Diskussion über "Sonderrechte" für Corona-Geimpfte hält an

Kein Sonderrecht und kein Privileg

Auch im neuen Jahr reißt die Diskussion über mögliche "Sonderrechte" für Corona-Geimpfte nicht ab. Mehrere Politiker von Union und SPD wollen vorläufig keinen Unterschied machen zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Symbolbild Impfen / © HQuality (shutterstock)

Es könne möglich sein, dass Geimpfte sich mit dem Coronavirus infizieren, ohne krank zu werden, und andere daher trotzdem anstecken könnten. Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", die ganze Diskussion sei eine "Phantomdebatte", die viele verunsichere. Man wisse einfach noch nicht, ob Menschen nach einer Impfung wirklich nicht mehr ansteckend seien.

Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, argumentierte, so lange dies ungeklärt sei und so lange nicht alle Zugang zu Impfungen hätten, könne es keine "Sonderrechte" geben. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, dämpfte die Hoffnung, dass Geimpfte das Virus nicht weiterverbreiten. Bei Tierversuchen habe die Impfung zwar eine Erkrankung verhindert, doch es seien weiter Viren nachweisbar gewesen.

Eine Frage des Rechtsstaates

Sobald sich aber tatsächlich herausstelle, dass Geimpfte nicht mehr infektiös sind, sollten nach Ansicht von FDP-Vize Wolfgang Kubicki für sie alle Einschränkungen aufgehoben werden: "Das ist kein Corona-Sonderrecht, sondern der Ausdruck unseres freiheitlichen Rechtsstaates."

Auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sagte der Zeitung, von "Privilegien" könne keine Rede sein: "Wenn sich in Zukunft zeigen sollte, dass geimpfte Personen auch andere nicht anstecken können, entfiele ihnen gegenüber auch die verfassungsrechtliche Legitimation für Maßnahmen wie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen oder die Maskenpflicht."

Verfassungsrechtler Christoph Möllers plädierte für eine Unterscheidung anhand der betroffenen Grundrechte: "Eine Demonstration, an der nur Geimpfte teilnehmen, wird man weder verbieten noch unter infektionsschutzrechtliche Auflagen stellen können. Bei geringfügigen Eingriffen wie einer Maskenpflicht in der Fußgängerzone muss der Gesetzgeber aber wohl schon aus Praktikabilitätsgründen nicht nach dem Impfstatus differenzieren."

Luxusdebatte?

Verfassungsrechtler Steffen Augsberg, der auch dem Deutschen Ethikrat angehört, sagte der "Berliner Zeitung", wenn staatliche Infektionsschutzmaßnahmen zurückgenommen würden , sei dies "kein Sonderrecht und auch kein Privileg, sondern eine Rückkehr zum Normalzustand".

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) möchte keine Vorrechte für Geimpfte. Das gelte auch für Menschen, die einsame Angehörige in Krankenhäusern oder Altenheimen besuchen wollten. Diese Einsamkeit sei zwar eine "sehr ernste Frage". Aber es dürfe "kein Druck auf Menschen ausgeübt werden, sich impfen zu lassen", so Laschet.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die gesamte Diskussion als "Luxusdebatte". Er sagte der "Rheinischen Post", man wisse noch nicht, ob geimpfte Menschen sich trotzdem mit dem Virus anstecken können oder nicht: "Wäre das der Fall, wäre es sogar gefährlicher, Geimpfte ohne Maske und Abstand in Gaststätten oder Flugzeuge zu lassen, weil sie das Virus noch schneller weitergeben könnten." Es reiche, wenn man diese Debatte im Sommer beginne.


Quelle:
KNA