Die Evangelische Kirche im Rheinland stellt Forderungen an Politik und Kirchen

"100 000 Flüchtlinge nach Deutschland"

Drei Millionen Syrer sind auf der Flucht. Die Evangelische Kirche im Rheinland fordert, Deutschland müsse mehr Flüchtlinge aufnehmen. Oberkirchenrätin Barbara Rudolph im domradio.de-Interview.

Zukunft in Deutschland (dpa)
Zukunft in Deutschland / ( dpa )

domradio.de: Sie fordern mutigere Schritte im Umgang mit den Syrien-Flüchtlingen. Wie sollen die denn aussehen?

Rudolph: Wir fordern, dass es auf jeden Fall eine größere Anzahl an Menschen gibt, die nach Deutschland kommen können. Im Moment sind es 5000 syrische Flüchtlinge, die einreisen können. Das ist im Vergleich zu den anderen EU-Ländern viel, aber im Vergleich zu den Menschen, die jetzt einen sicheren Fluchtort brauchen, ist es wenig.

domradio.de: Aus der Politik ist ja immer wieder zu hören, aus wirtschaftlichen Gründen schon könne man nicht mehr Syrer aufnehmen. Was entgegnen Sie?

Rudolph: Dass diese Politik es schon lange geschafft hat, viel mehr Menschen aufzunehmen. Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts haben wir im Zusammenhang des Jugoslawien-Krieges über 320 000 Menschen aufgenommen aus Bosnien, die hier eine Unterkunft gefunden haben, Viele auch bei ihren Verwandten. Wir fordern, dass es eine ähnliche Möglichkeit auch jetzt geben kann.

domradio.de: Es geht um die Zahl von 100 000 Flüchtlingen. Aber mit der reinen Anzahl ist es ja nicht getan. Wie kann man denn auch schnell eine Versorgung für die Menschen gewährleisten?

Rudolph: Ja, es ist richtig, dass wir von der Politik fordern, dass es eine Möglichkeit gibt, dass mehr Menschen hier einwandern können für die begrenzte Zeit des Bürgerkrieges. Aber wir fordern auch von unseren Kirchengemeinden und von unserer Kirche selber, dass wir eine Willkommenskultur gestalten, in der Menschen dann ermöglicht wird, in dieser Zeit auch hier in Deutschland zu leben und dass ihnen geholfen wird bei der Unterstützung von Nahrungsmitteln, von anderen Dingen. Die Verwandten sind dazu bereit, aber wir sind bereit, Beratung zu unternehmen, Netzwerke zu schaffen für die Flüchtlinge.

domradio.de: Inwieweit kann man denn die Gemeinden vor Ort in Anspruch nehmen für solche Projekte?

Rudolph: Die Gemeinden haben in der ganzen Zeit Flüchtlingsarbeit gemacht. In der großen Welle der Asylbewerber in den achtziger und neunziger Jahren sind Netzwerke entstanden, die es immer noch gibt und auch schnell wieder zu aktivieren sind. Da geht es darum, dass man Menschen begleitet zu Behörden, dass man Menschen ermöglicht, in Kindergärten unterzukommen, sie auf dem Weg zur Schule begleitet, denen Beratungen gibt, um dann, wenn es zu Ende ist mit dem Bürgerkrieg, ihnen zu helfen, wieder auch zurückzugehen.

domradio.de: Das heißt, Sie sprechen damit jeden einzelnen Christen an, jeden Gläubigen. Das ist eine Sache, die jeden angeht.

Rudolph: Ja, ich denke, der Staat muss und soll Rahmenbedingungen schaffen, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen können für diese Zeit. Die Aufgabe der Kirchengemeinden, aber auch der kirchlichen Institutionen und Organisationen wie den psycho-sozialen Beratungsnetzen, die wir haben, deren Aufgabe wird es dann sein, die Menschen wirklich zu begleiten. Das kann der Staat im Einzelnen nicht tun.

domradio.de: Wäre es dann nicht vielleicht auch an der Zeit, dass die Kirchen gemeinsam die Stimme erheben und für die Flüchtlinge kämpfen?

Rudolph: Das hat die Evangelische Kirche in Deutschland auf ihrer Synode im November auch getan, als sie hier in Düsseldorf tagte und eine entsprechende Forderung auch an die Politik gerichtet. Und auch eine Einladung an die Kirchengemeinden, eine solche Atmosphäre der Willkommenskultur zu gestalten. Wenn es Proteste gibt gegen Flüchtlinge, die hier nach Deutschland kommen, dann sind das ja manchmal auch Menschen, die unseren Kirchengemeinden angehören. Und wir bitten sie und laden sie ein, die Not dieser Menschen zu sehen wie Jesus Christus uns selbst eben auch aufgefordert hat, den Flüchtlingen in den eigenen Mauern wirklich Raum und Zuflucht zu gewähren.

Das Gespräch führte Matthias Friebe.


Zukunft in Deutschland (dpa)
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Quelle:
DR