Vor 75 Jahren erschien Astrid Lindgrens "Pippi Langstrumpf"

Jubiläum in der Villa Kunterbunt

Eines hatte Astrid Lindgren schon als Teenager beschlossen: "Niemals würde ich ein Buch schreiben". Dass sie mit "Pippi Langstrumpf" einen Kinderbuchklassiker verfasste, verdankt sich nicht zuletzt einem Schneeunfall.

Autor/in:
Inga Kilian
Inneneinrichtung im Junibacken-Kindermuseum. Das Museum widmet sich der schwedischen Kinderliteratur, insbesondere der von Astrid Lindgren. / © photoblag (shutterstock)
Inneneinrichtung im Junibacken-Kindermuseum. Das Museum widmet sich der schwedischen Kinderliteratur, insbesondere der von Astrid Lindgren. / © photoblag ( shutterstock )

Ein krankes Kind und eine Mutter mit blühender Fantasie - dieser Kombination verdankt die Welt die kunterbunten Geschichten über Pippi Langstrumpf. Vor 75 Jahren, am 26. November 1945, erschien in Stockholm Astrid Lindgrens Buch über das Mädchen mit den roten Zöpfen, das mit Äffchen, Pferd und einem Koffer voller Gold in der Villa Kunterbunt lebt.

Eigentlich, so erinnert sich Astrid Lindgren in ihrer Autobiografie "Das entschwundene Land", habe sie nie Bücher schreiben wollen. Schon in ihrer Schulzeit sei ihr eine Schriftstellerkarriere prophezeit worden. "Das entsetzte mich derart, dass ich einen förmlichen Beschluss fasste: Niemals würde ich ein Buch schreiben. [...] ich hielt mich nicht für berufen, den Bücherstapel noch höher anwachsen zu lassen."

Begeisterung für Lindgrens Geschichten

Doch dann, im Winter 1941, lag Tochter Karin krank im Bett. "Erzähl mir was von Pippi Langstrumpf", forderte sie ihre Mutter auf. Die ließ sich nicht lange bitten und erfand spontan das Mädchen mit den Superkräften. Neugierig, frech, Autoritäten ignorierend, geradezu anarchisch - Pippi war alles andere als normal. Karin war begeistert, ebenso ihre Freundinnen, die von nun an gemeinsam den wilden Geschichten lauschten.

Möglicherweise wäre es bei den Erzählstunden geblieben, wenn Astrid Lindgren nicht einige Jahre später, im Winter 1944, selbst hätte das Bett hüten müssen. Da war "dieser Schnee, der die Straßen glitschig wie Schmierseife machte. Ich fiel hin, verstauchte mir den Fuß, musste liegen und hatte nichts zu tun. Was tut man da? Schreibt vielleicht ein Buch? Ich schrieb Pippi Langstrumpf." Das Manuskript sollte ein Geschenk zu Karins zehntem Geburtstag am 21. Mai 1944 werden.

Ur-Pippi frecher und ungepasster

Die Ur-Pippi, die deutlich frecher und unangepasster daherkam als die schließlich veröffentlichte, sei keine Schablone für kinderpsychologische oder pädagogische Ansichten gewesen - "eher eine fröhliche Pazifistin, deren Antwort auf die Brutalität und Bosheit des herrschenden Zweiten Weltkriegs Güte, Großzügigkeit und gute Laune war", schreibt Autor Jens Andersen in seiner
Lindgren-Biografie.

Im April 1944 reichte Lindgren das Pippi-Manuskript beim schwedischen Verlag Bonnier ein. In ihrem Begleitschreiben skizzierte sie Pippi als "kleinen Übermenschen in Kindergestalt". Dank ihrer übernatürlichen Kräfte sei Pippi vollkommen unabhängig von Erwachsenen und lebe ihr Leben so, wie es ihr gefalle, schrieb Lindgren. Ihr Brief endet mit der humorvoll formulierten Hoffnung, dass der Verlag schon nicht das Jugendamt alarmieren werde. Im September erhielt sie die Absage.

In den folgenden Monaten haderte Lindgren damit; dann, im Sommer 1945, reichte sie ein überarbeitetes und geglättetes Pippi-Manuskript für einen Kinderbuchwettbewerb des Stockholmer Verlags Raben & Sjörgen ein, bei dem bereits ihr Mädchenbuch "Britt-Mari erleichtert ihr Herz" erschienen war. Sie gewann.

Zweite Version wurde zum Welterfolg

Im November 1945 erschien "Pippi Langstrumpf" und wurde zu einem Riesenerfolg. Zunächst gab es aber auch harte Kritik. Pippi sei ein schlechtes Vorbild für Kinder, die Sprache teilweise vulgär, hieß es.
Der schwedische Literaturkritiker und Pädagogik- und Psychologie-Professor John Landquist schrieb in "Aftonbladet", kein "normales Kind isst eine ganze Sahnetorte auf oder geht barfuß auf Zucker. Beides erinnert an die Fantasie eines Irren." Lindgren sei untalentiert und unkultiviert, Pippi unnormal und krankhaft. Das Buch erscheine ihm wie "etwas Unangenehmes, das an der Seele kratzt".

Das tat dem Erfolg keinen Abbruch. Bis heute wurde das Buch in 77 Sprachen übersetzt und weltweit rund 66 Millionen Mal verkauft. Auch die Verfilmungen waren ein großer Erfolg. 75 Jahre nach ihrer Geburt ist Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf für eine ganze Generation eine Kindheitsheldin. Für Astrid Lindgren war sie der Beginn einer großen Karriere. "Ich wollte nicht Bücher schreiben", sagte sie in einem Zeitungsinterview. "Aber als ich angefangen hatte, war es schwer aufzuhören."

 

Quelle:
KNA