Grundsteinlegung für Berlins "House of One"

Drei Religionen beten unter einem Dach

Die wachsenden Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern belegen die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs. In dieser Zeit geht ein beispielhaftes Berliner Projekt von Juden, Christen und Muslimen an den Start.

Autor/in:
Gregor Krumpholz
Model des "House of One" in Berlin / © Paul Zinken (dpa)
Model des "House of One" in Berlin / © Paul Zinken ( dpa )

Nach zehnjähriger Planung ist es am 27. Mai soweit: Dann wird der Grundstein für das Berliner «House of One» gesetzt. Es ist der symbolische Baustart für ein in dieser Form bundesweit einmaliges "Bet- und Lehrhaus" von Juden, Christen und Muslimen.

Zu dem Festakt werden Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erwartet. Das internationale Interesse an dem Projekt belegt, dass sich Generalsekretärin Azza Karam der Bewegung "Religions for Peace" per Internet zuschalten lässt. Wegen der Corona-Pandemie kann sie nach Angaben der Stiftung "House of One" nicht persönlich kommen.

Dialog und Toleranz zwischen den Religionen

Das Virus ist auch für die Verschiebung der Grundsteinlegung verantwortlich: Sie sollte ursprünglich am 14. April 2020 stattfinden, dem Jahrestag der Berliner Uraufführung von Lessings "Nathan der Weise" im Jahr 1783. Das Drama wirbt für Dialog und Toleranz zwischen den Religionen.

Diesem Ziel haben sich auch die Träger des neuen Sakralbaus verpflichtet. Es sind die evangelische Kirchengemeinde Sankt Petri-Sankt Marien, die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Abraham Geiger Kolleg zur Ausbildung von Rabbinern und der muslimische Verein Forum Dialog. Der Name "House of One" ("Haus des Einen") bezieht sich auf den Glauben der beteiligten Religionen an einen Gott.

Ihr Bau im Zentrum Berlins wird nicht zu übersehen sein. Er entsteht an der mehrspurigen Leipziger Straße auf den Fundamenten der ehemaligen evangelischen Petrikirche, deren Trümmer nach dem Zweiten Weltkrieg abgetragen wurden.

Bau mit Synagoge, Kirche und Moschee

Umfassen wird er eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee, die durch einen Raum der Begegnung auch mit nichtreligiösen Menschen verbunden sind. Das Konzept des dreistufige Ziegelbaus in kubischen Formen stammt vom Architekturbüro Kuehn Malvezzi Architekten. Es hatte 2013 bei einem Wettbewerb den ersten Platz belegt.

Die Arbeiten werden auf vier Jahre und die Kosten auf 47 Millionen Euro veranschlagt. Davon trägt der Bund 20 Millionen Euro, das Land Berlin steuert zehn Millionen Euro bei. Spenden und weitere Zuwendungen erbrachten bislang neun Millionen Euro, knapp acht Millionen Euro will die Stiftung noch einwerben.

Dabei hat die Stiftung den Rückhalt eines prominenten Kuratoriums. Ihm gehören unter anderen Ex-Bundespräsident Christian Wulff, der Zentralrats-Präsident der Juden, Josef Schuster, sowie Berlins Erzbischof Heiner Koch und Landesbischof Christian Stäblein an, überdies der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und die Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, Hetty Berg.

Projekt strahlt weit über Deutschland hinaus 

Das Projekt strahlt auch weit über Deutschland hinaus aus. So dient es etwa in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui als Vorbild und Inspiration für ein vergleichbares Bet- und Lehrhaus, wie es im vergangenen Jahr eine Ausstellung von Zeichnungen und Modellen für das Projekt in der Berliner Parochialkirche deutlich machte.

Die Berliner Stiftung "House of One" strebt eine weitere internationale Vernetzung solcher "Mehrreligionenhäuser" an. So luden Rabbiner Andreas Nachama, Pfarrer Gregor Hohberg und Imam Kadir Sanci, die prominentesten Vertreter des Projekts, im vergangenen Jahr zu einer digitalen Konferenz mit Vertretern ähnlicher Einrichtungen in Bern, Hannover, München, Wien und Wilhelmshaven ein.

Das Berliner Projekt stellt sich auch problematischen Aspekten seines Standorts. So erforscht es die nationalsozialistische Vergangenheit von Walter Hoff (1890-1977), der an der Petrikirche Pfarrer und als "glühender Antisemit" bekannt war. "Ein geschichtsloser interreligiöser Dialog wäre substanzlos und naiv", betont Roland Stolte, der Verwaltungsdirektor der Stiftung "House of One", "deshalb muss auch das Wirken von Walter Hoff zum Thema werden".


Quelle:
KNA