Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zur Bedeutung des Osterfestes

Der Schrei Jesu und das Halleluja

"Christ ist erstanden, von der Marter alle!" Dieses Lied gehört für viele zu Ostern wie das Osterfeuer und die dunkle Kirche in der Osternacht, bevor das Evangelium verkündet wird.

 (DR)

Eine große Inszenierung jedes Jahr, gewiss. Manche Neugierige kommen inzwischen in die Gottesdienste, weil sie schauen wollen, was da passiert. Selbst wer außen steht, kommt an dem Datum im Kalender nicht vorbei. Ostereier, Osterglocken und Osterhasen gehören ebenso gewiss zum Frühling wie Kürbisse an Halloween und Nikoläuse zu Weihnachten.

Doch wo ist das Anstößige geblieben, das Verstörende von Ostern, das jede Erfahrung durchkreuzt? Was ist im Jahr 2010 aus dem Ärgernis und der Torheit geworden, die die Zeitgenossen empfanden? Was aus der Freude über die überwältigende Erfahrung der Wiederbegegnung mit dem tot geglaubten Freund? Was aus dem Zweifel derer, die nicht selbst die Finger in die Wunden und die Seite des Auferstandenen legen konnten? Was ist mit unseren Zweifeln?

Seit Jahrhunderten bekennen Christen: Was mit Jesus, dem Mann aus Nazareth, geschehen ist, verändert die Welt ein für alle Mal. Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen. Doch wir haben die Gewissheit der Auferstehung nicht schwarz auf weiß, wissenschaftlich abgesichert, zweifellos. Auch öffentliche Aufmerksamkeit ist nicht ihr Maß. Die Osterbotschaft wird nicht dadurch verbürgt, dass sie millionenfach gepostet, gebloggt und getwittert würde.

Die Wahrheit von Ostern zeigt sich vielmehr, wenn man neben Freunden steht, die ihr Kind zu Grabe tragen. Wenn ein geliebter Mensch in das Dunkel der Demenz fällt. Wenn Regime Menschenrechte mit Füßen treten und Unschuldige zu Opfern von Krieg und Gewalt werden.
Überall dort, wo der Schrei Jesu am Kreuz "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen" lauter ist als das Osterhalleluja.

Denn da entscheidet sich, ob das Zeugnis trägt, dass die Auferstehung Jesu Christi den Bann des Todes unwiderruflich gebrochen hat und dass Gott einen jeden und eine jede beim Namen ruft, weit über die Zeitspanne des irdischen Lebens hinaus. Nicht selten ist das ein Gang über dünnes Eis.

Der Osterglaube ist keine billige Vertröstung. Der Irrtum der selbsternannten Propheten der Aufklärung wider die Knechtschaft des Dogmas besteht gerade darin zu behaupten, mit dem Glauben an ein Jenseits würde das irdische Schicksal gleichgültig oder zu einer Quelle von Angst vor Strafe. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade wenn wir überzeugt sind, dass mit dem letzten Atemzug nicht alles zu Ende ist, können wir aufhören, uns nur um uns selbst zu drehen, alles im Griff zu haben, schön, gesund und erfolgreich sein zu müssen.

Deshalb ist die Osterbotschaft in diesem Jahr so wichtig wie eh und je. Damit wir in Verantwortung vor dem eigenen Gewissen und vor Gott mit allen Stärken und Schwächen Mensch sein können. Ich selbst werde am Ostermorgen um sechs Uhr die Messe besuchen. Und darauf freue ich mich.

Frohe Ostern!"

Hinweis: Die Autorin Andrea Nahles (39) ist Generalsekretärin der SPD.