Zum 100. Geburtstag des "Weiße Rose"-Mitglieds Hans Leipelt

"Und der Geist lebt trotzdem weiter"

Der Chemiestudent Hans Leipelt zählt zu den weniger bekannten Mitgliedern der NS-Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Er machte weiter, als die ersten seiner Mitstreiter zum Tod verurteilt wurden. Schließlich wurde er selbst hingerichtet.

Autor/in:
Christian Michael Hammer
Weiße Rose wurde zum Symbol / © Peter Kneffel (dpa)
Weiße Rose wurde zum Symbol / © Peter Kneffel ( dpa )

Der NS-Widerstandskämpfer Hans Leipelt ist vielen kein Begriff. Dabei war er maßgeblich beteiligt an der "Weißen Rose". Ein Stolperstein vor dem Hauptgebäude der Hamburger Universität, eine Gedenktafel im Foyer des Audimax sowie eine weitere Tafel vor einer Schule in Hamburg-Wilhelmsburg erinnern an den Studenten.

Am 18. Juli wäre er 100 Jahre alt geworden. Als er von den Nazis hingerichtet wurde, wenige Monate vor Kriegsende, war er gerade mal 23. Leipelt kommt am 1921 in Wien zur Welt. Seine Eltern Konrad und Katharina - er Ingenieur, sie Chemikerin - ziehen wegen einer Anstellung des Vaters nach Hamburg.

Als Soldat im Frankreichfeldzug

Nach seinem Abitur 1938 meldet sich Leipelt junior freiwillig zum Reichsarbeitsdienst, kämpft als Soldat im Frankreichfeldzug. Im Juni 1940 bekommt der 18-Jährige das Eiserne Kreuz. Knapp zwei Monate später endet seine Zeit bei der Wehrmacht - jäh.

Als sogenannten Halbjuden schließt das Militär den evangelischen Christen aus. Der Grund: jüdische Urgroßeltern mütterlicherseits. Noch im selben Jahr schreibt er sich für ein Chemiestudium an der Hamburger Universität ein. Mit dem Nazi-Stempel "Halbjude" darf er sein Studium aber bald nicht mehr fortsetzen.

Er versucht sein Glück an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Dort lehrt zu dieser Zeit der bekannte Chemie-Nobelpreisträger Heinrich Otto Wieland, der den talentierten Leipelt weiterstudieren lässt. Aufgrund seiner Reputation kann es sich Wieland erlauben, den vorgeschriebenen "Ariernachweis" zu ignorieren.

Ausgrenzung der ganzen Familie

Die strukturelle Ausgrenzung der Familie Leipelt nimmt weiter zu. Parteischergen gehen gegen Hans Leipelts vier Jahre jüngere Schwester vor. Sie muss 1942 die Schule verlassen. Die Großmutter wird ins KZ Theresienstadt verschleppt und stirbt dort.

Im September 1942 erliegt der Vater einem Herzinfarkt. Die Mutter, ihres letzten Schutzes durch die "Mischehe mit einem Arier" beraubt, wird zu Zwangsarbeit in einem Futtermittel-Betrieb genötigt. Dem jungen Hans Leipelt reicht es. Er will Schluss machen mit dem Nazi-Regime.

«Diese Ausgrenzung traf ihn tief, und seine Stimmung schwankte ständig zwischen ohnmächtiger Wut und Aggressivität gegenüber der menschenverachtenden Ideologie und Politik des Nazi-Regimes», erinnert sich seine Partnerin Marie-Luise Jahn später.

Erster Kontakt mit der "Weißen Rose"

Im Februar 1943 kommt Leipelt erstmals mit der "Weißen Rose" in München in Berührung. Er hält das sechste und letzte Flugblatt der Geschwister Scholl und ihres Mitstreiters Christoph Probst in den Händen. Das Trio fliegt auf, Leipelt und Marie-Luise Jahn machen weiter.

Sie vervielfältigen die Flugschrift, ergänzen sie um den Zusatz "... und ihr Geist lebt trotzdem weiter!" und bringen sie unter die Leute - auch in Hamburg. Am 8. Oktober 1943 wird Leipelt verraten und verhaftet, seine Freundin eine Woche später.

Im Prozess so clever, dass seine Freudin überlebt

Es dauert über ein Jahr, bis ihnen der Prozess gemacht wird. Wegen Kriegsschäden in München muss der reisende Volksgerichtshof ins bayerisch-schwäbische Donauwörth ausweichen. Am 13. Oktober 1944 fällt das Urteil: zwölf Jahre Haft für Marie-Luise Jahn, Tod für Leipelt. Er hatte in der Verhandlung zuvor versucht, die ganze Verantwortung für die gemeinsamen Aktivitäten auf sich zu nehmen.

Seine Geliebte sagt später: "Ich wusste, es war falsch, und doch habe ich es zugelassen, ich wollte leben." Leipelts Mutter Katharina und seine Schwester Maria kommen ins Polizeigefängnis in Fuhlsbüttel. Katharina finden die Wärter nach zwei Tagen tot in ihrer Zelle.

Fachoberschule Leipert in Donauwörth

Wie genau sie ums Leben kam, ist nicht geklärt. Leipelts Schwester und Marie-Luise Jahn überleben. In Donauwörth, wo der am 29. Januar 1945 vollstreckte Justizmord verfügt worden war, ist die Fachoberschule nach Leipelt benannt.

"Der Name einer Schule kann im Bewusstsein gerade der jungen Menschen sehr viel bewirken", betont die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, Hildegard Kronawitter. "Vorbilder wie Leipelt haben sich allen Widrigkeiten zum Trotz mit aller Kraft gegen bestehendes Unrecht eingesetzt."


Quelle:
KNA