Wuppertaler Pastoralreferent sorgt sich um Zusammenhalt

"Die Solidarität wiederentdecken"

Wegen Omikron und steigender Sterbefallzahlen wird in Wuppertal an Silvester wieder der Corona-Toten gedacht. Werner Kleine spricht über die Beweggründe und äußert Wünsche für das kommende Jahr hinsichtlich der Pandemie-Bekämpfung.

Corona-Gedenkstein im Wuppertal / © Dr. Werner Kleine (privat)
Corona-Gedenkstein im Wuppertal / © Dr. Werner Kleine ( privat )

DOMRADIO.DE: Sie haben Anfang Dezember mit den Corona-Andachten wieder angefangen, nachdem zwischendurch pausiert wurde. Warum war Ihnen das so wichtig?

Dr. Werner Kleine (Pastoralreferent in der Citykirche Wuppertal): Wir haben damit wieder angefangen, weil die Zahlen - auch die Sterbefallzahlen - einfach wieder sehr stark angestiegen sind; auch hier in Wuppertal. Wir haben mittlerweile über 530 Menschen, die mit, an oder durch Corona gestorben sind.

Und es steht ja zu vermuten, dass uns da noch ein heißer Winter bevorsteht. Deshalb haben wir wieder mit den Corona-Andachten angefangen.

DOMRADIO.DE: Übermorgen ist Silvester und auch am letzten Tag des Jahres wird es ein Gedenken an die Corona-Toten geben. Wie sieht das dann aus am 31.12.?

Kleine: Wir treffen uns am Corona-Gedenkstein, der bis September auf dem Laurentiusplatz gelegen hat. Weil dort, wo der Stein lag, Außengastronomie entstanden ist, haben wir ihn Ende September zum Steingarten von Martin Michels am Bahnhof Loh an der Wuppertaler Nordbahntrasse gebracht.

Dort ist jetzt unsere Corona-Gedenkstätte und da werden wir uns am Freitag um 15 Uhr treffen, um der Corona-Toten zu gedenken. Es gibt dann eine Andacht, die auf die Corona-Toten ausgerichtet ist. Da sind alle eingeladen mitzubeten, mit an die zu denken, die einsam und still auf den Intensivstationen gestorben sind.

DOMRADIO.DE: Sie haben den Steingarten angesprochen. Das ist ein besonderer Ort in Wuppertal - eben die zentrale Gedenkstätte mit dem Gedenkstein. Können Sie noch einmal erklären, was es mit diesem Stein auf sich hat?

Kleine: Wir hatten Anfang des Jahres auf die Initiative von Wolfgang Rosenbaum hin mit den Corona-Andachten angefangen. Herr Rosenbaum ist ein Anwohner im Wuppertaler Luisenviertel in der Nähe der Wuppertaler Laurentiusbasilika und er ist mit der Idee auf mich zugekommen.

Dann haben wir von Januar an monatlich diese Corona-Andachten auf dem Laurentiusplatz gefeiert, um einfach dieser Toten in besonderer Weise zu gedenken.

Denn das ist ja das Problem bei Corona, dass dort sehr still und im Verborgenen gestorben wird. Das ist vielleicht auch ein Problem, dass viele immer noch sagen, Corona ist nur eine leichte Grippe oder es nicht wirklich wahrhaben wollen. Es wird ja nicht auf den Straßen gestorben, wie ehemals in den Pestzeiten, wo der Tod vor Augen stand.

Wir sehen die Corona-Toten nicht. Selbst Angehörige kommen oft nur unter großen Schwierigkeiten zu ihren Liebsten, um denen in den letzten Stunden die Hand zu halten.

Mittlerweile geht das etwas besser als früher und das war die Idee, die hinter den Corona-Andachten stand und steht. Deshalb haben wir auch diesen Corona-Gedenkstein seinerzeit angeschafft, um auch zwischen den Andachten ein sichtbares Zeichen des Gedenkens zu haben.

DOMRADIO.DE: Wenn man sich jetzt zum Jahresende umhört, dann gleichen sich die Aussagen mit denen von 2020. Da hatten wir die Hoffnung, dass in diesem Winter vieles besser sein wird. Das hat sich jetzt leider nicht bewahrheitet. Wenn Sie auf die aktuelle Corona-Situation in Deutschland schauen, warum haben wir da die Kurve nicht so richtig kriegen können?

Kleine: Ich glaube, das liegt an ganz vielen Dingen. Erstmal ist dieses Virus, soweit ich das verstehe - ich bin ja Theologe und kein Mediziner - hoch volatil. Das heißt, es verändert sich sehr rasch und sehr schnell. Wir haben zwar viele Mittel in der Hand, uns selbst weitestgehend zu schützen, indem wir Abstand halten, Maske tragen. Auch die Impfungen sind - denke ich - ein hervorragendes Mittel.

Aber wir haben natürlich hier in Deutschland bisher eine Impfquote - wenn ich das richtig sehe - von etwa so um die 75 Prozent, glaube ich. Das heißt, 25 Prozent sind noch nicht geimpft und damit sehr anfällig für dieses Virus. Das sind auf Deutschland gerechnet 20 Millionen Menschen. Und das sind eine Menge Menschen. Das kann man nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen.

Wenn wir da eine höhere Impfquote hätten, wären wir schon erheblich weiter.

Die allein würde uns vielleicht auch nicht so ganz retten, wenn man nach Spanien und Portugal schaut, wo ja eine sehr hohe Impfquote ist, wo jetzt Omikron auch entsprechend ansteigt. Aber die Menschen sterben da eben nicht mehr so häufig. Wir hier in Deutschland haben noch ein Problem. Ich denke, es sind in der Tat, auch wenn viele es nicht hören wollen, die vielen Ungeimpften, die da für uns zum Problem werden.

DOMRADIO.DE: Ist das dann auch Ihr Wunsch für 2022, dass wir da noch mehr herauskommen, wenn wir auf die Pandemie gucken, dass mehr geimpft wird?

Kleine: Wir sind am Jahresende und da ist es mit den Vorsätzen und den Wünschen immer so eine Sache. Wünschen kann ich mir viel. Die Menschen müssen dann natürlich auch irgendwo entsprechend reagieren.

Ein Problem, was wir bei der Corona-Pandemie sehen, was in vielen anderen Dingen auch so ist, ist, dass Menschen natür lich Zeit und Geld investiert haben, auch für eine aus unserer Sicht manchmal verquere Weltsicht. Und da, wo wir Menschen Zeit und Geld investiert haben, das ist uns dann etwas wert.Da herauszukommen, da einen gedanklichen Change hinzubekommen, ist enorm schwer.

Ich wünsche mir das sehr, dass wir da die Solidarität in unserer Bevölkerung wiederentdecken. Allerdings sehe ich, dass die einen über die anderen nur schimpfen. Das ist keine gute Form der Kommunikation.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach (privat)
Dr. Werner Kleine / © Christoph Schönbach ( privat )
Quelle:
DR