Dormitio-Abt beklagt mangelndes Vorgehen gegen Christenhass

"Das Thema wird weggelächelt"

Auf dem Jerusalemer Zionsberg haben Unbekannte unlängst ein antichristliches Graffiti hinterlassen. Abt Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei wünscht sich ein stärkeres Vorgehen gegen solche Fälle von Christenhass.

Die Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg / © Debbie Hill (epd)
Die Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg / © Debbie Hill ( epd )

DOMRADIO.DE: Der Satz "Die christliche Mission ist schlimmer als die Hamas" war nur ein Ausschnitt des Graffitis. Wie ging es weiter? 

Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio / © Andrea Krogmann (KNA)
Nikodemus Schnabel, Abt der Benediktinerabtei Dormitio / © Andrea Krogmann ( KNA )

Abt Nikodemus Schnabel OSB (Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Es war ein riesiges Graffiti. Ich habe mich auch gewundert, wie jemand das in Ruhe da hinsprühen kann. Das war der erste Teil, dann ging es weiter: "Ein christlicher Missionar muss sterben, wegen seiner Mission. Er ist ein Nazi." 

Antichristliches Hassgraffiti auf Jerusalemer Zionsberg / © Nikodemus Schnabel (privat)
Antichristliches Hassgraffiti auf Jerusalemer Zionsberg / © Nikodemus Schnabel ( privat )

DOMRADIO.DE: Was ging in Ihnen vor, als Sie das gelesen haben? 

Abt Nikodemus: Ich habe sie am Abend gesehen. Das ist jetzt kein kleines Graffiti. Da reden wir von mehreren Metern beschmierter Friedhofsmauer der griechisch-orthodoxen – übrigens gegenüber von uns. Die Täter dachten glaube ich, "Hauptsache Christ", weil da ist der armenische Friedhof, der griechische und unsere Abtei. 

Ich dachte: Okay, wer kann jetzt in aller Ruhe so ein riesiges Graffiti sprühen? Ich hatte den Impuls, das jetzt wirklich mal aufzunehmen, zu fotografieren und auch mal in die Öffentlichkeit zu gehen, weil es kommt zu häufig vor. 

Abt Nikodemus Schnabel

"Ab und zu habe ich aber das Gefühl, dass das aus dem Blickfeld gerät."

Natürlich möchte ich nicht jedes Mal in die Öffentlichkeit gehen. Ich habe auch noch andere Sachen zu tun, als immer aufzuschreien, wenn irgendwas passiert, weil mein Leben ist eher positiv bestimmt. Ab und zu habe ich aber das Gefühl, dass das aus dem Blickfeld gerät. 

Seit dem 7. Oktober haben wir natürlich andere Probleme, aber der Krieg hat nichts daran geändert, dass es diesen Christenhass von gewissen extremistischen Gruppen gibt. Und ich wollte einfach darauf aufmerksam machen. Diese Baustelle ist immer noch da – und sehr präsent. Und dieser Satz des Graffiitis ist ja nicht ohne. 

Da kann man überlegen: Ist das eine Terror-Verharmlosung, Christen schlimmer als Hamas? Ist es ein Mordaufruf? Was ist das? Es ist nicht ohne, finde ich. 

DOMRADIO.DE: Hat das denn seit dem 7. Oktober zugenommen? Ist es mehr geworden oder war es auch schon vorher relativ häufig? 

Abt Nikodemus: Nein, es ist stabil geblieben. Mit der neuen israelischen Regierung hat das massiv zugenommen, wo ja zum ersten Mal auch Rechtsradikale Teil der Regierung sind. Natürlich gab es antichristliche Übergriffe schon immer, aber dass dieser Christenhass noch präsenter ist, das gibt es ungefähr seit einem Jahr. Daran hat der Krieg nichts geändert. Ganz im Gegenteil. 

Abt Nikodemus Schnabel

"Was mich stört ist, dass die Politik da offensichtlich wegschaut."

Wir haben sogar – Stichwort Siedlergewalt – eher noch eine leichte Zunahme. Ich würde sagen, es ist kontinuierlich. Ich kritisiere niemanden, dass es Extremisten gibt. Die gibt es in Deutschland ja auch. Ich mache auch keinen Vorwurf. Die Mehrzahl der Juden, Muslime und Christen sind wunderbare Menschen. Es gibt einfach diese kleine Gruppe von wirklich Christenhassenden Juden, von jüdischen Extremisten. 

Was mich stört ist, dass die Politik da offensichtlich wegschaut, dass da nichts gemacht wird und dass das schöngeredet wird. Politiker in Israel sagen dann, Christen leben hier wie im Paradies, die sollen mal vergleichen, wie es den Nachbarländern geht – und alles ist super. 

Ich stelle mir mal vor, was wäre, wenn wir in Deutschland sagen würden: Ja, Antisemitismus, die Juden sollen sich nicht so haben, wir haben doch jüdische Museen, Synagogen und Religionsfreiheit – und ja, und die sollen doch mal gucken, wie es in Russland ausschaut. Das wäre doch eine Verhöhnung der Opfer. 

Ich finde gut, dass Deutschland das Thema Antisemitismus auf der Tagesordnung hat und sich damit beschäftigt. Das ist eigentlich das, was ich mir wünschen würde, dass endlich mal die israelische Politik sagt: Ja, wir haben ein Problem. Das Problem heißt Christenhass von jüdischen Extremisten. 

DOMRADIO.DE: Es ist kein kleines Graffiti gewesen. Auf der anderen Seite war das relativ schnell dann am nächsten Tag verschwunden. Es gibt also schon eine gewisse Videoüberwachung. Die Stadt hat es relativ schnell zumindest erfahren, oder? 

Abt Nikodemus: Das ist ja das, was mich wieder stört. Die ganze Stadt ist voller Videokameras. In Jerusalem wird man quasi immer beobachtet. Man kann keinen Schritt gehen, ohne dass es von einer Kamera aufgezeichnet ist. 

Ich habe ja mit dem Reiniger von der Stadt gesprochen. Der hat dann das Graffiti weggemacht am Morgen. Die Kameras sind gut genug, dass man sofort weiß: Oh, da ist ein Graffiti. Das macht man am besten schnell weg, bevor die Touristen oder andere das sehen, was dann ein schlechtes Image auf die Stadt wirft. 

Wenn die Polizei dann aber gefragt wird, da muss doch was irgendwie auswertbar dabei sein, dann war der Winkel immer komisch, dann war die Beleuchtung schwierig. Das ist das, was für so ein bisschen Unmut bei uns Christen sorgt. Man hat das Gefühl, es gibt einen gewissen Unwillen, das Thema wirklich ernsthaft anzugehen. 

Abt Nikodemus Schnabel

"Es ist kein Einzelfall."

DOMRADIO.DE: Es kann natürlich für den Einzelfall so sein, aber wenn es sich häuft, dann klingt es dann doch irgendwann nur wie einer Ausrede. 

Abt Nikodemus: Das ist der Eindruck, den viele Christen haben – nicht nur ich. Es ist kein Einzelfall. Es kommt leider viel zu häufig vor. Gerade dieses Jahr hatte das Jahr begonnen mit der Schändung des lutherisch-anglikanischen Friedhofs von jüdischen Radikalen. Und so weiter. 

Wir haben ja Videoaufnahmen von Privatkameras, die dann das ins Netz gestellt haben. Bei diesem Friedhofsfall am Anfang dieses Jahres hieß es auch zunächst "unbekannt" und "keine Ahnung". Bis dann die Anglikaner ihre Videoaufzeichnung ins Netz gestellt haben, wo man sehr gut Gesichter sehen und die Leute sehr gut identifizieren konnte. Auf einmal musste die Polizei zurückrudern. 

Das muss ich einfach so benennen. Es ist ein ökumenisches Thema, dass die Christen dieser Stadt immer wieder beschäftigt. Das Thema wird einfach immer so weggelächelt. Man hat das Gefühl, es fehlt so der letzte Wille, wirklich robust gegen dieses Phänomen vorzugehen.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR