Diskussion über Verbrechen an Armeniern hält an

Massaker oder Völkermord?

Auch am Wochenende ging die Diskussion weiter über die Frage, ob man die Verbrechen an den Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich als "Völkermord" bezeichnen darf, kann oder sogar muss. Die Kritik an der Bundesregierung nimmt zu.

Erinnerung an Genozid-Opfer (dpa)
Erinnerung an Genozid-Opfer / ( dpa )

Anders als etwa Papst Franziskus oder das EU-Parlament vermeidet die Bundesregierung den Begriff bisher. Doch für diese Zurückhaltung gibt es immer mehr Kritik - auch aus den eigenen Reihen. So kritisierten am Wochenende hochrangige Unionspolitiker die Vermeidung des Begriffs «Völkermord» durch die Bundesregierung und forderten dessen Verwendung in einem Bundestagsantrag der Koalitionsfraktionen. "Der Tod Hunderttausender Armenier in der Endphase des Osmanischen Reiches war weder Unfall noch Zufall, sondern Völkermord", sagte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner der "Welt am Sonntag".

Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Michael Brand (CDU), forderte den Bundestag auf, sich notfalls über die Sprachregelung der Bundesregierung hinwegzusetzen. Nach seiner Ansicht wäre es "ein Armutszeugnis, wenn es beim Thema Genozid statt Mut zur Wahrheit etwa Feigheit vor dem Freund gäbe".

"Papst hat Recht"

CDU-Bundesvize Armin Laschet nahm in diesem Zusammenhang Papst Franziskus, der die Verbrechen an den Armeniern als "Völkermord" bezeichnet hatte, gegen die heftige Kritik in Schutz, die von der türkischen Regierung an dieser Wortwahl geübt worden war. "Der Papst hat Recht", sagte Laschet und nannte es "unfassbar, dass die Türkei als einziges Land auf der Welt ausgerechnet Franziskus vorwirft, Hass und Feindschaft zu säen".

Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir appellierte an die Union, sich keinesfalls von der Türkei einschüchtern zu lassen, sondern die Partei des Papstes zu ergreifen. Dieser habe "klare und richtige Worte zum Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren gefunden" und sei dafür vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan "unflätig angegriffen worden".

"Die Forschung ist sich einig"

Auch die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, forderte Klartext von allen Beteiligten: "Wir können doch nur aus der Geschichte lernen, wenn wir Völkermord auch Völkermord nennen", schrieb sie in "Bild am Sonntag". In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" betonte der US-Historiker Norman Naimark, dass es heute außer Frage stehe, dass die Massaker «als Völkermord zu bewerten sind. Die Forschung ist sich in dieser Frage einig." Dies zu leugnen, wie es die türkische Regierung tue, sei "nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch schlicht falsch".

Der Verfolgung zwischen 1915 und 1918 im Osmanischen Reich fielen nach neuesten Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer. Am Freitag steht anlässlich des 100. Jahrestages eine Bundestagsdebatte zum Gedenken an die Gräueltaten auf der Tagesordnung. Am Abend zuvor wollen die Kirchen in einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom an die Ereignisse erinnern. Im Anschluss daran soll Bundespräsident Joachim Gauck reden.


Quelle:
KNA