Die Saarland-Wahl hat auch Folgen für die Bundespolitik

"Manche dachten, Merz könne über Wasser gehen"

Friedrich Merz kann als neuer CDU-Vorsitzender doch nicht übers Wasser laufen, Spitzenkandidatin Rehlinger hat die SPD durch ihre Sympathiewerte mitgezogen. Politologe Püttmann sieht in seiner Analyse die CDU in einer Profilkrise.

Friedrich Merz / © Michael Kappeler (dpa)
Friedrich Merz / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die SPD hat mit Spitzenkandidatin Anke Rehlinger die Landtagswahl im Saarland mit einer absoluten Mehrheit gewonnen. Tatsächlich sehen Sie die Stimmabgabe gar nicht so sehr als Anti-Hans-Wahl, dem bisherigen CDU-Ministerpräsidenten, sondern vielmehr als Pro-Rehlinger-Wahl. Woraus leiten Sie das ab?

Dr. Andreas Püttmann (Politologe): Daraus, dass Frau Rehlinger ausgezeichnete Umfragewerte hatte. Sie lag vor ihrer Partei, der SPD. Zwei Drittel der Saarländer sagten: "Sie versteht, was die Menschen im Saarland bewegt", und etwa ebenso viele wollten sie als Ministerpräsidentin.

Dr. Andreas Püttmann (privat)
Dr. Andreas Püttmann / ( privat )

Bei Tobias Hans war es einerseits so, dass seine Werte für einen Amtsinhaber nicht stark waren. Die CDU hatte keinen wesentlichen Bonus durch ihn. Aber eben auch keinen Malus. Er lag im Politbarometer auf einer Skala von +5 bis -5 mit +1.1 auf dem Niveau seiner Partei. Je nach Umfrage waren 45 bis 55 Prozent der Saarländer mit seiner Arbeit zufrieden.

Er war zwar als politische Persönlichkeit etwas blass, aber man kann nicht sagen, dass er die Wahl alleine vermasselt habe. Dass er sich für die Entlastung der Autofahrer einsetzte, fanden 59 Prozent gut. Allerdings meinten zwei Drittel, er habe seinen Corona-Kurs zu oft geändert.

Die Datenlage ist also nicht so klar negativ, was Hans angeht. Sie fällt im Vergleich aber sehr klar zugunsten Frau Rehlingers aus.

DOMRADIO.DE: Es war aufgefallen, wie schnell und deutlich die Bundes-CDU dann auf Abstand zu ihm gegangen ist. Tobias Hans ist inzwischen auch vom Parteivorsitz zurückgetreten. Warum machen es sich der Bundesvorsitzende Merz und sein Team da in Ihren Augen zu einfach?

Püttmann: Wenn man sich die Sympathiewerte der Matadore auf Bundesebene anguckt, dann liegen Habeck, Baerbock und Scholz an der Saar bei deutlich über 50 Prozent Zustimmung. Die Spitzen der sogenannten bürgerlichen Parteien, CDU-Chef Merz und FDP-Chef Lindner, kommen nicht mal auf 40 Prozent, und Merz hat mit 38 Prozent sieben Punkte weniger als Tobias Hans.

Bei dieser Lage sollte man als Bundes-CDU doch eher kleinlaut sein und sich nicht als leuchtendes Beispiel für die Saar-CDU in die Brust werfen, wie dies Generalsekretär Czaja in der Berliner Runde im Fernsehen getan hat.

Andreas Püttmann, Publizist

"Die klare Kante, das klare Profil, das Merz versprochen hatte, ist auch an der Saar nicht wahrgenommen worden."

Ein sehr wichtiges Thema der Landtagswahl, nämlich Energieversorgung und Klima, das am zweithäufigsten als Grund der Wahlentscheidung genannt wurde, ist kein regionales Thema, sondern mindestens ein bundespolitisches. In Umfragen sagten auch 50 Prozent der Saarländer, die Bundes-CDU vernachlässige die Arbeitnehmerinteressen. 35 Prozent wussten überhaupt nicht, wofür die Bundes-CDU so richtig stehe. Das heißt: Die klare Kante, das klare Profil, das Merz versprochen hatte, ist an der Saar nicht wahrgenommen worden.

Anke Rehlinger / © Oliver Dietze (dpa)
Anke Rehlinger / © Oliver Dietze ( dpa )

Die SPD hat auch dort sehr viele Stimmen von der CDU bekommen, weit mehr als von der implodierenden Linkspartei. All das spricht dafür, dass es mindestens keinen Rückenwind aus Berlin gegeben hat, obwohl doch sonst die Partei, die in Berlin in der Opposition ist, in den Ländern eher gewinnt. Aber diese Regel wurde durchbrochen.

Insofern spricht viel dafür, dass die allgemeine politische Stimmung, die von der Bundesebene her mitgeprägt wird, auch hier eine Rolle spielte, selbst wenn Wähler nicht ausdrücklich sagten: "Ich habe wegen der Bundespolitik an der Saar so oder so gewählt."

DOMRADIO.DE: Friedrich Merz hatte nach dem Weggang von Angela Merkel in den Augen vieler Unions-Anhänger zuletzt etwas regelrecht Messianisches. Aber jetzt hat der vermeintliche Heilsbringer im Saarland zumindest nicht gezogen. Warum wohl?

Andreas Püttmann, Publizist

"Man dachte, Merz könne über Wasser gehen und jetzt ist er in die Saar gefallen."

Püttmann: Um im Bild zu bleiben: Manche dachten, Merz könne über Wasser gehen, und jetzt ist er in die Saar gefallen. Er hat sich selbst auf dem CDU-Bundesparteitag ausdrücklich ins Zentrum eines Neu-Aufbruchs gestellt. An diesem Anspruch muss er sich jetzt auch messen lassen.

Friedrich Merz / © Michael Kappeler (dpa)
Friedrich Merz / © Michael Kappeler ( dpa )

Die Gründe liegen aus meiner Sicht zunächst mal in seinem Typus, samt seiner Mimik und Gestik. Er ist eben doch für die Mehrheit kein Sympathieträger, sondern wirkt etwas besserwisserisch und arrogant. Er zieht laut Umfragen wenig bei Frauen und bei Jüngeren. Und auch die Menschen in seinem Alter sind bei der Saar-Wahl besonders stark zur SPD gewandert.

Merz wirkt ein bisschen wie ein Retro-Kandidat, und auch seine langjährige Anti-Merkel-Haltung dürfte noch nachwirken. Mit der hat er sich keine Sympathien erworben, denn Merkel war über weite Strecken ihrer Amtszeit und am Schluss bekanntlich die beliebteste Politikerin Deutschlands. Hinzu kamen dann noch Merz' Ungeschicklichkeiten wie beim Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem SWIFT, wo er erst unnötigerweise öffentliche Bedenken äußerte und dann doch dafür war. Oder die parteipolitischen Spielchen im Bundestag bei den 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Das wird in einer internationalen und nationalen Krisenlage nicht goutiert. So kann man sagen, dass er bis jetzt keine starke Performance hatte.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie die Union jetzt beraten müssten, was würden Sie raten?

Andreas Püttmann, Publizist

"Ich würde also mal die christliche Gesellschaftslehre studieren, geistig 'back to the basics', die Wurzeln entdecken und pflegen."

Püttmann: Zunächst mal würde ich mit Adenauer sagen: "Eine Partei muss einen weltanschaulichen Boden haben", und der wird im Moment zu wenig wahrgenommen. Dieser Boden ist nun mal das Christentum. Ich würde also im Parteiapparat die christliche Gesellschaftslehre studieren, geistig "back to the basics", die Wurzeln entdecken und pflegen und meine politischen Positionen daraufhin transparent machen, damit die Leute wissen, warum ich mich bei bestimmten Themen so oder so positioniere.

Dann würde ich mich inhaltlich breit aufstellen und nicht als zweite größere FDP, also als Wirtschaftspartei. Das heißt, die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft darf nicht marginalisiert werden, und sie muss auch personell prominent repräsentiert sein. Mit ihr verbindet man den neuen Generalsekretär nicht, obwohl er formal aus dieser Gruppe kommt. Man kann auch nicht immer nur das alte "Schlachtross" Karl-Josef Laumann, (Minister für Soziales und Arbeit in Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Red.), vorzeigen, der inzwischen auch etwas müde und konfliktscheu gegenüber der dominierenden Mittelstands-Union wirkt.

Drittens würde ich empfehlen: Scharfe Abgrenzung gegen die größte innere Bedrohung: die Rechtsextremen. Die CDU muss als genauso antifaschistisch wahrgenommen werden wie die Sozialdemokratie oder die Grünen. Man sieht ganz klar in Umfragen, dass die Bürger beunruhigt sind über die Rechtsradikalisierung. Und das sind ja im Inland auch Putins stärkste Verbündete.

Viertens: Keine parteipolitischen Spielchen in der derzeitigen Krisenlage! Und sich bei den jungen Leuten darum kümmern, dass die große Sorgen wegen des Klimas haben. So, wie die Junge Union performt, die nur noch ungefähr zehn Prozent der jungen Generation anspricht, kann es auch nicht weitergehen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Katholische Soziallehre

Die katholische Soziallehre ist die Soziallehre der katholischen Kirche. Sie ist historisch eng mit dem päpstlichen Lehramt, insbesondere den Sozialenzykliken, verknüpft. Obwohl die Kirche seit ihren Anfängen zur sittlichen Gestaltung des sozialen Lebens Stellung bezog und in der Scholastik die naturrechtlichen Grundlagen ihres Menschen- und Gesellschaftsbildes entwickelte, ist ihre Soziallehre im engeren Sinne ein Produkt des 19. Jahrhunderts mit seinen sozialen Spannungen und den konkurrierenden Ideologien des Liberalismus und Sozialismus.

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HERTEN, DEUTSCHLAND - 3. MÄRZ 2021: Ewald Pit, Industrieerbe der Ruhrmetropole am 3. März 2021 in Herten, Deutschland / © alfotokunst (shutterstock)
Artikel-ID: 2117682383 HERTEN, DEUTSCHLAND - 3. MÄRZ 2021: Ewald Pit, Industrieerbe der Ruhrmetropole am 3. März 2021 in Herten, Deutschland / © alfotokunst ( shutterstock )
Quelle:
DR