Die Flüchtlinge auf Lesbos hoffen auf den Papst

"Franziskus, lass uns frei"

An diesem Samstag besuchen Papst Franziskus und andere Kirchenführer die Flüchtlinge auf Lesbos. Es ist eine ökumenische Initiative - aber eine humanitäre Aktion. Die Geflohenen freuen sich über das Solidaritätszeichen.

Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan auf Lesbos / © Orestis Panagiotou (dpa)
Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan auf Lesbos / © Orestis Panagiotou ( dpa )

Die Situation im Lager? "Zu schlimm", sagt Robina. Vergangene Nacht seien Syrer und Iraker aneinandergeraten, berichtet das Mädchen aus Afghanistan. Und ein Mann habe versucht, sich zu erhängen. Die Verpflegung empfindet Robina als unzureichend, auch wenn die Behandlung durch das Personal "nicht schlecht" sei. Was Robina aber am schmerzlichsten vermisst, ist auf einen Container nebenan gesprüht. "Bewegungsfreiheit" kann man dort auf Englisch lesen. Das Mädchen steht an einem hohen Zaun, an dessen Spitze Stacheldraht in der Sonne glänzt. Sie darf nicht raus; Journalisten dürfen nicht rein.

Robina gehört zu den mehr als 3.000 Flüchtlingen, die derzeit im Erstaufnahmezentrum Moria auf der griechischen Insel Lesbos leben. Seit Inkrafttreten des Abkommens zwischen der EU und der Türkei vor rund vier Wochen dürfen die Flüchtlinge, die auf ihre Anerkennung als Asylbewerber warten, das Lager nicht mehr verlassen.

An diesem Samstag kommt Papst Franziskus nach Moria. Dort will das Oberhaupt der katholischen Kirche mit acht Flüchtlingen in einem Container zu Mittag essen und weitere 250 persönlich begrüßen. Bereits vor seiner Ankunft auf Lesbos ließ der Vatikan wissen, dass dieser Ortstermin nicht als Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik zu verstehen sei. Vielmehr handele es sich um eine "humanitäre und ökumenische Mission", so Sprecher Federico Lombardi. Begleitet wird Franziskus vom Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I.

Caritas bezeichnet Verhältnisse auf Lesbos als menschenunwürdig

Maristella Tsamatropoulou hingegen nimmt kein Blatt vor den Mund: "Moria ist ein Gefangenenlager", sagt die Sprecherin der griechischen Caritas. Was dort passiere, "widerspricht der Menschenwürde und dem ethischen Kodex aller Hilfsorganisationen". Tsamatropoulou sitzt auf der Terrasse des Hotels "Silver Bay" wenige Kilometer von Moria entfernt. Im Hintergrund spielen und lachen Flüchtlingskinder auf einem Spielplatz.

Der griechische Caritasverband nutzt das Hotel seit November zur Unterbringung von Flüchtlingen. Hierher kommen besonders Hilfsbedürftige: Schwangere, Familien mit kleinen Kindern, Kranke und Behinderte. Sie wohnen in den 88 Zimmern und Appartements des Drei-Sterne-Hotels, in denen sonst Touristen übernachten. 236 Betten gibt es insgesamt. 40 Caritas-Mitarbeiter betreuen die "Gäste"; es sind vor allem Syrer. Finanziell unterstützt wird das Projekt von den Caritasverbänden in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Robina will mit ihrer Familie nach Frankreich. Dorthin hat es ihren sechsjährigen Bruder verschlagen, der bei der Flucht von ihr und ihren Eltern getrennt wurde. Sechs Monate habe sie mit ihrer Familie gebraucht, um hierherzukommen: zweimal habe sie die türkische Küstenwache wieder zurückgebracht, und zuvor seien sie bereits zweimal an der türkisch-iranischen Grenze abgewiesen worden, erzählt die 16-Jährige auf Englisch.

In den letzten Tagen wurden gründlicher geputzt

2015 kamen rund 470.000 Flüchtlinge nach Lesbos. Seit Inkrafttreten des Abkommens mit der Türkei sind es erheblich weniger geworden. 75 waren es am Dienstag; an manchen Tagen kommen gar keine Flüchtlinge mehr von der nahe gelegenen türkischen Küste. Die große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung von Lesbos habe sie erfreut, sagt Maritina Koraki. Sie organisiert die Hilfe der Caritas auf der Insel. Ein Grund dafür sei wohl, das viele Bewohner selbst aus Flüchtlingsfamilien stammten. Sie hätten Großeltern, die einst im türkischen Izmir lebten. Im Zuge der Vertreibungen der griechischen Minderheit aus der Türkei seien sie nach Lesbos gekommen.

Auch Leo Kiskinis, der einzige katholische Priester der Insel, lobt die Hilfsbereitschaft der Lesbier. "Sie, die in Zeiten der Wirtschaftskrise selbst nur wenig hatten, haben jenen, die gar nichts haben, noch etwas abgegeben", sagt er. Das Aufnahmezentrum Moria ist auch für ihn ein "Gefangenenlager".

Viel Werbung für den Besuch von Franziskus wurde im Flüchtlingslager offenbar nicht gemacht. Robina hat nur gehört, dass er an diesem Samstag kommt; mehr weiß sie nicht. Aufgefallen ist der Muslimin aber, dass das Camp in den vergangenen Tagen gründlicher als sonst gereinigt wurde. Robina erhofft sich vor allem eins vom Besuch des Papstes: "dass er uns freilässt". Doch ob Franziskus wirklich etwas an ihrer Lage ändern kann, da ist sie sich nicht sicher: "vielleicht"...


Quelle:
KNA