Dresden diskutiert über Form des Gedenkens an Bombardierungen

Damals mit heute verbinden

Dresden gedenkt an diesem Montag der Bombardierung der Stadt vom 13. Februar 1945. Über die Form des Gedenkens gibt es jedoch kontroverse Ansichten, wie der Leiter der katholischen Akademie Dresden, Thomas Arnold, im Interview erklärt.

Kunstinstallation "Lampedusa 361" vor der Semperoper / © Arno Burgi (dpa)
Kunstinstallation "Lampedusa 361" vor der Semperoper / © Arno Burgi ( dpa )

domradio.de: Im Vorfeld gab es, wie in jedem Jahr, Demonstrationen aus dem rechten Spektrum. In diesem Jahr nun zusätzlich einen Aufmarsch von der linken Seite. Wie präsentiert sich die Stadt Dresden zum Gedenktag?

Thomas Arnold (Direktor der katholischen Akademie in Dresden): Jedes Jahr kommen rechtsextreme Gruppen nach Dresden und versuchen, diesen Tag zu vereinnahmen. Es ist schlimm, dass es das Jahr für Jahr gibt, denn dieser 13. Februar ist zutiefst im Herzen der Stadt verankert. Menschen erinnern sich immer noch daran, was an diesem Tag im Jahr 1945 passiert ist. Die Stadt ist an diesem Tag im Ausnahmezustand. In diesem Jahr gab es die politischen Aufmärsche bereits am Samstag. Da trafen rechte und linke Gruppen aufeinander. In diesem Jahr ist aber alles soweit friedlich abgelaufen. Am Abend sind die Teilnehmer wieder ohne Zwischenfälle auseinandergegangen.

domradio.de: Lassen Sie uns in die Geschichte zurückblicken. 25.000 Menschen sind am 13. Februar 1945 durch Bombardierungen ums Leben gekommen. Diese offizielle Angabe stammt von einer Kommission verschiedener Historiker. Trotzdem hängen einige eine Null dran und sprechen von 250.000 Menschen. Was steckt dahinter?

Arnold: Ich denke, dass die Anzahl der Toten am Ende egal ist. Es kommt darauf an, dass hier Leid geschehen ist und dass unschuldige Menschen getötet wurden. Diesen gilt es zu gedenken. Ebenso gedenken die Dresdner, dass ihre ganze Stadt zerstört wurde, obwohl es unnötig war, denn der Krieg war längst entschieden gewesen.

domradio.de: Was bedeutet dieser Tag denn für die Stadtgemeinschaft?

Arnold: Die Stadt scheint an diesem Tag zusammenzurücken. Viele Bewohner kommen um 17.00 Uhr zu einer Menschenkette zusammen, um zu symbolisieren, dass man zusammensteht. Diese Menschenkette ist ursprünglich als Antwort auf die rechtsextremen Proteste entstanden. Inzwischen ist sie zum Zeichen der Einheit geworden. Sie geht über die Elbe hinweg, an der Frauenkirche entlang und an den Monumenten vorbei. Um 21.45 Uhr gibt es noch eine stille Minute, wo die Dresdner teilweise ihre Fenster öffnen und beten. Das ist der Moment, in dem im Jahr 1945 die Luftangriffe begonnen haben. Man merkt, dass in der Stadt die Erinnerung daran immer noch wach ist.

domradio.de: Über Dresden und das dortige Gedenken gibt es seit längerem Diskussionen. Verantwortlich dafür sind verschiedene Mahnmale. Vor der Semperoper gibt es ein neues Denkmal in Form einer Fotoausstellung. Auf dem Pflaster liegen Bilder von Gräbern ertrunkener Bootsflüchtlinge. Und vor der Frauenkirche stehen hochkant drei Linienbusse. Beide Installationen sind aufgrund des heutigen Datums entstanden. Was bedeutet das für Dresden?

Arnold: In Dresden lebten und leben viele Menschen, die die Geschehnisse von damals hautnah miterlebt haben. Aber diese Zeitzeugen sterben langsam aus. Ich glaube, es ist die Herausforderung unserer Generation, nicht nur das Gedenken an diesen Tag wach zu halten, sondern auch in dieser Stadt dafür zu sensibilisieren, wo andernorts Unrecht oder Gewalt geschieht. Die zwei Denkmäler sind aus meiner Sicht eine ganz hervorragende Möglichkeit, dieses Gedenken zu aktualisieren. Die Busse, die an die Gewalt in Aleppo erinnern und der Platz vor der Semperoper, der das Schicksal unschuldiger Flüchtlinge thematisiert, sind meines Erachtens dafür sehr geeignet. Es wird gezeigt, dass es auch eine Folge von Gewalt sein kann, dass sich Menschen auf die Flucht begeben und dabei erneut Unrecht erleben.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Thomas Arnold (Bistum Dresden-Meißen)
Quelle:
DR