Die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün sieht neuen Kurs ihrer Partei kritisch

"Wir dürfen uns nicht an die Linkspartei ranschmeißen"

Die SPD-Spitze hat sich nach der historischen Wahlniederlage auf eine neue Führung verständigt. Sigmar Gabriel wird neuer Vorsitzender, Andrea Nahles neue Generalsekretärin. Das richtige Personal? Im domradio-Interview zeigt sich Lale Akgün kritisch gegenüber dem neuen Kurs.

 (DR)

domradio: Welche Eigenschaften braucht die SPD jetzt, um wieder auf die Beine zu kommen?
Akgün: Die SPD braucht Eigenschaften, um zwei wichtige Gruppen wieder zurückzuholen. Zum einen die Eigenschaft, die man braucht, um wieder Arbeitnehmer zu gewinnen. D.h. wie muss man aufgestellt sein, um sich als Partei, als Anwältin der Kleinen Leute zu verstehen. Das andere Standbein, das halte ich für genauso wichtig, ist: Wie schafft es die SPD, wieder als die Partei der Visionen zu gelten? Also eine Fortschrittspartei, eine Partei der Moderne und Veränderung. Erst in der Summierung dieser beiden Gruppen - Arbeitnehmer plus Intellektuelle, Künstler, Wissenschaftler - hat die SPD ihre Klientel gehabt. Und beide Gruppen sind irgendwie verloren gegangen.

domradio: Vor diesem Hintergrund: Begrüßen Sie die Entscheidung für Siegmar Gabriel und Andrea Nahles als neue Führungskräfte?
Akgün: Mir bleibt nichts anderes übrig. Zum einen, weil die Partei jetzt auch natürlich Leute haben muss, die sie führt. Und zum anderen auch natürlich, weil in Parteien immer wieder auf altbewährte Kräfte zurückgegriffen wird. Man hätte natürlich auch ganz frische und unverbrauchte Leute nehmen können, aber die Parteispitze hat sich für einen bewährten Frontmann und eine bewährte Frontfrau entschieden. Mal sehen, wie es weitergeht.

domradio: Gegen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei hat Gabriel nichts einzuwenden - ist das das richtige Signal, die ehemaligen SPD-Wähler zurückzugewinnen?
Akgün: In der Partei muss eine ganz grundlegende Diskussion einsetzen über die zukünftige Rolle der Partei. Wir lösen keine Probleme und holen keinen einzigen Wähler zurück, wenn sich die SPD an die Linkspartei ranschmeißt. Ich glaube nicht, dass das die Lösung der Probleme ist. Die SPD muss sich über ihre eigene Rolle klar werden und nicht aus der Hüfte heraus in Richtung Linkspartei schießen.

domradio: Wie könnte diese Rolle der SPD aussehen?
Akgün: Wie kann eine Partei der Solidarität und des sozialen Ausgleichs sich so darstellen und wahrgenommen werden, dass sie auch wirklich von den Wählern als diese Partei begriffen wird und auch gewählt wird? Das ist diese Rolle, nämlich zu sagen: Wir brauchen eine Partei im 21. Jahrhundert, die trotzdem Werte der Solidarität hochhält, aber auch die Moderne nicht aus den Augen verliert. Also ein Spagat, den es zu machen gilt. Und der dafür sorgt, dass wir in unserem Land Wohlstand in der Zukunft garantieren können.