Am Montag wurden im Verfahren um den tödlichen Messerangriff auf die Ägypterin Marwa El-Sherbini zunächst die Plädoyers gesprochen. Seit Prozesseröffnung am 26. Oktober gleicht das von 200 Polizisten bewachte Gericht einem Hochsicherheitstrakt. Zuschauer der Verhandlung werden genauestens durchsucht, müssen Taschen und sogar ihre Schuhe röntgen lassen. Die Anspannung ist groß, nachdem die Tat vom Sommer vor allem in der ägyptischen Heimat des Opfers nicht nur Empörung und Trauer, sondern zum Teil auch wütende Proteste gegen die deutsche Justiz hervorgerufen hatte.
Anfang Juli hatte Alex W. auf die schwangere 31-jährige Ägypterin in einem Gerichtsaal wie im Blutrausch eingestochen und sie getötet. Während einer Berufungsverhandlung wegen Beleidigung stürmte er im Dresdner Landgericht auf die Frau los und verletzte unter den Augen des dreijährigen Sohnes auch ihren Ehemann lebensgefährlich. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Täter Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung vor. Für Oberstaatsanwalt Frank Heinrich ist das Motiv klar: "Hass auf Nichteuropäer und Moslems". Alex W. droht die Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe.
Täter lässt nur kurzen Blick in sein Innenleben zu
Im Prozess beschrieben Zeugen zwar die Messerattacke bis ins Detail. Doch das Bild des im russischen Perm geborenen Täters Alex W. blieb bruchstückhaft. Er selbst ließ nur einen kurzen Blick in sein Innenleben zu. Am dritten Prozesstag rastete er aus und wehrte sich gegen seine Vorführung in den Verhandlungssaal. Sonst verfolgte er die Verhandlung fast immer schweigend. Mit einer teils düsteren Maskerade achtete er peinlich darauf, sein Gesicht zu verbergen. Mit Spannung wurde deswegen der Bericht des psychiatrischen Gutachters erwartet. Doch die Schwurgerichtskammer schloss die Öffentlichkeit überraschend davon aus. Bekannt wurde aber, dass Psychiater Stephan Sutarski dem Angeklagten die volle Schuldfähigkeit bescheinigte.
Alex W. war nicht vorbestraft. Doch seitdem er 2003 nach Deutschland kam, fasste er keinen Fuß. In einer kleinen Wohnung lebte er meist von Hartz IV. Die ebenfalls in Deutschland lebende Mutter und die Schwester wollten vor Gericht nicht aussagen. Andere Zeugen schilderten ihn jedoch übereinstimmend als absoluten Einzelgänger, der kaum Freunde hatte und weitgehend isoliert war.
In den Berichten über den bekennenden NPD-Sympathisanten war häufig von Arroganz, Starrsinn, einem Hang zu aggressiven Reaktionen und Deutschtümelei die Rede. Genau diese Mischung führte auch zu der tragischen Konfrontation mit der ägyptischen Familie. Als Alex W. auf eine Spielplatz die Schaukel für den kleinen Sohn von Marwa El-Sherbini räumen sollte, beschimpfte er sie islamfeindlich und bedrohte Mutter und Kind.
"Sein Bild vom Islam muss Alex vom Fernsehen haben"
Es folgte eine Anzeige wegen Beleidigung und die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Geldstrafe. Diese wollte er nach Aussagen der damaligen Amtsrichterin Karin Fahlberg nicht bezahlen. "Ich entscheide selber", soll er gesagt haben.
Wodurch das Weltbild von Alex W. über all die Jahre letztlich geprägt wurde, bleibt rätselhaft. Den Ermittlern sind keine Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppen bekannt. Seine Mutter, deren Beruf mit Architektin angegeben wird, sagte dazu in einem Interview: "Sein Bild vom Islam, seinen Hass, das muss Alex vom Fernsehen haben."
Auch die sechsseitige Erklärung, die der Angeklagte von seinen Anwalt Veikko Bartel verlesen ließ, hat wenig zur Aufklärung beigetragen. Darin geht es vor allem um schuldmindernde Umstände. Zwar bekennt sich Alex W. offen als Ausländerfeind. Das sei aber nicht das Motiv der Tat, betont er. Vielmehr habe er sich seit Beginn der juristischen Auseinandersetzungen in einem psychisch "komischen" Zustand aus Angst und Panik befunden. Die Tat will er nicht geplant haben.
Er habe sein Leben "versaut" und bedauere, bei dem Angriff nicht gleich selbst erschossen worden zu sein, erklärte er. Ein Wort der Reue, direkt an die Angehörigen des Opfers gerichtet, fehlt bislang.
Diese Woche fällt im Prozess um die Tötung der Ägypterin Marwa El-Sherbini das Urteil
Ausländerhass und Arroganz
Selten hat ein Strafprozess an einem deutschen Gericht so viel internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Fällt am Mittwoch das Urteil gegen den 28-jährigen Russlanddeutschen Alex W., blickt vor allem die islamische Welt auf das Dresdner Landgericht.
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