Die FDP berät die Westerwelle-Nachfolge

Partei sucht Chef

Nach dem angekündigten Rückzug von FDP-Chef Guido Westerwelle arbeiten die Freidemokraten an einem Neustart. Die Spitzen aus Bund und Ländern kamen am Dienstagmittag zusammen, um über die künftige inhaltliche Ausrichtung ihrer Partei zu beraten. Als Favorit für den Vorsitz gilt ZdK-Mitglied und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Und der will.

Autor/in:
Mey Dudin und Christiane Jacke
 (DR)

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hat auch bei der gemeinsamen Sitzung von FDP-Parteivorstand und Fraktion seine Kandidatur für den Vorsitz der Freidemokraten angemeldet. "Ich habe mich entschlossen, für das Amt des Bundesvorsitzenden zu kandidieren", sagte Rösler nach Angaben aus Teilnehmerkreisen am Dienstag in Berlin. Er bleibe zugleich Chef im Gesundheitsressort, wolle zudem aber auch das Amt des Vizekanzlers übernehmen, hieß es.



Unter großem Medieninteresse trafen sich zuvor das Präsidium und die Landesvorsitzenden der Liberalen. Hoffnungsträger Rösler sowie Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der in seiner Partei in der Kritik steht, gingen kommentarlos an den Pressevertretern vorbei in den Sitzungsaal. Brüderle soll kurz vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bei einem Gespräch mit Wirtschaftsvertretern einen Zusammenhang zwischen Atomwende und Wahlkampf hergestellt haben. In beiden Bundesländern erlitten die Freidemokraten massive Einbrüche und flogen sogar aus dem Mainzer Landtag.



Einige Freidemokraten würden nun gerne Rösler an der Spitze des Wirtschaftsressorts sehen. Generalsekretär Christian Lindner und der scheidende Parteichef Guido Westerwelle äußerten sich unmittelbar vor dem Spitzentreffen zunächst nicht.



Hahn unterstützt Rösler

Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn sagte, er erwarte eine Kandidatur von Rösler für den Parteivorsitz. Der Minister habe seine volle Unterstützung. Der Westerwelle-Kritiker mahnte, die FDP habe "nur eine einzige Chance", sich bis zur Bundestagswahl 2013 neu aufzustellen. Rösler sei dafür die richtige Wahl. Hahn riet aber von einer Diskussion über Ministerposten ab. Rösler könne in verschiedenen Ämtern hervorragend für Deutschland und die FDP agieren - auch im Gesundheitsressort. Das sei jedoch nicht die entscheidende Frage. Wichtig sei, nun eine neue Truppe aufzustellen.



Der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow betonte, es gehe nicht nur ums Personal, sondern auch um Inhalte. Die Köpfe müssten zur neuen strategischen Ausrichtung passen. Zastrow mahnte: "Wir müssen einfach Wort halten." Das sei die wichtigste Lehre aus den jüngsten Wahlniederlagen. Die FDP habe zuletzt zentrale Wahlversprechen nicht eingelöst und dafür die Quittung bekommen. Zugleich warnte er davor, die Partei nach links zu rücken. Das werde es mit der sächsischen FDP nicht geben.



Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sagte, die FDP müsse ein Gesamtkonzept aus Personal und Inhalten erarbeiten. Es gehe darum mehr Inhalte nach außen zu tragen, die von glaubwürdigen Köpfen präsentiert werden. Die FDP müsse schwer arbeiten, um ihre verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.



Kritik auch an Homburger

Am Nachmittag sollten noch Bundesvorstand und Fraktion tagen. Während der Sitzungen sollen sich Interessenten für das Amt des Vorsitzenden erklären. Neben Rösler wurde auch Lindner als möglicher Kandidat gehandelt. Erwartet werden auch Diskussionen über die künftige Rolle von Fraktionschefin Birgit Homburger, der Führungsschwäche vorgehalten wird und die als verantwortliche Landeschefin wegen der Wahlschlappe der Liberalen in Baden-Württemberg in der Kritik steht. Homburger sagte, sie erwarte eine gute Sitzung und gute Ergebnisse.



Der Chef des NRW-Landesverbands Daniel Bahr - der schon als möglicher Gesundheitsminister gehandelt wird - wollte von einem Machtkampf bei den Liberalen hingegen nichts wissen. Man werde die Nachfolge "ruhig und besonnen beraten", sagte der 34-Jährige der "Münsterschen Zeitung". Zu seiner eigenen Rolle in der Zukunft sagte Bahr lediglich: "Ich bin gerne bereit, in der Führungsmannschaft meinen Beitrag zu leisten, dass die FDP wieder stärker wird. In welcher Funktion - darüber beraten wir jetzt in Ruhe." Den "Ruhr Nachrichten" sagte Bahr: "Wir brauchen jetzt ein neues Team aus Erfahrenen und Jungen, das die Partei erfolgreich in die nächsten Jahre führt."



Schleswig-Holsteins Vizeministerpräsident Heiner Garg (FDP) forderte Brüderle derweil öffentlich auf, zugunsten des möglichen neuen Parteichefs Rösler das Feld zu räumen. "Rainer Brüderle stand mit seinen ungeschickten Äußerungen auch schon bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im Weg", sagte Garg der "Financial Times Deutschland".



Parteichef Westerwelle hatte am Sonntag seinen Rückzug verkündet. Der künftige Vorsitzende soll auf dem FDP-Bundesparteitag Mitte Mai gewählt werden.