Zentrumspolitiker Erzberger vor 100 Jahren ermordet

Ein Fanal für die Weimarer Republik

Seit 2017 ist ein Bundestagsgebäude beim Brandenburger Tor nach ihm benannt. Matthias Erzberger gehört zu den Gründungsvätern der Weimarer Republik, ist aber heute weithin unbekannt. Vor 100 Jahren wurde er ermordet.

Autor/in:
Von Christoph Arens
Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger  (HdGBW)
Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger / ( HdGBW )

Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, die zehn Opfer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU): Seit 1945 fielen in Deutschland rund 200 Menschen rechtsextremer Gewalt zum Opfer. Die allermeisten von ihnen Ausländer - meist Zufallsopfer, an denen die Extremisten ihren Hass ausließen.

Rechtsextreme Gewalt

Massive rechte Gewalt gab es auch schon in den Anfangsjahren der Weimarer Republik. Doch damals ermordeten völkische und antisemitische Attentäter vor allem prominente Persönlichkeiten des linken Lagers und Symbolfiguren der verhassten Republik. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sowie Bayerns sozialistischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner 1919, Reichsaußenminister Walter Rathenau 1922 und - am 26. August vor 100 Jahren - auch den Zentrumspolitiker Matthias Erzberger.

Es waren blutige Jahre: Ehemalige Soldaten, mit Gewalt und mit Waffen vertraut, sahen sich ihres Lebenssinns beraubt. Halt fanden sie in den Freikorps, die die Republik bekämpften und von einem mächtigen Deutschen Reich träumten.

Ständige Bedrohung

"Die Kugel, die mich treffen soll, ist schon gegossen" - das vertraute Erzberger seiner Tochter bereits im Frühjahr 1920 an. Kurz zuvor hatte der Minister ein erstes Attentat knapp überlebt. Zur Zielscheibe rechter Kreise wurde der gläubige Katholik vor allem deshalb, weil er im November 1918 als Leiter der Waffenstillstandskommission die demütigende Kapitulation unterzeichnete.

Ein Sympathieträger war er nicht, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, als er im Mai Erzbergers Büste in einem nach dem Zentrumspolitiker benannten Parlamentsgebäude in Berlin enthüllte: "Erzberger war vermutlich kein einfacher und auch kein unbedingt sympathischer Mensch, aber er hat einen gewaltigen Anteil an der Geschichte des Übergangs vom Kaiserreich in die Republik."

Aus einfachen Verhältnissen

Als Spross einer Tagelöhnerfamilie 1875 auf der Schwäbischen Alb geboren, wird Erzberger Lehrer, Journalist und Mitglied der Zentrumspartei, für die er 1903 als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt wird.

Schon früh zieht der überzeugte Demokrat, der sich für eine Parlamentarisierung des Kaiserreichs stark macht, den Hass von Rechts auf sich: Im Haushaltsausschuss Referent für den Militär- und Kolonialetat, brandmarkt er die deutsche Kolonialpolitik als "Spielwiese der Eliten" und deckt mehrere Skandale auf. Konservative Kreise verspotten ihn als "Negerfreund".

Vom Kriegsbefürworter zum Kriegsgegner

1914 ist Erzberger Befürworter des Krieges. Sein "Kriegszielprogramm" fordert einen "Siegfrieden" mit weitreichenden Annexionen. Die Reichsregierung überträgt ihm die Verantwortung für die Propaganda im neutralen Ausland. Gut vernetzt und durch Reisen informiert, wächst in ihm zunehmend die Erkenntnis, dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen kann. Er wendet sich gegen den unbeschränkten U-Boot-Krieg, kritisiert die Reichsregierung wegen ausbleibender Hilfen für die christlichen Armenier im Osmanischen Reich. Vergeblich versucht er, den Kriegseintritt Italiens an der Seite der Gegner zu verhindern, wobei er in engem Kontakt mit dem Vatikan und Papst Benedikt XV. persönlich steht.

"Novemberverbrecher"

1917 setzt er sich im Reichstag für einen "Verständigungsfrieden" ohne Annexionen ein. Dass er - und nicht ein Mitglied der Obersten Heeresleitung - am 11. November 1918 das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet und als Vizekanzler den Versailler Vertrag akzeptiert, macht ihn aus Sicht der Rechten zu einem "Novemberverbrecher".

Hetzkampagnen

In der neugegründeten Republik wird Erzberger 1919 Finanzminister. Er vereinheitlicht das Steuersystem und belastet dabei größere Vermögen stärker. Nach einer Hetzkampagne des deutschnationalen Politikers Karl Helfferich und einem zermürbenden Prozess, in dem er sich gegen Vorwürfe einer "unsauberen Vermischung politischer Tätigkeit und eigener Geldinteressen" wehrt, tritt er 1920 zurück.

Rechtsextreme Attentäter

Erzberger gelingt es, sich zu entlasten. Gerade als er seine Karriere wieder aufnehmen will, folgt das Attentat. Am 26. August 1921 passen die ehemaligen Marineoffiziere Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz - beide Angehörige der rechten Organisation Consul - Erzberger in Bad Griesbach im Schwarzwald bei einem Spaziergang ab und erschießen ihn.


Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger  (HdGBW)
Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger / ( HdGBW )
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