sehr genaues Verständnis von der eucharistischen Praxis gehabt hat; für sich selber und auch in seinem Orden, in dem er groß geworden ist. Und dabei konnte er selbst auf eine Tradition etwa von Bernhard von Clairvaux zurückgreifen; in der mönchischen Tradition. Und da sah es doch etwas anders aus, als es damals in der Praxis der Kirche gemeinhin in den Gemeinden der Fall war. Und auf diese Praxis greifen wir zurück und dabei sehen wir, dass Luther ein sehr gutes Verständnis etwa auch von der Eucharistie entwickeln konnte.

DOMRADIO.DE: Und deshalb kommen Sie am Ende ihrer Ausführungen auch zum Ergebnis, dass eine Einladung an evangelische Christen, an der Kommunion der katholischen Kirche teilzunehmen, grundsätzlich möglich sei. Jetzt muss man ja noch differenzieren: Gilt das jetzt nur für Christen lutherischen Bekenntnisses oder für alle innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD)?

Thönissen: Das ist zunächst mal eine ganz schwierige Frage. Womit wir uns in dem wissenschaftlichen Diskurs und in den ökumenischen Dialogen beschäftigt haben, war natürlich die Theologie Luthers und die der Lutheraner. Darin sind auf eine gewisse Weise natürlich alle evangelischen Christen eingeschlossen, die sich auf Martin Luther beziehen. Das sind nicht nur im engeren Sinne die Lutheraner, sondern das können auch evangelische Christen in den unierten Kirchen sein, die sich in besonderer Weise mit Martin Luther auseinandersetzen und ihr eigenes Glaubenszeugnis mit Martin Luther verbinden. Insoweit man das berücksichtigt, kann man natürlich sagen, dass alle evangelischen Christen mindestens eingeladen sind, sich auf dieser Basis mit der katholischen Kirche und mit der katholischen Theologie zu verständigen.

DOMRADIO.DE: Ungeklärt ist aber nach wie vor, wie es eigentlich umgekehrt aussieht, wenn katholische Christen am evangelischen Abendmahl teilnehmen möchten. Nach Kirchenrecht ist das ja nicht erlaubt. Haben Sie da einen Lösungsvorschlag?

Thönissen: Ich habe jetzt keinen persönlichen Lösungsvorschlag dafür, aber ich kann hier auf die Synode in der katholischen Kirche vor über 40 Jahren zurückgreifen. Die hat mindestens in einem Fall nicht ausschließen wollen, dass auch katholische Christen, wenn sie sich denn ihrer Beheimatung in der katholischen Kirche sehr bewusst sind, durchaus in Einzelfällen mindestens ein solches Votum zum Ausdruck bringen können, an der evangelischen Eucharistiefeier – mindestens soweit sie in der lutherischen Tradition zum Ausdruck kommt – teilhaben zu können. Also sagen wir mal so: Vom Votum her ist das schon vor 40 Jahren geäußert worden. Leider ist diese Frage bis heute nicht mehr wieder aufgegriffen worden.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Wolfgang Thönissen / © Harald Oppitz (KNA)
Wolfgang Thönissen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR