Die Pflanzenwelt steckt voller klerikaler Anleihen

Von Priesterpalmen, Pfaffenhütchen und dem Pfirsich Franziskus

"Auf Gottes Wiese gibt es allerlei Blüten", denkt man manchmal, wenn man beim Kirchgang allzu merkwürdigen Exemplaren von Christenmenschen begegnet. Doch auch die Pflanzenwelt ist bunt - und klerikaler als man denkt.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Nahaufnahme der Vitex Agnus Tree, Mönchspfeffer / © Meyta (shutterstock)
Nahaufnahme der Vitex Agnus Tree, Mönchspfeffer / © Meyta ( shutterstock )

Franziskus ist ein Pfirsich; weißfleischig und tolerant gegen die Kräuselkrankheit. Und - gleich noch zwei Extra-Wissenspunkte: auf Lateinisch heißt er "persische Pflaume" und gehört zur Familie der Rosengewächse. Überhaupt hält die Pflanzenwelt allerlei kuriose Parallelen zu geistlichen Gefäßen aus der katholischen Welt bereit.

Johanniskraut und Bischofsmütze

A propos Petrus-Nachfolger: Die Schlüsselblume (Primula officinalis) wird auch als "Himmelsschlüsselchen" bezeichnet. Der Legende nach soll der Apostel Petrus, der traditionell die Tore des Himmels bewacht, eines Tages seinen Schlüsselbund verloren haben. Er fiel zur Erde herab und wurde dort zu einer Blume.

Was wäre Katholisch-Sein ohne Heilige? Und für die ist auch ein Kraut gewachsen: das Heiligen- oder Zypressenkraut (Santolina chamaecyparissus), ein ebenso duftendes wie widerstandsfähiges Küchengewürz mit kleinen gelben Blütenknöpfen. In der Naturheilkunde wurde es früher zur Bekämpfung von Würmern und anderen Darmparasiten verwendet - aber wohl ohne wirklich durchschlagende Wirkung.

Johanniskraut und Johannisbeeren (lat. ribes, österr. "Ribisel") leiten sich wohl vor allem von ihrer Reife am Johannistag (24. Juni) her. Das Kraut, in der Heilkunde ein mildes Antidepressivum, wird mancherorts zu Mittsommer in Sträußen an die Haustüre gebunden oder zu Hauskronen und Kränzen gewunden, um Unheil abzuwehren ("Sonnwendbuschen"). Die Winterkresse wird nach der heiligen Barbara (4. Dezember) auch Barbarakraut genannt. Diesem Kreuzblütler, der auch als Salat oder Gemüse gegessen werden kann, wird eine blutreinigende Wirkung nachgesagt.

Nach den Heiligen käme in der Kirchenhierarchie jetzt wohl die Kardinals-Lobelie dran. Die Sumpfpflanze aus dem Norden Amerikas wächst langsam, aber beharrlich. Sie lebt übrigens zölibatär: Ihre Bestäubung erfolgt durch Vögel.

Jaja, Pilze sind bekanntlich keine Pflanzen - aber trotzdem gibt es bei ihnen tief im Wald die höchste Weihestufe: Die Bischofsmütze (Gyromitra infula) gehört zu den Echten Schlauchpilzen - ist aber leider für den Menschen tödlich giftig.

Mönchspfeffer für das Keuschheitsgelübde?

Die Priesterpalme (Washingtonia) ist dekorativ und wächst - anders als die Priesterzahlen - schnell. Ab Mitte April sollte sie an der frischen Luft stehen. Sie verträgt volle Sonne, braucht aber viel Wasser. Auch das Pfaffenhütchen (österr. "Pfaffenkapperl") sieht hübsch aus; die rot-orangen Früchte dürfen aber nicht mit ins herbstliche Beerenkompott. Sie gewannen sogar schon einen Preis - als "Giftpflanze des Jahres" 2006.

Den Christ- oder Weihnachtsstern aus der Familie der Wolfsmilchgewächse kennen wir als empfindlichen, leuchtend roten Fensterbankschmuck in der Adventszeit. Weniger bekannt ist, dass die "Euphorbia pulcherrima" in ihrer Heimat Mittelamerika und den Tropen Afrikas als bis zu vier bis fünf Meter hohe Riesenbüsche gedeihen können. Auch die Christrose, ein früh und weiß blühender Nieswurz, kann bis zu 25 Jahre alt werden.

Ein besonders reiches Feld sind, wie so oft, die religiösen Orden: Der Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) aus der Familie der Eisenkrautgewächse hat nicht nur eine wissenschaftlich erwiesene Heilwirkung, sondern auch attraktive Blüten: aufrecht buschig in Violett, Blau, Rosa oder Weiß. Schon Homers "Ilias" kannte ihn als Symbol für Keuschheit und zur Abwehr gegen das Böse. Der deutsche Trivialname "Mönchspfeffer" soll sich aus seiner Verwendung in mittelalterlichen Klöstern erklären, wo Mönche und Nonnen ihn angeblich einnahmen, um leichter ihr Keuschheitsgelübde einzuhalten.

Mönchsbart (Barba di frate) ist ein mediterranes Frühlingsgemüse und ähnelt dem Schnittlauch. Im Geschmack leicht erdig man, isst man es roh oder gegart. Mönchsbart erinnert etwas an Spinat. Er wird nur kurz blanchiert; so bleibt der Biss erhalten. Tipp: Spaghetti mit Pilzen und Mönchsbart.

Blumenteppiche in Rom / © Stefano dal Pozzolo (KNA)
Blumenteppiche in Rom / © Stefano dal Pozzolo ( KNA )

Die hübsche Kartäusernelke (Dianthus carthusianorum) wird in Österreich auch Steinnelke ("Stoanagl") genannt. Mit ihrer leuchtenden Farbe wäre sie sicher auch als "Bischofsnelke" durchgegangen. Die rankende Große Kapuzinerkresse trägt eher Zitrustöne, gelb oder orange. Sie ist gesund und kann mit Stumpf und Stiel zu einem würzigen Pesto verarbeitet werden.

Und ja, die Jesuiten. Sie haben der Welt viele neue Kräuter- und Pflanzenarten aus ihren Missionsgebieten mitgebracht: aus China, Japan, Südostasien und Lateinamerika. Da lässt der Volksmund sich nicht lumpen: der Jesuitentee (Chenopodium ambrosioides) ist als Epazote in Mexiko das wichtigste Gewürz der traditionellen Küche. Durch Trocknen der Blätter entsteht ein leckeres Gewürzpulver.

Ignatiusbohne enthält Nervengift

Weniger bekömmlich ist die Ignatiusbohne (Strychnos ignatii) oder Brechnuss, benannt nach dem Jesuiten-Gründer Ignatius von Loyola. Der Kletterstrauch stammt aus den Tropen Südostasiens und trägt orangegelbe Früchte, die an Apfelsinen erinnern. Alle Pflanzenteile enthalten das starke Nervengift Strychnin.

Das Gegenteil bei der immergrünen Jesuitenrinde, auch Jesuitenkraut oder Jesuitengras genannt. Aus der Rinde der "Cinchona officinalis" gewannen die Ordensmänner im Hochland Südamerikas eine bittere Substanz namens Jesuitenpulver, das gegen Fieber und Malaria half; mit viel Chinin, wie wir heute wissen.

Weniger exotisch kommt der Winterapfel "Karmeliter Renette" daher; in Frankreich klangvoll "Reinette des Carmes" genannt, wo er auch 1676 erstmals beschrieben wurde. Geschmack und Würze dieses erfolgreichen Tafel- und Wirtschaftsapfels werden gepriesen.

Kommen wir zu den vorletzten Dingen. Der Teufelsabbiss (Succisa pratensis), auch Teufelwurz genannt, hat den bösen Namen von seinem Wurzelstock, der am unteren Ende meist abgefault und wie abgebissen wirkt. Neben der Afrikanischen Teufelskralle aus der Savanne gibt es - Gott sei Dank - auf der guten Seite noch den Engelwurz und die Engelstrompete.

"Paradeiser" heißt in Österreich das Nachtschattengewächs "Solanum lycopersicum"; bei uns bekannter als: Tomate. Lange wurde sie als Liebesapfel, Paradiesapfel oder Goldapfel bezeichnet, und erst im 19. Jahrhundert als "Tomate" - abgeleitet vom aztekischen "xitomatl". Und damit zurück ins Küchenstudio...

Quelle:
KNA