Domschweizer über den Sinn des Pilgerns

"Das ist eine ganz große Chance"

Pilgern muss gar nicht so weit gehen: Domschweizer Karl Schiesberg ist von Köln aus nach Wachendorf gepilgert – auch für DOMRADIO.DE. Der ehemaliger Wirt einer Kölner Kneipe im Gespräch über die Freuden des Pilgerns.

Unterwegs sein - zum Beispiel beim Pilgern  / © Philippe Glorieux (KNA)
Unterwegs sein - zum Beispiel beim Pilgern / © Philippe Glorieux ( KNA )

DOMRADIO.DE: Im Mittelalter haben Leute, die träge waren oder viel Geld hatten andere Leute stellvertretend auf den Weg geschickt. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen nach Wachendorf zu pilgern?

Karl Schiesberg (Ehemaliger Wirt einer Kölner Kneipe, jetzt Domschweizer im Erzbistum Köln): Das ist so: Ich bin oft unterwegs, pilgere auf dem Jakobsweg oder anderen Wegen. Und ich nehme eigentlich immer einen zweiten Pilgerpass mit. Manchmal hat das einen ernsten Hintergrund, etwa wenn ein Freund krank ist –- dann habe ich ein Anliegen dabei, stelle eine Kerze auf und bete für ihn. Manchmal ist der Hintergrund auch einfacher und nicht so tiefgründig. Wir haben auf dem Weg nach Wachendorf an Sie gedacht, die DOMRADIO-Crew war mit uns dabei.

DOMRADIO.DE: Das ist eine schöne Idee, vielen Dank! Lassen Sie uns mal über den Weg reden. Sie gehen bis zur Bruder-Klaus-Kapelle, in der Nähe von Bad Münstereifel. Was ist das für ein Ort? Was erlebt man da?

Schiesberg: Die Bruder-Klaus-Kapelle ist ein heiliger, ein kraftvoller Ort. Bruder Klaus war ja ein Heiliger, der mit beiden Beinen auf der Erde stand, ein Landwirt. Und gleichzeitig nach oben hin, nach Gott hin ausgerichtet. Beides in Einheit und das drückt auch die Kapelle aus. Die Kapelle lebt von dieser Widersprüchlichkeit - außen und innen, oben und unten. Das ist sehr kraftvoll. 

DOMRADIO.DE: Sie waren Anfang des Monats mit einer Gruppe unterwegs. Was haben Sie da erlebt?

Schiesberg: Wir waren drei Tage unterwegs. Wir haben diese Wallfahrt vor zehn Jahren in der Kneipe entwickelt - nachts um halb vier. Das geht nicht so klassisch. Wir gehen nicht den ganzen Tag in Formation, sondern wir haben zwischendurch immer Impulse – das Morgen-, Mittags-, und Abendgebet, außerdem Schweigen, Rosenkranz beten. Manchmal machen wir auch Glaubensgespräche in Gruppen von zwei, drei Leuten. Dieses Informelle ist genauso so wichtig wie das offizielle Programm

DOMRADIO.DE: Was ist der Unterschied zwischen dem Pilgern und einer normalen Wandertour?

Schiesberg: Das ist eine ganz große Chance, wenn Sie drei Tage rausgehen: Ich gehe nicht aus dem Alltag raus, ich kann nicht abschalten – das ist nicht möglich. Meine Sorgen und meine Nöte aus dem Alltag sind mit dabei, aber ich kann umschalten und eine andere Perspektive gewinnen, eine andere Gelassenheit. Und dann auch sagen: Wenn ich mich auf Gott einlasse, komme ich mit meinem Alltag anders zurecht.

DOMRADIO.DE: Das heißt, man schöpft Kraft für die Zeit nach der Rückkehr?

Schiesberg: Das ist der Sinn der Sache. Bruder Klaus nennt das die Suche nach dem "einig Wesen". Das bedeutet: Mein inneres Erlebnis und das äußere Handeln und Tun; meine Träume und die Verhältnisse, unter denen ich lebe, in Einklang zu bringen. Himmel und Erde in einen Einklang zu bringen.

DOMRADIO.DE: Wieviele Blasen läuft man sich eigentlich, wenn man drei Tage unterwegs ist?

Schiesberg: Der Profi läuft keine Blasen. Wenn man anständiges Schuhwerk und anständige Strümpfe hat, dann geht das. Es gibt natürlich Leute, für die ist das auch manchmal Qual. Aber es lohnt sich ja. Dafür sitzt man abends schön zusammen und isst und trinkt und hat Gemeinschaft und dann vergisst man das Körperliche irgendwann.

DOMRADIO.DE: Nehmen Sie uns mal auf den Weg mit – Sie sind in Köln losgegangen und dann...?

Schiesberg: Wir gehen Freitagmorgens in St. Gereon los, dann haben wir Zwischenstationen. Die erste Station ist zum Beispiel St. Mechtern in Ehrenfeld. Da steht der Bruder Klaus als Figur, und da haben wir dann die erste Meditation. Zwischendurch gibt es Impulse. Am ersten Tag gehen wir bis Walberberg. Es gibt geistliche Impulse, einen großen Schweigemarsch. Wir binden die Landschaft immer ein Stück mit ein. Wenn wir zum Beispiel von Brühl bis Euskirchen immer an der Erft entlang gehen, dann beschäftigen wir uns sehr stark mit der Brunnenvision des Bruder Klaus'. Es gibt ja verschiedene Visionen von Bruder Klaus, die man einfach auf den Weg mitnehmen kann.

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie drei Tage unterwegs gewesen. Was bleibt Ihnen im Kopf; was war der wichtigste Moment?

Schiesberg: Der größte Moment ist immer das Ankommen in Wachendorf – an der Kapelle, wo wir nochmal Stille und Ruhe finden und dann gemeinsam Gottesdienst feiern, der das gut und rund abschließt. Und dann gibt es immer noch einen Abschlusstreffen auf dem Bauernhof der Familie Scheidtweiler, bei den Erbauern der Kapelle. Da gibt es dann auch ein bisschen Essen, ein gutes Bier - mit der Vorfreude auf das nächste Jahr.

DOMRADIO.DE: Wissen Sie schon, was Sie vorhaben?

Schiesberg: Wir gehen immer zum gleichen Zeitpunkt nach Wachendorf - nächstes Jahr das elfte Mal - aber wir haben noch über kein Thema gesprochen.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Domschweizer Karl Schiesberg / © Viola Kick (DR)
Domschweizer Karl Schiesberg / © Viola Kick ( DR )

Bruder-Klaus-Kapelle bei Mechernich in der Eifel  / © Harald Oppitz (KNA)
Bruder-Klaus-Kapelle bei Mechernich in der Eifel / © Harald Oppitz ( KNA )

Pilgerpass von DOMRADIO.DE / © Viola Kick (DR)
Pilgerpass von DOMRADIO.DE / © Viola Kick ( DR )
Quelle:
DR
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