NRW hebt viele Beschränkungen für Gottesdienste auf

Die Gemeinde darf wieder singen

Nach eineinhalb Jahren Pandemie werden für Gottesdienste in Nordrhein-Westfalen viele Corona-Beschränkungen fallen gelassen. So ist der Gemeindegesang nun vielerorts wieder möglich. Auch die Maskenpflicht entfällt weitgehend.

Ministranten singen / © Harald Oppitz (KNA)
Ministranten singen / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Weitreichende Lockerungen ab Freitag für viele Gottesdienste in Nordrhein-Westfalen. Was heißt das konkret?

Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Das heißt konkret, dass sich sowohl in der Inzidenzstufe 1, wie in der Inzidenzstufe 0 Lockerungen ergeben. Bei Stufe 0 heißt es für uns, dass im Grunde alle Auflagen bei den Gottesdiensten entfallen. Vor allem ist für uns wichtig, dass wir wieder singen können und dass die Maskenpflicht entfällt.

In der Inzidenzstufe 1, also zwischen 10 und 35, muss man am Platz keine Maske mehr tragen, das Singen ist auch bei einem Abstand von 1,50 Metern möglich. Allerdings muss beim Singen dann in der Regel eine Maske getragen werden.

DOMRADIO.DE: Das heißt aber auch, dass es keine einheitliche Regelung für ganz NRW ist.

Hamers: Das bezieht sich auf die Kreisebene jeweils, also die Inzidenzstufe im Kreis beziehungsweise. in der kreisfreien Stadt - und danach muss man sich richten.

DOMRADIO.DE: Haben Sie als Vertreter der katholischen Kirche dabei mitreden können?

Hamers: Das haben wir. Wir sind im ständigen Austausch mit der Staatskanzlei und auch mit dem Gesundheitsministerium. In Nordrhein-Westfalen ist es ja so, dass wir schon von Anfang an - seit Gottesdienste wieder zugelassen sind - seit dem Mai des letzten Jahres eigene Regeln aufgestellt haben, immer in Absprache mit der Staatskanzlei und mit dem Gesundheitsministerium. Das ist sehr gut gelaufen. Immer hat es konstruktive und gute Gespräche gegeben.

Jetzt mussten wir etwas häufiger nacharbeiten, damit die Auflagen für das Singen gelockert wurden. Das war etwas kontrovers. Da sind wir sehr froh, dass das jetzt gelungen ist. Im Grundsatz ist es so, dass wir, wie ich das gerade beschrieben habe, immer im Austausch mit den entsprechenden Stellen waren und unsere Regeln entsprechend angepasst haben.

DOMRADIO.DE: Gleichzeitig findet am Sonntag das EM-Finale in Wembley mit zehntausenden Zuschauern im Stadion statt.

Hamers: Gut, man muss sich natürlich nicht immer unbedingt daran orientieren, wo es problematisch ist. Aber wir haben natürlich schon darauf hingewiesen, dass zum Beispiel in anderen Bundesländern der Gemeindegesang in der Kirche schon früher erleichtert war. Das war für uns ein wichtiges Argument gegenüber der Landesregierung, zu sagen "Guckt mal nach Baden-Württemberg, guckt nach Bayern, guckt nach Niedersachsen". Da ist der Gemeindegesang deutlich gelockert oder erleichtert.

Und wir haben immer noch eine relativ strenge Regel mit zwei Meter Abstand, was für uns an vielen Orten nicht durchführbar war. Da argumentieren wir natürlich auch mit den Regeln und mit der Situation außerhalb Nordrhein-Westfalens.

DOMRADIO.DE: Also zusamengefasst: 1,50 Meter Abstand statt zwei Meter?

Hamers: Ja, aber nur bei der Inzidenzstufe 1. In der Inzidenzstufe Null braucht man auch das nicht mehr. In der Stufe 0 braucht man keinen Abstand mehr, keine Rückverfolgung, keine Maske. Da ist im Grunde die Regel wie vorher. Wir werden aber selbstverständlich jetzt auch gucken, dass wir Regeln zum Beispiel bei der Kommunionausteilung haben. Da haben sich bestimmte Regeln sicherlich bewährt. Dass man sich nochmal die Hände desinfiziert, dass vielleicht auch nochmal auf die Abstände geachtet wird, das werden wir jetzt mal gucken, welche Hygieneregeln durchaus auch weiter getragen werden, auch in der Inzidenzstufe 0. Aber diese Abstände, Rückverfolgbarkeit, Masken, das entfällt.

DOMRADIO.DE: Nun wird viel über die Rückgabe von Grundrechten diskutiert. Grundsätzlich heißt es, es sei unmöglich, den Gottesdienst zu verbieten, weil Religionsausübung ein Grundrecht ist. Was bedeutet das?

Hamers: In Artikel 4 des Grundgesetzes ist ausdrücklich festgelegt, dass sowohl die Religionsfreiheit, als auch die Freiheit die Religion auszuüben, garantiert sind. Und ein ganz wichtiger Aspekt unserer Religionsausübung ist selbstverständlich der Gottesdienst. Insofern hat der Gottesdienst für uns einen hohen Stellenwert, der im Grundgesetz so geschützt wird.

In ganz extremen Fällen kann es vorkommen, dass Gottesdienste auch stark eingeschränkt werden. Wir haben es ja so gehabt, dass wir in der ersten Phase der Corona-Pandemie im Frühjahr des letzten Jahres auf die Gottesdienste - auf die öffentlichen Gottesdienste - verzichtet haben. Wir haben weiter Gottesdienste gefeiert. Wir hatten weiterhin die Kirchen offen. Aber die öffentlichen Gottesdienste haben wir ausgesetzt, weil es eben ein ganz hohes und ganz wichtiges Grundrecht ist, das nur eingeschränkt werden darf, wenn andere Grundrechte betroffen sind, zum Beispiel Leben und Freiheit anderer Menschen.

DOMRADIO.DE: Kann man sagen, dass die evangelischen und katholischen Gottesdienste, die stattgefunden haben, in den vergangenen anderthalb Jahren, auch tatsächlich nicht die großen "Superspreader Ereignisse" gewesen sind?

Hamers: Ich kann für die katholische Kirche jedenfalls sagen, dass uns kein Fall bekannt geworden ist, in dem es zu einem Infektionsgeschehen durch einen Gottesdienst gekommen ist. Das kann ich so sagen. Ich kann nur sagen, dass mir das nicht bekannt geworden ist, und ich gehe davon aus, dass es bekannt geworden wäre, auch in der Öffentlichkeit bekannt geworden wäre, wenn es in einem Gottesdienst zu einem großen Infektionsgeschehen gekommen wäre.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)
Quelle:
DR
Mehr zum Thema