Die deutsche Missionarin Karoline Mayer drei Monate nach dem Beben in Chile

"Wir brauchen sehr viel Hilfe"

Anfang März wandte sich Schwester Karoline Mayer mit einem Spendenaufruf an domradio.de. Die deutsche Missionarin bat um Hilfe für die Opfer des Erdbebens in ihrer Wahlheimat Chile wenige Tage zuvor. Gegenüber domradio.de bedankt sie sich nun für große Solidarität - berichtet aber auch von andauernder Not angesichts des einbrechenden Winters.

 (DR)

domradio.de: Hier bei uns sind diese Beben aus den Medien schon fast wieder verschwunden. Wie sieht es in Ihrer Wahlheimat im Moment aus?
Mayer: In den Gebieten, die am schlimmsten von den Erdbeben betroffen sind, sieht es ganz schrecklich aus. Das hat es mir meine Zusage zum Ökumenischen Kirchentag auch so schwer gemacht. Jetzt wegzugehen von Chile war für mich sehr schwer, weil wir mitten in der Arbeit stecken, den Menschen, die alles verloren haben, beizustehen. Denn das Erdbeben hat die Allerärmsten getroffen, die zum Teil alles verloren haben, was sie hatten. Es erinnert fast an das zerbombte Deutschland, das ich noch selber in Erinnerung habe.

domradio.de: Wie haben Sie das Erdbeben selbst erlebt?
Mayer: Der 27. Februar bleibt mir unvergesslich: Es war halb vier am Morgen, ich war gerade ins Bett gegangen nach langer Arbeit, ich hatte noch ein Totengebet in einer Familie, da fing es an zu beben. Zunächst bin ich aus Sorge um meine Mitschwester im Haus gleich aus dem Bett gesprungen. Sie kam in dem Moment auch schon, das Beben war in wenigen Sekunden sehr heftig geworden. Es war bereits mein drittes Erdbeben in Chile, deshalb wusste ich, wie man sich schützt: unter dem Türrahmen. Dort standen wir, haben uns umarmt und zu Gott gebetet für die Menschen um uns herum. Das Beben war von einem schrecklichen Geräusch begleitet, anders als sonst bellten keine Hunde. In dem Moment standen Mensch und Natur offenbar so unter Schock. Erst als das Beben aufhörte, fing das Geschrei der Menschen an. Ein fürchterliches Geschrei. Wir leben ja sehr eng beieinander. Da fingen auch die Hunde an zu bellen. Die erste Sorge war: Wie kann man den Menschen, die betroffen sind, helfen? Licht und Wasser fielen in den Minuten danach aus. In meinem Viertel war zum Glück nichts Dramatisches passiert, außer einigen Verletzungen. Alle Menschen waren auf der Straße. Dort lagen Lichtmasten aus Beton und die zusammengefallenen Wände einer Werkstatt, die sämtliche Autos erdrückt hatten.
Ich bin dann zu unseren Jugendlichen gegangen, den Deutschen, die freiwillig mit uns im Armenviertel leben und arbeiten. Auf dem Weg habe ich mit den Menschen auf den Straßen geredet. Unglaublich und erschütternd: Die Menschen haben sich bedankt, noch am Leben zu sein.

domradio.de: Sie bzw. ihre Organisation hat ja selber am Rande der Stadt ganz viele Häuser gebaut, Kindergärten, Jugendzentren, Wohnräume für Obdachlose - ist davon auch etwas zerstört worden?
Mayer: Als ich meine Arbeit in Chile begann, hatten wir hauptsächlich Holzhütten gebaut, relativ sichere Holzhütten. In den letzten Jahren, in denen wir mehr Hilfe erhielten, konnten wir sehr viele weitere Gebäude bauen - Gesundheitsstation und Kindertagesstätten - und zwar erdbebensicher. Mit Ausnahme von kleineren Schäden haben die sich dann jetzt auch als sicher erwiesen. Unser Schaden lag bei 5.000 Euro.  Das ist gar nichts im Vergleich dazu, wie das Beben die Menschen 100 Kilometer weiter südlich getroffen hat.

domradio.de: Was wird am Nötigsten gebraucht?
Mayer: Das Gebet! Damit die Menschen auch wirklich die Unterstützung spüren. Die Menschen in den betroffenen Gebieten freuen sich, wenn man sie besuchen geht, wenn man ihnen Mut zuspricht. Aber damit werden sie nicht überleben. Sie leben zu großen Teilen heute noch in Zelten. Und der Winter ist schon da. Mit fast null Grad in der Nacht und Regen in Lehmhütten! Eine ganz schwierige Situation. Viele Dörfer sind noch immer ganz schlecht mit Strom und Wasser versorgt. Da braucht man kräftigen Einsatz. Wir bauen jetzt Holzhäuser für diese Menschen.
Wir brauchen sehr viel Hilfe. Und wir haben bereits sehr viel Solidarität aus Deutschland erhalten. Noch bevor ich mich melden konnte, kam schon Hilfe an. Davon war ich erstaunt und erschüttert. Ein selbstverständlicher Beistand der Liebe für die betroffenen Menschen.  

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.