Die christlichen Symbole bei Astrid Lindgren

"Eine wunderbare Welt nach dem Tod"

Vor 20 Jahren starb die schwedischen Kinderbuchautorin Astrid Lindgren. Obwohl sie sich selbst nie als gläubig bezeichnet hat, enthalten ihre Geschichten zahlreiche christliche Symbole und Motive.

Astrid Lindgren / © Jörg Schmitt (dpa)
Astrid Lindgren / © Jörg Schmitt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Generell hatte Astrid Lindgren eher ein kritisches Verhältnis zur Kirche, oder?

Judith Rosen (Historikerin): Ja, zumindest war das ambivalent. Sie hatte einen starken Kinderglauben. Sie ist von ihren Eltern religiös erzogen worden, die sehr fromm waren. Sie musste immer zur Sonntagsschule in die Messe gehen. Den Kinderglauben konnte sie aber nicht eins zu eins in ihr Erwachsenenleben retten.

Wenn man ihre Interviews liest, ihre seltenen Äußerungen zur Religion, kann man fast sagen, sie hätte gerne geglaubt, aber sie tat sich sehr schwer damit. Sie hat sich nur als Agnostikerin bezeichnet, wobei das ein eher religionsoffener Agnostizismus war. Sie hat wohl auch in schwierigen Situationen gebetet. Aber ich glaube diesen letzten Schritt in das Abenteuer Glauben hinein hat sie sich selbst nicht zugestanden.

DOMRADIO.DE: Lindgren hat in ihren Kinderbüchern viele wichtige Themen angesprochen, zum Beispiel das Thema Tod. Wie hat sie das in ihren Büchern aufgearbeitet?

Rosen: Sie war die erste Kinderbuchautorin, die vor diesem Tabu nicht zurückgeschreckt ist. Ihr war es immer wichtig, die Kinder zu ermutigen, sich stark für das Leben zu machen und aus dem Schatz ihrer Kindheit zu schöpfen. Natürlich ist der Tod und das Sterben durchaus ein Thema unter Kindern. Das hat sie aufgegriffen und in eine Märchen- und Sagenwelt übertragen.

Das sieht man in dem Buch "Die Brüder Löwenherz". Darin stirbt der jüngere Bruder, und er hat Angst vor dem Tod. Sein älterer Bruder nimmt die Angst auf. Er nimmt sie ernst und tröstet ihn. Dann rettet der ältere Bruder den kleinen Bruder bei einem Brand und springt sozusagen mit ihm in den Tod. Der Jüngere überlebt und erinnert sich immer an seinen Bruder, der ihm erzählt hat, dass es eine wunderbare Welt nach dem Tod gibt, in die er dann gehen wird. Das passiert dann auch.

Die Autorin hat die kindliche Fantasiewelt aufgegriffen und versucht, den Kindern eine Perspektive zu bieten. Sie wollte im Grunde genommen den Glauben an ein Leben nach dem Tod stärken. Das hat sie aber nicht unbedingt christlich besetzt, sondern sie hat den Kindern und natürlich auch den Eltern die Freiheit gelassen, wie sie sich ihren Glauben auswählen. Ihr war wichtig, dass man überhaupt glauben kann.

Das ist diese Ambivalenz bei ihr. Die betende Astrid Lindgren und dann die Astrid Lindgren, die Gott wieder in die Ecke stellt - im Grunde genommen ein sehr moderner Mensch. Ich glaube, dass sich viele in ihr wiederfinden.

DOMRADIO.DE: Astrid Lindgren hat sich selbst nie als gläubig bezeichnet, hat aber einige christliche Elemente und Symbole in ihren Geschichten untergebracht. Welche zum Beispiel?

Rosen: Wenn Sie in "Pippi Langstrumpf" hineinschauen. Da erzählt Pippi ganz zu Anfang, dass ihre Mutter tot ist und sie aber zum Himmel guckt. Da sieht sie ihre Mutter, die durch ein Loch im Himmel auf sie herab schaut und vergewissert sich, ob ihre kleine Tochter zurecht kommt.

Inneneinrichtung im Junibacken-Kindermuseum. Das Museum widmet sich der schwedischen Kinderliteratur, insbesondere der von Astrid Lindgren. / © photoblag (shutterstock)
Inneneinrichtung im Junibacken-Kindermuseum. Das Museum widmet sich der schwedischen Kinderliteratur, insbesondere der von Astrid Lindgren. / © photoblag ( shutterstock )

Es kommen also Elemente wie das Jenseits vor, aber auch die Vorstellung einer Erlösung taucht auf. Man hat Pippi einmal mit Jesus verglichen, zumindest mit einer Erlösergestalt.

Die Schauspielerin Inger Nilsson im Film von 1968 als Pippi Langstrumpf / © epa Pressensbild/epa Scanpix Sweden (dpa)
Die Schauspielerin Inger Nilsson im Film von 1968 als Pippi Langstrumpf / © epa Pressensbild/epa Scanpix Sweden ( dpa )

Erlösung kommt immer wieder in ihren Büchern vor. So auch bei den Brüdern Löwenherz, die in diese wunderbare jenseitige Welt wechseln, in der es Abenteuer gibt. Dann wechseln sie nochmal an einen anderen Ort, wo sie dann endgültig bleiben. Das sind Vorstellungen eines Paradieses, die nicht unbedingt mit den christlichen Symbolen beschrieben werden.

Astrid Lindgren hatte selbst ein schweres Schicksal. Sie hat liebe Menschen verloren, sehr früh auch ihren Mann. Das Thema Tod und Sterben war daher sehr präsent bei ihr.

DOMRADIO.DE: Geschichten wie "Pippi Langstrumpf" und "Ronja Räubertochter" sind echte Klassiker. Warum, glauben Sie, werden die Bücher auch in Zukunft noch erfolgreich sein?

Rosen: Ich denke, das hängt mit den immerwährenden Themen zusammen. Tod und Sterben wird jede Generation beschäftigen. Außerdem hängt es mit Lindgrens Sprache zusammen. Es ist eine sehr schlichte, zugleich aber auch sehr metaphorische und modernde Sprache. Sie bleibt klassisch, weil sie sich auf viele Generationen übertragen lässt. Sie verwendet eine Sprache, die nicht mit aktuellen Bildern arbeitet, sondern schafft eine Welt, die die Zeiten überdauert.

Das Interview führte Michelle Olion

Katholische Kirche in Schweden

Das Bistum Stockholm umfasst ganz Schweden. Auf einer Fläche von 450.000 qkm wohnen über 9,7 Millionen Einwohner. 110.000 von ihnen sind katholisch (knapp 1,1 Prozent). Ca. 80 Prozent von ihnen sind Einwanderer aus mehr als 90 verschiedenen Nationen. 161 Priester sind für sie in 44 Pfarreien seelsorglich tätig.

Bischof ist seit 1998 als erster Schwede der im Schweizer Tessin von schwedischen Eltern 1949 geborene Karmelitermönch Anders Arborelius, der mit 20 Jahren zum katholischen Glauben konvertiert war. Im Jahr 2017 wurde er zum Kardinal ernannt.

Schwedens Flagge / © akedesign (shutterstock)
Quelle:
DR