Domkapitular Meiering erklärt Jesus verwandelnden Blick

"Er macht uns sehend"

In seiner Predigt am fünften Fastensonntag hat der Kölner Domkapitular Dominik Meiering den verwandelnden Blick Jesu auf uns erläutert. Durch dessen Augen, die uns so sähen wie wir sind, eröffne sich die Wahrheit unserer Existenz.

Jesus-Bildnis  / © Gerald Mayer (DR)
Jesus-Bildnis / © Gerald Mayer ( DR )

Das Tagesevangelium beschreibe, dass es nicht darum gehe, nur dabei zu sein, sondern sehen zu lernen, verdeutlichte Domkapitular Dominik Meiering in seiner Predigt. Die Menschen wollen Jesus sehen, aber es gehe nicht nur um das bloße Sehen und Gesehen werden, sondern um mehr: "Das Sehen wie es in der Bibel genannt wird, ist von anderer Qualität". 

Es sei ein tieferes Anschauen, das den verwandelt, der angeschaut werde; um ein Sehen, das Spuren hinterlasse, betont der Domkapitular. 

Der Blick Jesu, das Wahrnehmen des Anderen, "enthebt mich meiner Ich-Sperre", so Meiering. Der Blick werde existenziell. "Erst im Sehen und Gesehen werden, eröffnet sich die Wahrheit meiner Existenz". So werde auch jeder, der von Jesus angeschaut werde, so gesehen, wie er wirklich ist - bis in den tiefsten Grund des Herzens hinein. "Jesus macht sehend", erläutert der Domkapitular. 

"Wir alle haben eine unstillbare Sehnsucht zu sehen und von jemanden gesehen zu werden, der uns so sieht, wie wir sind und den Nebel und die Dunkelheit unserer Sünde hinwegnimmt." Weil sie all' dies erahnten, näherten sich die Menschen im Evangeliumstext wahrscheinlich nur langsam und respektvoll Jesus. 

Durch Jesus werde "alles umgeworfen". Jesus betont, dass er in die Welt gekommen sei, damit die Nicht-Sehenden sehen. Und durch Jesus machten dann auch die Pilgerinnen und Pilger im Evangelium die Erfahrung, die Wirklichkeit anders zu sehen. Sie entdeckten die Wahrheit ihres Daseins, führt Meiering aus. 


Musikalische Gestaltung durch den Mädchenchor

Es sang der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling und Cécilia Bazile die Missa brevis (Kyrie, Sanctus, Agnus Dei) von Antonio Rendina und "Richte mich, Gott" (Psalm 43) von Lukas Stollhof (Urauf-führung) sowie "O vos omnes" von Tomás Luis de Victoria. An der Orgel spielte Winfried Bönig.



„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ (Joh 12,24)

Zum Evangelium Joh 12,20-33

Das Bildwort vom Weizenkorn, das sterben muss, um Frucht zu bringen, ist auf den ersten Blick eingängig und leicht verständlich. Man sieht gleichsam den Wachstumsprozess vor Augen und das nährende Brot, das einmal aus der Saat werden kann. Schwieriger aber ist die paradoxe Folgerung, dass diejenigen, die das Leben lieben, eben dieses Leben verlieren. Jesus spricht so, zunächst im Blick auf seine eigene Lage, von der Erkenntnis, dass es im Leben Situationen geben kann und gibt, die den ganzen Einsatz der eigenen Existenz erfordern. Nicht etwas von mir, nicht ein wenig, sondern ich selbst als ganze Person bin gefragt. 

Dass Jesus eine Vorahnung von seinem nahe bevorstehenden Tod vor Augen hat, kann als wahrscheinlich gelten. Folgen wir dem Evangelisten Johannes, dann weiß er um die Schwierigkeit, diesem Tod entgegenzugehen. Aber Jesus erscheint dieser Schritt unvermeidlich, wenn er seiner eigenen Botschaft vom nahenden Reich Gottes Glauben schenkt. Darum stellt er nicht sich selbst in den Mittelpunkt, sondern Gott, den Vater.

René Dausner. Aus: Messbuch 2024, Butzon & Bercker

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