Auf allen Münzen des Vereinigten Königreichs findet sich die Abkürzung "F.D." für das lateinische "Fidei Defensor ("Verteidiger des Glaubens"). Diesen Titel verlieh 1521 Papst Leo X. König Heinrich VIII. in Anerkennung der theologischen Abhandlung "Assertio Septem Sacramentorum (Verteidigung der sieben Sakramente)", mit der sich Heinrich VIII. auf der Seite der katholischen Kirche in der Auseinandersetzung mit Martin Luther positionierte. Seitdem führen alle englischen und britischen Könige diesen Titel mit Stolz, auch wenn sie schon lange nicht mehr römisch-katholisch, sondern als "Oberster Statthalter (Supreme Governor) der Kirche von England" selbst die Position einnehmen, die vor der Reformation dem Papst zukam.
Unter den britischen Monarchen der folgenden Jahrhunderte gab es fromme und wenig fromme Herrscher, episkopal und calvinistisch-presbyterial gesinnte, kirchlich-traditionell gebundene und Freigeister. Verschiedenste religiöse Ausrichtungen wurden im Lande toleriert, allerdings mit einer klaren Ausnahme: Ein Katholik ist seit dem Jahr 1701 (Act of Settlement) ausdrücklich von der Thronfolge ausgeschlossen.
Brief mit vertraulichen Einschätzungen
Die religiöse Frage bezüglich des britischen Souverains war damit für Jahrhunderte geklärt, wird aber jüngst im Zusammenhang mit König Charles III. wieder diskutiert, besonders seit ein privater Brief von ihm aus dem Jahr 1998 bekannt wurde. Aus diesem geht hervor, dass der damalige Thronfolger die Orthodoxe Kirche als die einzige christliche Konfession ansah, die nicht von der "abscheulichen politischen Korrektheit" berührt wurde. Nach Angaben der "Times" wurde der als "privat und vertraulich" gekennzeichnete Brief aus Schloss Balmoral an Dudley Poplack, einen Innenarchitekten, der mit der königlichen Familie zusammenarbeitete, geschickt.
Nach Poplacks Tod im Jahr 2005 wurde der Brief später versteigert. In diesem schrieb der damals 49-jährige Prinz, dass er sich mit zunehmendem Alter immer mehr zu den "großartigen, zeitlosen Traditionen der orthodoxen Kirche" hingezogen fühle. Zum Zeitpunkt dieser Bemerkungen hatte die Kirche von England gerade damit begonnen, Frauen zu Priesterinnen zu weihen, wobei die ersten Priesterweihen 1994 stattfanden.
Nach der Thronbesteigung von Charles sind die Äußerungen des damaligen Prinzen von Wales natürlich von neuem Interesse, zumal der Buckingham-Palast es zwar ablehnte, den privaten Briefwechsel zu kommentieren, es aber auch immer wieder Zeichen der Wertschätzung der Orthodoxie gegeben hat, so noch zuletzt dadurch, dass er nach seiner Krebsdiagnose geistlichen Beistand bei einem orthodoxen Priester, dem Abt des athonitischen Kloster Vatopedi Archimandrit Ephraim, gefunden haben soll.
"Im Herzen orthodox"
"Charles hat eine spirituelle Ausrichtung, ein spirituelles Leben", sagte angeblich Ephraim auf Nachfrage der Boulevard-Zeitung "Sun": "Ja, er ist seit der Diagnose in Kontakt und ich glaube, dass er es überwinden wird." Obwohl nur wenig über ihre Freundschaft bekannt wurde, hat Charles Berichten zufolge die Mönchsgemeinschaft auf dem Berg Athos mindestens acht Mal besucht und war aktiv in der Hilfsorganisation "Friends of Mount Athos", auch ganz direkt vor Ort bei Aufräumaktionen von Wegen auf dem Heiligen Berg. Ein Athosmönch sagte danach der Zeitung "The Guardian", es seie "keine Frage", dass Charles "in seinem Herzen orthodox ist. Leider ist er durch seine Position sehr eingeschränkt".
Und es gibt immer wieder Hinweise auf die spirituelle Positionierung des jetzigen Königs. Schon bei dem Gottesdienst anlässlich seiner Vermählung mit der jetzigen Königin Camilla sang der Chor das Glaubensbekenntnis in kirchenslawischer Sprache nach einer russischen Komposition, beim Totengottesdienst für den Vater des Königs gab es ein weiteres orthodoxes Element. Prinz Philip hatte nämlich darum gebeten, dass der Chor die Kiewer Vertonung des orthodoxen Kontakions der Verstorbenen singt, kurz bevor sein Leichnam in die königliche Gruft gesenkt wird. So geschah es dann auch - mit ostkirchlicher Melodie, aber in englischer Sprache.
Eigentlich nicht verwunderlich, denn der Mann, den viele Briten den "Großvater der Nation" nannten, wurde 1921 auf der griechischen Insel Korfu als fünftes Kind und einziger Sohn von Prinz Andreas von Griechenland und Prinzessin Alice geboren und natürlich orthodox getauft. In seinem späten Leben begann Prinz Philip, seine Wurzeln zu erforschen, darunter durch Besuche auf dem Athos, und Beobachter vermerkten, dass er das Kreuzzeichen auf orthodoxe Weise - von rechts nach links - vollzog.
Charles ergründet griechische Familienwurzeln
Bei einem Besuch im Buckingham Palace im Jahr 2011 schenkte der russische Metropolit Hilarion dem Herzog von Edinburg eine Ikone der heiligen Neumartyrerin Großfürstin Elisaveta Feodorovna, seiner 1918 ermordeten Großtante, und schrieb in einem Kondolenzbrief nach dem Tod von Prinz Philip an die Königin, dieser habe "mir wörtlich Folgendes gesagt: 'Ich bin Anglikaner geworden, aber ich bin orthodox geblieben.' ... Mit großer Herzlichkeit erinnerte er sich an seine Besuche auf dem Heiligen Berg Athos. Er erzählte mir von seinen orthodoxen Wurzeln."
Nachdem er viele Jahre seinen orthodoxen Glauben nicht offen praktiziert hatte, sondern in seiner Stellung als Gemahl der Königin offiziell als Anglikaner erschien, soll Prinz Philip Anfang der 1990er Jahre zu seinen orthodoxen Wurzeln zurückgekehrt sein, wovon der britische Autor und Journalist Giles Milton schon in einem Artikel im "The Spectator" vom 14. März 1992 spricht. Der Autor beruft sich auf Diskussionen über den Glauben des Herzogs von Edinburg während einer orthodoxen Konferenz auf Kreta im November 1991 und stellt fest:
"Die enge Beziehung zwischen Prinz Philip und der orthodoxen Kirche scheint ein Treffen von Gleichgesinnten zu sein. Wir alle hatten auf Kreta eine sehr interessante Diskussion darüber, ob Prinz Philip noch orthodox sei. Die Mönche sagten, dass sein Übertritt zum Anglikanismus vor 49 Jahren keine Rolle spiele, weil er orthodox getauft sei, und das sei alles, was wirklich zähle".
Subtile Hinweise bei Krönung
Die Krönung von König Charles III. am 6. Mai 2023 ließ noch einmal seine Beziehung zur Orthodoxie sichtbar werden. Es war zwar in erster Linie ein Gottesdienst der Kirche von England, aber er enthielt auch mehrere Elemente, die mit der orthodoxen Kirche in Verbindung stehen. Eines der Chorstücke, die dort erklangen, waren byzantinische Gesänge unter der Leitung von Alexander Lingas. Das eigens für die Krönung zusammengestellte Ensemble sang auf Griechisch Psalm 71 ("Gott, gib dem König dein Recht und dem Königssohn deine Gerechtigkeit, damit er dein Volk mit Gerechtigkeit und deine Armen mit Recht richtet").
Das bei der Krönungszeremonie verwendete Salböl war zudem in Jerusalem hergestellt und dort von Patriarch Theophilos von Jerusalem geweiht worden. Bei der Krönung benutzte der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, dieses Öl. Es handelte sich bei der Salbung um einen besonders intimen Teil der Zeremonie, bei dem der König hinter einem verzierten Paravent sein Gewand ablegte, um die Salbung zu empfangen, bevor er vor seiner Krönung wieder in ein goldenes Gewand gekleidet wurde.
Der bei der Salbung von König Charles verwendete Paravent wurde von dem orthodoxen Ikonographen Aidan Hart entworfen. Auf der Vorderseite ist ein Baum mit Blättern abgebildet, auf denen die Namen der Commonwealth-Staaten stehen. Über dem Baum fliegen drei Engel, und am Fuß des Baumes ist ein Spruchband angebracht:
"Alles wird gut, und alle Dinge werden gut", ein Satz, der der englischen Mystikerin und Nonne Juliana von Norwich aus dem 14. Jahrhundert zugeschrieben wird, und zwar aus ihrem Buch "Offenbarungen der göttlichen Liebe", wo sie an mehreren Stellen, unter anderem in Kapitel 27, schreibt: "Und so sah ich mit dem Blick meiner Seele, ... dass alle Werke unseres Herrn gut sind, und auf dieser Grundlage verstand ich, dass alles, was getan wird, gut sein wird."
Gefangen in den Erwartungen der Monarchie
Was ist König Charles nun? Ein heimlicher Orthodoxer? Ein konservativer Anglikaner, der in der Kirche, deren "Governor" er ist, keine geistliche Heimat mehr findet? Oder ein überkonfessioneller Suchender? Gar ein Synkretist, wie ihm auch schon vorgeworfen wurde? Der Autor, Kommentator sowie stellvertretende Herausgeber des "Catholic Herald", Gavin Ashenden, ein ehemaliger Bischof der Kirche von England und bis zu seinem Rücktritt 2017 Kaplan der Königin, hat dazu bemerkenswerte Anmerkungen gemacht.
In einem Youtube-Beitrag vom Dezember 2024 verwies Ashenden auf die komplizierte Dynamik der britischen Monarchie und das Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Auftreten der königlichen Familie und den privaten persönlichen Überzeugungen ihrer Mitglieder, insbesondere in Bezug auf den Glauben und politische Überzeugungen.
Dabei stellte Ashenden die These auf, König Charles III. könnte ein Gefangener der Erwartungen der Monarchie sein, denn die Königsfamilie müsse in der Öffentlichkeit eine bestimmte Rolle spielen, hinter der sich oft persönliche Überzeugungen verbergen. Die privaten Überzeugungen des Menschen Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor könnten also erheblich von seiner Rolle als König Charles abweichen und die Kluft zwischen persönlichem Glauben und öffentlicher Pflicht zu entschiedenen Herausforderungen führen, wofür Ashenden das Bild des "Mannes hinter der eisernen Maske" (eine Anspielung auf einen Staatsgefangenen Ludiwg XIV.) gebraucht und die Notwendigkeit von Gebet und Unterstützung für König Charles betont.