Die Wahl des neuen Moskauer Patriarchen Kyrill bewegt Russland

Der Präsident rief sofort an

Der neue Moskauer Patriarch Kyrill wird an diesem Sonntag in sein Amt eingeführt. Zu der Feier in der Christus-Erlöser-Kathdedrale werden Kirchenführer aus aller Welt erwartet. Aus dem Vatikan reist "Ökumene-Minister" Kardinal Walter Kasper an.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Der neue russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill war gerade erst gewählt, schon rief Staatspräsident Dmitri Medwedew an und gratulierte dem künftigen Kirchenoberhaupt. Auch Ministerpräsident Wladimir Putin beglückwünschte Kyrill ebenfalls noch am Dienstagabend. Die Patriarchenwahl bewegt das Land. Sie gilt als die für Russland wichtigste Personalentscheidung des Jahres. Im domradio-Interview begrüßt Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller, Bischof des Bistums Regensburg und Vorsitzender der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, die Wahl Kyrills.    

Fast drei Viertel der rund 700 Mitglieder des Landeskonzils aus Bischöfen, Geistlichen und Laien stimmten für den als Modernisierer geltenden Kirchenmann, der bislang für die Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats zuständig war. Als der Vorsitzende der Wahlkommission in der imposanten Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale das Ergebnis verlas, blieb der 62-jährige Kyrill äußerlich ruhig und notierte am Podium offenbar seine Stimmenzahl 508. Nach kurzem Applaus bedankte er sich für seine Wahl. Er nehme «aus Ihren Händen diese Gnade Gottes an» und bitte seine «menschlichen Schwächen zu verzeihen». Beim Verlassen der Kirche jubelten in der Moskauer Nacht Hunderte Gläubige mit Transparenten wie «Kyrill - Patriarch» oder «Gratulation, Eure Heiligkeit»

Als einer der engsten Mitarbeiter seines im Dezember verstorbenen Vorgängers Alexij II. profilierte sich der mediengewandte Kyrill als charismatischer Vordenker. Seine große Popularität verdankt er auch seiner sonntäglichen Fernsehsendung «Die Worte des Hirten» und seinen Talkshow-Auftritten.

Während der 18-jährigen Amtszeit von Alexij II. gewann die russisch-orthodoxe Kirche wieder jene bedeutende Rolle zurück, die sie vor der 70-jährigen Unterdrückung durch das kommunistischen Regime gespielt hatte. Sie etablierte sich neu als eine moralische Instanz im Land. Keiner anderen Institution vertrauen die Russen heute mehr als dem Patriarchat.

Nicht unumstritten ist jedoch die große Nähe der Kirche zur Staatsführung. Kyrill steht immerhin für eine gewisse Distanz zu Präsident und Regierung. So lehnte er etwa seine Berufung in die Gesellschaftskammer ab, eine Art Beratungsgremium der Regierung.
Auch deshalb galt Kyrills Gegenkandidat bei der Wahl, Metropolit Kliment von Borowsk, als Favorit des Kreml. Auf Konfrontation mit der Staatsspitze setzte Kyrill freilich nie, obwohl es zum Beispiel in der Abtreibungsfrage große Differenzen zwischen Kirche und Politik gibt.

Mit Kyrills Wahl steigen nach Meinung von Beobachtern die Chancen für eine erste Begegnung zwischen dem Moskauer Patriarchen und dem Papst. Auch der Ständige Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, der Düsseldorfer Erzbischof Longin von Klin, äußerte sich zuversichtlich, dass es zu einem solchen Gipfeltreffen kommen könnte. Zunächst müssten allerdings die bestehenden Differenzen beigelegt werden.

Als ein möglicher Termin für einen ersten Händedruck zwischen einem Papst und einem Moskauer Patriarchen käme ein in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku für Ende Oktober geplanter Weltreligionsgipfel in Frage. Beide wurden dazu zwar eingeladen, haben aber bislang nicht zugesagt.

Der Vatikan äußerte sich erfreut über den Wahlausgang. «Wir sind froh, einen Patriarchen zu haben, mit dem wir seit vielen Jahren brüderliche Beziehungen unterhalten», heißt es in einer Erklärung des für Ökumene-Fragen zuständigen Einheitsrates. Man hoffe, «den gemeinsamen Weg der Wiedervereinigung, den wir begonnen haben, fortzusetzen». Kyrill traf sich als Ökumene-Verantwortlicher bereits mehrmals mit Benedikt XVI., zuletzt im Dezember 2007 im Vatikan.

Ein weiteres Indiz für eine mögliche ökumenische Öffnung: Nach seiner Priesterweihe war der neue Patriarch in seiner Heimatstadt St. Petersburg Sekretär von Metropolit Nikodim, einem der Bahnbrecher und Wortführer seiner Kirche für die Ökumene. Nikodim starb 1978 in den Armen des 33-Papstes Johannes Paul I., als er bei einer Audienz in Rom einen Herzinfarkt erlitt.

Einstweilen sind die Beziehungen zwischen der römischen und der russisch-orthodoxen Kirche allerdings weiter belastet. Moskau wirft Rom Abwerbung von Gläubigen vor. Zugleich kritisiert das Patriarchat die Errichtung von katholischen Bistümern in Russland. Dort, wo bereits ein Bischof in der apostolischen Tradition wirke, seien Parallelhierarchien anderer christlicher Konfessionen überflüssig, so der Standpunkt Moskaus.