Die Benediktiner-Abtei Dormitio zählt neben der evangelischen Erlöserkirche und der mit ihr verbundenen
Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg zu den deutschen Symbolen in Jerusalem. Mit ihrem markanten Turm prägt die Abtei-Kirche die Silhouette der Stadt. Unmittelbar neben dem Saal des letzten Abendmahls und des Pfingstwunders gelegen, zählt sie zu den wichtigsten Heiligtümern im Heiligen Land.
In ihrer Krypta sieht die Tradition den Sterbeort der Gottesmutter Maria. In friedlichen Zeiten wird er von jährlich hunderttausenden Menschen besucht: von Christen aller Konfessionen, aber auch von Juden und Muslimen. Prominent sind das Theologische Studienprogramm der Dormitio und ihre Auslandsseelsorge. Am 7. Oktober, der im Land inzwischen an den Terroranschlag der Hamas von 2023 gebunden ist, jährt sich die Grundsteinlegung der monumentalen Kirche zum 125. Mal.
Politische Anfänge
Auch wenn es um einen Kirchenbau ging, waren die Anfänge sehr politisch und national geprägt. Am Reformationstag, dem 31. Oktober 1898, weihte Kaiser Wilhelm II. im Rahmen seiner spektakulären Orientreise die evangelische Erlöserkirche unmittelbar neben der Grabeskirche ein. Noch am gleichen Tag besuchte der Hohenzoller das Gelände auf dem Zionsberg, das er auf Vermittlung des osmanischen Sultans erworben hatte, um es seinen katholischen Untertanen für denBau einer Marienkirche zu überlassen. Es ging zu Händen des Deutschen Vereins von Heiligen Lande (DVHL).
Die kaiserliche Besitzergreifung erfolgte mit symbolträchtigem Protokoll: Die Reichsflagge wurde gehisst, vor einer Kompanie
Marinesoldaten in Paradeaufstellung mit aufgepflanztem Bajonett, sagt die Chronik. Wilhelm II. kam dem tiefen Wunsch der deutschen Katholiken entgegen, die sich schon seit etlichen Jahren um den Bau einer Kirche in Jerusalem bemüht hatten.
Bei den langwierigen Sondierungen für eine Kirche seiner Katholiken im Heiligen Land hatte der Kaiser zunächst mit den Franziskanern als dem hier führenden Pilgerorden Kontakt aufgenommen. Da deren Kustodie ihm jedoch zu nahe an seinem Erzrivalen Frankreich stand, entschied er sich für den Benediktinerorden, für den er bereits 1892 die Wiedereröffnung der Abtei Maria Laach unterstützt hatte. Der mit der Umsetzung der Gründung beauftragte Verein wandte sich an die
Kongregation von Beuron, ein Kloster auf dem Zionsberg zu gründen. Was diese jedoch nur gegen manche internen Widerstände durchsetzen konnte.
Kölner Baumeister
Der DVHL hatte seinen Sitz in Köln. Und so erhielt der erst 34-jährige Kölner Diözesanbaumeister Heinrich Renard im Frühjahr 1899 den Zuschlag - ohne einen Architektenwettbewerb. Im Mai fuhr er nach Jerusalem, vermaß das verwinkelte und für ein Kloster recht kleine Grundstück und legte Anfang 1900 seinen Entwurf vor: einen hohen Zentralbau mit einem langgestreckten kreuzförmigen Vorbau, verbunden mit Klosterräumen und Mönchsklausen, und daneben der Glockenturm.
Der Bauplan orientierte sich offenkundig an der Pfalzkapelle von Karl dem Großen in Aachen, was dem kaiserlichen Auftraggeber entgegenkam, der die Bauplanungen interessiert verfolgte. Noch deutlicher erkannten Beobachter jedoch eine Nähe zur Kölner Basilika Sankt Gereon, einem auf das 5. Jahrhundert zurückgehenden romanischen Gotteshaus. Und natürlich verstand sich der Rundbau auch als Verweis auf die Rotunde der Jerusalemer Grabeskirche.
Nach diesen Plänen erfolgte am 7. Oktober 1900, dem Rosenkranzfest, die feierliche Grundsteinlegung. Eine große Pilgergruppe aus Deutschland war angereist, als der Jerusalemer Weihbischof Pasquale Appodia die Zeremonie leitete. Darunter war auch der Paderborner Priester Maurus Kaufmann mit einer Pilgergruppe, der 1926 nach der Erhebung des Klosters zur Abtei der erste Abt der Dormitio wurde.
Drittheiligste Stätte der Christenheit
Zu den Teilnehmern der Grundsteinfeier gehörte auch Abt Willibrord Benzler, der im Auftrag der Beuroner Kongregation das
Jerusalem-Projekt forciert hatte. In seiner Ansprache bezeichnete er die Dormitio mit der Marien-Grablege als drittheiligste Stätte der Christenheit: nach der Kreuzigungsstätte Golgatha und den Heiligen Grab. Ausführlich fiel sein Dank des katholischen Deutschland an das protestantische Kaiserhaus aus, das bei der Feier schließlich mit dem Lied "Heil dir im Siegerkranz" gewürdigt wurde.
Die Bauarbeiten begannen mit 103 Mann; später waren es durchgehend 200 Arbeiter, die auf der prominenten Baustelle werkelten. 1904 wurde bereits die Krypta eingeweiht, und zwei Jahre später trafen dann die ersten drei Mönche aus der Beuroner Kongregation ein. Am 25. Oktober 1907 wurde der Schlussstein der Turmspitze gesetzt, fünf Tage später der auf der großen Kuppel.
Am 19. August 1909 hätten "40 kräftige Bayern die vier Turmglocken" hinaufgezogen, weiß die Chronik. Schließlich erfolgte am 10. April 1910 - zehn Jahre nach der Grundsteinlegung - unter Teilnahme einer großen Pilgerkarawane das Fest der Kirchweihe. An der Innenausstattung wurde jedoch weiter gearbeitet - und sie ist auch heute noch nicht abgeschlossen.