Ein denkwürdiger interreligiöser Abend im Münchner Wendel-Haus

Drei emanzipierte Töchter Abrahams

Die Konstellation war außergewöhnlich: Die höchste Repräsentantin des deutschen Judentums an einem Tisch mit einer muslimischen und katholischen Frauenrechtlerin. Es war Charlotte Knobloch, die einmal mit Schwester Lea Ackermann ein öffentliches Gespräch bestreiten wollte - und die hatte Seyran Ates mitgebracht.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Die Berliner Anwältin hatte sich seit fast einem Jahr wegen anhaltender Morddrohungen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. So entwickelte sich am Montagabend im Münchner Kardinal-Wendel-Haus ein munteres Gespräch dreier couragierter Frauen über Freud und Leid an der eigenen Religion.



Abgesehen vom gemeinsamen Geschlecht und der Tatsache, dass alle drei Referentinnen keine Theologinnen sind, waren die Ausgangspositionen nicht gleich. Bei der scheidenden Präsidentin des Zentralrats der Juden und der Ordensfrau bestreiten selbst ihre internen Kritiker nicht die konfessionelle Identität. Die türkischstämmige Juristin aber musste sich zunächst mit dem ausgrenzenden Etikett "Islamkritikerin" auseinandersetzen.



Sie könne mit diesem Begriff "nichts anfangen", sagte Ates. Entweder werde ihr damit der Glaube abgesprochen und die Berechtigung, über den Islam zu sprechen. Oder aber es solle damit eine Religion gegen Kritik immunisiert werden. Beides sei nicht akzeptabel. Die Anwältin, die ihre Mandantinnen vor Zwangsheirat und Ehrenmord zu schützen versucht, bekannte, eine gläubige Muslimin zu sein, die ihrer Religion ganz bestimmt nicht den Rücken kehren wolle.



Das Thema des Abends

Emanzipation nicht von Religion, sondern in der Religion - damit war das Thema des Abends gefunden. Wer den drei Damen zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass es eine Frage des Alters einer Religion ist, bis in ihr Frauenrechte zur Geltung kommen.



Knobloch, in der orthodoxen Tradition zu Hause, konnte entspannt von ihren Erlebnissen mit Rabbinerinnen in den USA berichten: "Das sind ganz tolle Frauen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie sich mit ihrem Amt noch intensiver befassen." Und gleich danach anfügen, dass Rabbinerinnen nach orthodoxer Auffassung "nicht vorgesehen" sind. Es klang weniger nach Bedauern als nach versöhnter Verschiedenheit.



Knobloch stellte die jüdische Frau als Paradebeispiel gelungener Emanzipation dar, "und zwar nicht erst seit den 60er Jahren". Schon seit Jahrhunderten hätten Jüdinnen eine Vielzahl von Berufen ausgeübt. Eingeschränkt worden seien sie weniger durch religiöse Dogmen, sondern durch die herrschenden soziokulturellen Gegebenheiten. Von Schüben gesellschaftlicher Liberalisierung hätten sie aber genauso profitiert wie andere Frauen.



Weibliche Lichtgestalten der Kirchengeschichte

Schwester Lea brachte, getreu der Lesart feministischer Theologie, Jesus als revolutionären Mann der Gleichberechtigung gegen spätere patriarchalische Rückschläge in Stellung. Sie setzte weibliche Lichtgestalten der Kirchengeschichte wie Hildegard von Bingen oder Theresa von Avila gegen die "mönchische Frauenverachtung" eines Augustinus oder Hieronymus. Und sie beschwor mit Blick auf die "jesuanische Wende" die Vorreiterrolle evangelischer, anglikanischer und freikirchlicher Christen im Bestreben, Frauen "einen ebenbürtigen Platz neben den Männern einzuräumen".



Der Islam als jüngste der monotheistischen Weltreligionen ist in der Frauenfrage klar im Hintertreffen. Von weiblichen Imamen kann Ates nur träumen. Doch mehr als das treibt die Anwältin um, dass Frauen in manchen islamischen Ländern noch gesteinigt werden, wenn sie die Ehe brechen. "Das verletzt mich", sagt sie. Genauso verletzt sie, wenn schon fünfjährige Mädchen in Deutschland ein Kopftuch übergestülpt bekommen, um sie dem begehrlichen Blick der Männer zu entziehen. "Das hat nichts mit Religion zu tun, da sind wir ganz nah an der Pädophilie." Deswegen, meint die Anwältin, brauche der Islam eine sexuelle Revolution.



Der Ruf nach Liberalisierung ließ dann aber noch einmal die katholische Protagonistin gegen Zwangsprostitution und Frauenhandel nachdenklich werden. Es sei keine gute Entwicklung in Deutschland, dass in sexueller Hinsicht inzwischen alles erlaubt sei, befand Schwester Lea. Jugendliche würden mit ihren Fragen oft im Stich gelassen und seien einer sexualisierten Medienindustrie ausgeliefert.