Die Rede des US-Gesandten Stern beflügelt UN-Treffen in Bonn

Neues Spiel im Klima-Poker

In Bonn hat am Sonntag eine Klimakonferenz mit Vertretern aus rund 180 Ländern begonnen. An dem Treffen nehmen mehr als 2.000 Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsfachleute teil: Die Experten diskutieren über ein Nachfolge-Abkommen für das Kyoto Protokoll, das in drei Jahren ausläuft. Zum ersten Mal seit Jahren beteiligt sich auch die US-Regierung wieder aktiv an Verhandlungen. Carsten Smid von Greenpeace fordert im domradio-Interview eine "verbindliche Benennung von Zielen und eine finanzielle Zusage der Industrienationen".

 (DR)

Die Doppelbelastung von Finanz-und Klimakriese biete die Möglichkeit, beide Probleme gemeinsam zu lösen, so der Umweltexperte Smid. Ein Investitionsprogramm für grüne Energie wäre nun angebracht.

Matthias Machnig vom Bundesumweltministerium geriet fast ins Schwärmen. «Das waren völlig neue Töne, auf die wir Jahre gewartet haben», sagte der Staatssekretär über die Rede des US-Klimabeauftragten Todd Stern. Der Gesandte von Präsident Barack Obama hat die Verhandlungen über ein neues Klimaschutz-Abkommen im Rahmen der Vereinten Nationen gleich bei der Eröffnung beflügelt.

Neues Verständnis in den USA
Stern bekannte sich klar dazu, dass der Klimawandel existiert und dass die Weltgemeinschaft gemeinsam handeln muss. «Niemand in meinem Team wird das bezweifeln oder herunterspielen», sagte er unter dem langanhaltenden Applaus von Delegierten aus 175 Ländern und fügte hinzu: «Wir sehen die Dringlichkeit der vor uns liegenden Aufgabe.»

Die Botschaft war eine Wohltat für die Klima-Experten aus aller Welt, die die Zeit von Obamas Vorgänger George W. Bush als bleierne Lähmung empfunden hatten. Endlich bekennt sich der historisch größte Klimasünder, der beim Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) gerade erst von China überholt wurde, zu seiner Verantwortung und zur globalen Zusammenarbeit.

«Das ist ein Neuanfang», sagt Machnig. «Das macht optimistisch.» Deutschland und die USA wollen die Finanzkrise nicht als Vorwand gelten lassen, den Klimaschutz zu vernachlässigen. Machnig: «Wir brauchen eine Antwort auf die doppelte Krise.» Wer in Umwelttechnologie («Green Tech») investiere, beschreite einen neuen Wachstumspfad.

Und auch Stern wirbt eindringlich für ein Umsteuern auf eine Kohlenstoff-arme Wirtschaftsweise mit drastisch weniger CO2-Ausstoß. Für die Weltklimakonferenz im Dezember in Kopenhagen fordert er eine langfristige Vision, ganz wie Obama das vorgegeben hat: Der US-Präsident stellte bis 2050 eine Reduktion der Emissionen in den Vereinigten Staaten um 80 Prozent in Aussicht - ähnlich wie die EU.

Ringe um schnelle Erfolge
Aber um die mittelfristigen Ziele wird es noch ein hartes Ringen geben. Denn bis 2020 will Washington die derzeit noch wachsenden US-Emissionen lediglich auf das Niveau von 1990 zurückfahren. Verglichen mit heute ist das eine Senkung um 17 Prozent, verglichen mit dem Basisjahr 1990 um null Prozent. Dabei hatte schon das von Bush abgelehnte Kyoto-Protokoll bis 2012 ein Minus um durchschnittlich 5,2 Prozent unter den Stand von 1990 festgelegt.

Bis 2020 will die EU nun um 20 bis 30 Prozent gegenüber dem Basisjahr reduzieren. Den Umweltschützern reicht das bei weitem nicht aus. Denn die Wissenschaftler warnen, dass die Erderwärmung schneller voranschreitet, als bisher angenommen. Für eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf unter zwei Grad Celsius muss also mehr getan werden. «Wenn die USA dazu nichts beitragen, müssen andere mehr leisten», sagt Machnig. Darüber werde man reden müssen.

«Wissenschaft und Pragmatismus» gibt Stern als Richtschnur der US-Klimapolitik aus. Anders als zu Zeiten des US-Präsidenten Bill Clinton in den 90er Jahren will sich Obama offenbar rechtzeitig den Rückhalt im US-Kongress sichern.

Deutlich warb der US-Gesandte Stern in Bonn auch um China - wie zuvor in Peking schon Außenministerin Hillary Clinton. Er lobte die Umweltinvestitionen in der Volksrepublik und sprach davon, dass die historisch größten Produzenten von CO2 und die künftigen kooperieren müssten.

Schwellenländer brauchen Unterstützung
Wie der Klima-Beitrag der Entwicklungs- und Schwellenländer aussehen könnte, ist allerdings noch offen. Schon auf der Klimakonferenz 2007 auf Bali war eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 15 bis 30 Prozent bis 2020 erwogen worden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Finanzierung. Um ökologisch umzusteuern, brauchen die Länder dafür mindestens 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Doch weder die EU noch die USA haben bisher Zahlen für mögliche Zusagen genannt. Die versprochene finanzielle Unterstützung der reichen Industrienationen für die Entwicklungsländer sei bislang ausgeblieben, lautet auch der Vorwurf des Umweltexperten Smid.

Angesichts der strittigen Punkte dämpft Staatssekretär Machnig denn auch die Erwartungen für Kopenhagen: In der Substanz werde es im Dezember eine Einigung für den globalen Kurs im Klimaschutz geben, sagt er. Für ein ausformuliertes Abkommen werde man dann aber noch Zeit brauchen.