Digitale Kirche ist mehr als Gottesdienst-Livestreams

Komm, Heiliger Geist, ins Internet

Pfingsten - das ist der Geburtstag der Kirche. Wie hat sich ihre Erscheinungsform verändert, wenn man einen Blick in die digitalen Welten wirft? Was bleibt, auch nach der Pandemie?

Autor/in:
Annika Schmitz
Symbolbild Friedenstaube auf einer Tastatur / © Cienpies Design (shutterstock)
Symbolbild Friedenstaube auf einer Tastatur / © Cienpies Design ( shutterstock )

Vor gut zwei Jahren, als das damals noch relativ neue Coronavirus die Welt auf den Kopf stellte, haben Kirchengemeinden ihre Angebote umdisponiert. Vielerorts wurden Gottesdienste schnurstracks ins Netz verlegt; und selbst kleine Dorfkirchen schicken plötzlich allsonntäglich ihren eigenen Livestream ins World Wide Web. Doch wer Kirche im Netz lediglich mit Präsenz auf Facebook und liturgischen Feiern auf einem mobilen Endgerät in Verbindung bringt, greift zu kurz.

"Sinnfluencer und Contentcreator*innen"

Während Corona seien Seelsorgende mit digitalen geistlichen Angeboten "kreativ geworden", zeigt eine ökumenische Studie aus dem vergangenen Jahr. Gerade die Katholiken erhielten jedoch oft "wenig Unterstützung" aus der Leitungsebene der Bistümer.

Auch ohne Corona stellt die Digitalisierung Kirche und Theologie vor weitreichende Herausforderungen - weil sie die Frage nach dem Menschen neu aufwirft. Verändert sich der Mensch unter den Bedingungen digitaler Vernetzung? Das fragen die Herausgeber und Theologen Wolfgang Beck, Ilona Nord und Joachim Valentin in einem im vergangenen Jahr erschienenen Kompendium zu Theologie und Digitalität. Die digitale Transformation, so konstatieren sie, habe weitreichende soziale Folgen, die sich auch auf die Kirche auswirkten. Und sie veränderten, da sind sich die Forschenden sicher, Kirche teilweise fundamental.

Pastorin Josephine Teske, Kandidatin für den Rat der EKD / © Marc Hunold (epd)
Pastorin Josephine Teske, Kandidatin für den Rat der EKD / © Marc Hunold ( epd )

Einer unter vielen Punkten, die hier angeführt werden könnten, ist die Plattform Instagram. Dort agieren jene christlichen Influencer, die gerne mal als "Sinnfluencer" oder "Christfluencer" bezeichnet werden. Eine von ihnen ist etwa die Nordkirchen-Pfarrerin Josephine Teske, die als "Seligkeitsdinge" auf Instagram fast 37.000 Menschen mit in ihren Alltag nimmt und Teil von "Yeet" ist - einem Netzwerk der evangelischen Kirche, das christliche "Contencreator*innen" - also Menschen, die Inhalte wie Podcasts, Bilder, kurze Filme und ähnliches in den Sozialen Medien bereitstellen - zusammenbringt.

Teske ist auf ihrem Kanal sehr persönlich, berichtet auch von Zeiten des Zweifels, lässt an der Trauer über den Tod ihres ersten Kindes teilhaben, hält Live-Andachten, schreibt und postet Gebete, erzählt von den Herausforderungen als alleinerziehende Mutter zwischen Kindern und Job. Und wenn sie ein Gemeindemitglied beerdigt, fotografiert sie Kirchturm und Himmel und stellt das Bild mit dem Hashtag #abschiednehmhimmel ins Netz.

Und auch das teilt Teske dort: dass ihr manches Mal Ablehnung entgegenschlägt - weil sie als Frau in einer einstigen Männerdomäne Fuß fasst, weil ihre Ansichten zu feministisch seien.

Autoritäten nicht im Vordergrund

Ein anderes Beispiel ist die Medizinstudentin Jana Highholder. Gut zwei Jahre lang betrieb sie den von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mitfinanzierten Youtube-Kanal "Jana glaubt", der im Sommer 2020 eingestellt wurde. Grund seien finanzielle Einbußen wegen der Corona-Pandemie, hieß es damals.

Highholder, die ihren Instagram-Account weiterführt, polarisiert durch ihre Aussagen: Die waren und sind immer wieder konservativ geprägt; gerade ihr Familien- und Frauenbild rief teils heftige Diskussionen hervor.

Wer in Deutschland in den Sozialen Medien religiös kommuniziere, schreibt die Frankfurter Religionspädagogin Viera Pirker, tue dies "häufig eindeutig, mitunter missionarisch". Dabei diene Konfessionalität als Identitätsmarker - wer kirchenoffiziell spreche, praktiziere dies oft erkennbar katholisch oder evangelisch. Freikirchliche Kreise stellten ihre klare Orientierung an Bibel und Jesus in Zentrum.

Blick auf das Display einer Videokamera / © Bert Bostelmann (KNA)
Blick auf das Display einer Videokamera / © Bert Bostelmann ( KNA )

Das Beispiel Instagram - Chance und Herausforderung für Kirche zugleich? Das Soziale Netzwerk, das vor allem über Bildsprache agiert, funktioniert über Emotion und Kommunikation, führt Pirker aus. Der Mensch inszeniere sich und seine eigene Religiosität, Autorität werde bildlich umgangen.

Das Thema bleibt vielschichtig. Digitale Kirche, die unter gleichnamigen Hashtag in den sozialen Medien läuft, ist ein "Sammelwort für mehrere Dimensionen eines tiefgreifenden Umstrukturierungsprozesses", schreibt die evangelische Nordkirche. Dabei gehe es nicht nur darum, wie Kirche im digitalen Raum Menschen erreichen kann, sondern auch, was Kirche selbst schaffen muss, um den Anforderungen einer digitalisierten Welt gewachsen zu sein.

Quelle:
KNA
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