Ehemaliger ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer ist gestorben

Ohne ideologische Scheuklappen

Er war Minister unter Lothar de Maiziere und Kurt Biedenkopf. Außerdem war er zwölf jahrelang oberster Laienkatholik in Deutschland und hat turbulente Zeiten erlebt. Hans Joachim Meyer ist am Freitag im Alter von 87 Jahren gestorben.

Autor/in:
Christoph Arens
Ehemaliger ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer ist gestorben (KNA)
Ehemaliger ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer ist gestorben / ( KNA )

Der langjährige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) starb am Freitag im Alter von 87 Jahren, wie seine Familie am Samstag mitteilte. 

Der gebürtige Rostocker lebte zuletzt in Potsdam. Hans Joachim Meyer war letzter Bildungsminister der DDR und anschließend sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst.

ZdK-Vorsitzender Alois Glück (l.) mit dem ehemaligen ZdK-Vorsitzenden Hans Joachim Meyer (r.) 2011 (KNA)
ZdK-Vorsitzender Alois Glück (l.) mit dem ehemaligen ZdK-Vorsitzenden Hans Joachim Meyer (r.) 2011 / ( KNA )

Er mochte am liebsten in keine Schublade gesteckt erden. "In keiner Schublade" lautete denn auch der Titel seiner elegant formulierten Autobiografie 2015. Hans Joachim Meyer hat turbulente Zeiten erlebt: als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), aber auch als Sächsischer Wissenschaftsminister und CDU-Politiker in den Kabinetten von Kurt Biedenkopf und zuvor als Bildungsminister der letzten DDR-Regierung von Lothar de Maiziere.  

Distanz zum SED-Staat

Unabhängiges Denken und Hartnäckigkeit - diese Eigenschaften kamen dem Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin schon zu DDR-Zeiten zu Gute. Das Jurastudium musste er 1958 aus politischen Gründen abbrechen, ein Jahr später durfte sich Meyer für Anglistik und Geschichte in Ost-Berlin einschreiben. Trotz Distanz zum SED-Staat schaffte er es zum Professor der Sprachwissenschaften. 

97. Deutscher Katholikentag vom 21. bis zum 25. Mai 2008 in Osnabrück
Bild v.r.: Robert Zollitsch, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz; Bundeskanzlerin Angela Merkel; Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück und Hans Joachim Meyer, ZdK. (KNA)
97. Deutscher Katholikentag vom 21. bis zum 25. Mai 2008 in Osnabrück Bild v.r.: Robert Zollitsch, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz; Bundeskanzlerin Angela Merkel; Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück und Hans Joachim Meyer, ZdK. / ( KNA )

Seit den 1970er Jahren engagierte sich der Katholik mit preußischer Ausstrahlung in der Kirche. Er lernte dort, "was eine freie und demokratische Debatte ist". 

Leiter des "Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR"

Nach der Wende leitete Meyer den "Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR" und wurde ins ZdK berufen - das höchste Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. In dieser Zeit begann auch seine politische Karriere. Lothar de Maiziere (CDU) machte den unbelasteten Akademiker 1990 zum Wissenschafts- und Bildungsminister der letzten DDR-Regierung. 

Meyer weinte der DDR keine Träne nach. Aber er verleugnete nicht seine Prägung, sein "Ossi-Herz", wie er selber schrieb. Und so konnte er das Dilemma beschreiben, das viele frühere DDR-Bürger noch heute empfinden: "Wir wollten der Bundesrepublik beitreten und doch wir selbst bleiben." 

Übermaß der Westbestimmung habe die Wirklichkeit des Ostens entwertet

Doch während viele Westdeutsche in ihrem Alltag von der Wiedervereinigung nur begrenzt berührt waren, wurde das Leben der Ostdeutschen komplett umgekrempelt. Das Übermaß der Westbestimmung, westdeutsche Arroganz und Besserwisserei habe die Wirklichkeit des Ostens entwertet, schrieb er. Dass es die Deutschen in der DDR waren, "die als erste jene Freiheit errangen", davon, so Meyer, "spricht und schreibt im Westen so gut wie niemand". 

Helmut Kohl und Hans Joachim Meyer beim Abschlussgottesdienst des 93. Katholikentags vom 10. bis 14. Juni 1998 in Mainz (KNA)
Helmut Kohl und Hans Joachim Meyer beim Abschlussgottesdienst des 93. Katholikentags vom 10. bis 14. Juni 1998 in Mainz / ( KNA )

Auch als sächsischer Bildungsminister wehrte sich Meyer zu Beginn der 1990er Jahre dagegen, die Universitäten und Schulen der untergegangenen DDR zum Abbruch freizugeben. Das Bildungswesen der DDR sei zwar "hochideologisiert" gewesen, "aber in seinem fachlichen Kernbestand solide und anwendungsorientiert".

Erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK

Von 1997 bis 2009 stand Meyer als erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK - das war noch vor dem Missbrauchsskandal, der die Koordinaten der Kirche stark verändern sollte. Den von Papst Johannes Paul II. durchgesetzten Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung bezeichnete Meyer als bitterste Erfahrung seiner Amtszeit. 

Hans Joachim Meyer begrüßt den Papst Johannes Paul II. in Deutschland im Juni 1996 (KNA)
Hans Joachim Meyer begrüßt den Papst Johannes Paul II. in Deutschland im Juni 1996 / ( KNA )

Dialogbereitschaft, aber auch Hartnäckigkeit und eine bisweilen harsche Wortwahl zeichneten Meyer als ZdK-Präsidenten aus. Dem Papst und den Bischöfen in allem gehorsam zu sein, hielt er für "unkatholisch". Schließlich gehöre er nicht einer "Kommandokirche" an, betonte er.

Ohne ideologische Scheuklappen

Auch im Ruhestand blieb Meyer ein gefragter Redner und Interviewpartner. Dabei teilte er ohne ideologische Scheuklappen in alle Richtungen aus. So hielt er seinen ostdeutschen Landsleuten mit Blick auf die Erfolge von AfD und Pegida einen Mangel an Dialogfähigkeit und Weltoffenheit vor. Den Westdeutschen warf er dagegen ein unterentwickeltes Nationalbewusstsein vor, das dem Rechtspopulismus Auftrieb gebe. 

In seinem Heimatbistum war Meyer zuletzt der prominenteste Wortführer der Gegner eines Umbaus der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Unbeirrt verteidigte er die bestehende Raumgestalt mit der markanten Bodenöffnung, die beim Wiederaufbau vor 50 Jahren entstand, als "geniales Zeugnis zeitgenössischer Architektur". Und Meyer betonte: "Wir Katholiken im Ostteil der Stadt waren stolz auf diese Neuschöpfung der Kathedrale". 

Meyer wurde in Rostock geboren. Von April bis Oktober 1990 war er letzter Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR unter Lothar de Maiziere (CDU) und nach der deutschen Wiedervereinigung von 1990 bis 2002 Sächsischer Minister für Wissenschaft und Kunst.

 Bätzing würdigt Meyer als engagierten Katholiken und aufrichtigen Politiker

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, würdigte Meyer als engagierten Katholiken und aufrichtigen Politiker. "Für ihn galt es immer, den Dialog zwischen Kirche und Politik zu suchen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat er kritisch-konstruktiv begleitet", sagte der Limburger Bischof. 

"Mutig und engagiert war er Mitglied der Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR. Unvergessen ist seine Zeit als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken von 1997 bis 2009."

Zentralkomitee der Katholiken trauert um ehemaligen Präsidenten

ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp würdigte Meyer als Glücksfall für die Kirche in Deutschland. Mit seiner ostdeutschen Biografie habe er maßgeblichen Einfluss auf das Zusammenwachsen der Katholiken in Ost und West gehabt.

"Er verstand es, Lebenswelten zusammenzuführen und mit brillanten Analysen der deutsch-deutschen Wirklichkeit für ein wechselseitiges Verstehen zu werben." Als katholischer Präsident des Ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin habe er zudem ökumenische Zeichen gesetzt.

Vollversammlung des ZdK am 8. Mai 2009 in der Katholischen Akademie in Berlin. Bild (v.l.n.r.): Der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Heinz-Wilhelm Brockmann; der Generalsekretär des ZdK, Stefan Vesper; der Präsident des ZdK, Hans Joachim Meyer; die ZdK-Vizepräsidenten Magdalena Bogner; und Christoph Braß, stimmen über die Tagesordnung ab. (KNA)
Vollversammlung des ZdK am 8. Mai 2009 in der Katholischen Akademie in Berlin. Bild (v.l.n.r.): Der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Heinz-Wilhelm Brockmann; der Generalsekretär des ZdK, Stefan Vesper; der Präsident des ZdK, Hans Joachim Meyer; die ZdK-Vizepräsidenten Magdalena Bogner; und Christoph Braß, stimmen über die Tagesordnung ab. / ( KNA )
Quelle:
KNA