Botschaften der Bischöfe zur Corona-Pandemie

Die Chancen der schweren Zeit

An diesem Wochenende feierten viele Bischöfe die ersten Gottesdienste ohne die Gemeinde. Sie machen Mut zur Mitfeier von digitalen Messfeiern und sehen in der derzeitigen Krise auch neue Aufbrüche für die Kirche.

Licht fällt auf ein Kreuz / © thanasus (shutterstock)

Die Corona-Pandemie ist nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx keine Strafe Gottes. Diese Interpretation würde "zu einem sehr schwierigen und negativen Gottesbild" führen, sagte Marx in einem Interview mit dem "Münchner Merkur" (Wochenende). Die Botschaft Jesu sei, dass Gott die Menschen liebe und annehme.

Kardinal Marx: Ein tiefer Einschnitt für das kirchliche Leben

Die Entscheidung, das kirchliche Leben herunterzufahren, sei ihm "sehr schwer" gefallen, räumte der Erzbischof ein. "So viel ich weiß, können wir erstmals in der Geschichte der Kirche keine öffentlichen Gottesdienste mehr anbieten. Das ist ein tiefer Einschnitt, weil die sonntägliche Messfeier für uns das Zentrum des kirchlichen Lebens ist." Es sei aber richtig, an dieser Stelle Verantwortung für die gesamte Gesellschaft zu übernehmen. "Wir sind nicht nur für uns selbst da." Gleichwohl könne er sich das Osterfest ohne öffentliche Gottesdienste "nur schwer vorstellen". Es bleibe der Glaube, dass Christus stärker sei als der Tod. Diesen gelte es weiter zu bezeugen.

Zu den staatlich verfügten Ausgangsbeschränkungen sagte Marx, er habe "ein grundsätzliches Vertrauen in die politisch Verantwortlichen". Er gehe davon aus, dass sich die Regierung bemühe, die Schwächsten zu schützen und besonnen zu handeln. "Ich unterstütze den Appell an den Einzelnen, sich auf das Notwendigste zu beschränken und sich im Interesse aller zu verhalten."

Er selbst erlebe im Augenblick kaum Einschränkungen, sagte der Kardinal. "Der Termindruck ist weg, die Dienstreisen fallen aus." Er habe jetzt mehr Zeit zum Beten, besonders für alle Kranken, Alten und ihre Angehörigen sowie für alle, "die jetzt einen unverzichtbaren Dienst tun für die ganze Gesellschaft".

Kardinal Woelki: "Wir dürfen uns auf Ostern freuen"

In seinem Wort des Bischofs hat der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki den Gläubigen sein Gebet versichert. Im Anblick des beginnenden Frühling sei es besonders schwer zu glauben, dass Ostern komme. "Wir dürfen uns schon jetzt auf Ostern freuen", unterstreicht Woelki. "Weltweit Sorge, Not und Elend. Und doch dürfen wir auf einen vertrauen, der fähig ist, all unsere Tränen zu trocknen. Der da sagt, ich mache alles neu! Wir Christen, wir feiern heute überall auf der Welt den Sonntag Laetare. Die Hälfte der österlichen Bußzeit ist bereits vorbei."

Ebenso schrieb der Kölner Erzbischof einen Brief an diesem Wochenende einen Brief an die Gläubigen des Erzbistums Köln. In der Debatte über Online-Gottesdienste und "Geistermessen" ermutigte Kardinal Woelki zur Mitfeier bei Gottesdienstübertragungen. "Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Lösungen", schrieb Woelki als Reaktion auf die vielen Anfragen, die ihn erreicht hätten. 

"Wer hätte gedacht, dass es jemals so weit kommt, dass wir alle öffentlichen Gottesdienste einstellen müssen?". Jetzt aber sei die Kirche dazu gezwungen - "nicht nur wegen der staatlichen Anordnung, sondern vor allem aus Nächstenliebe". Wörtlich schrieb er weiter: "Wir können nicht die Nähe Gottes in unserer Liturgie suchen und gleichzeitig durch die Nähe zu unseren Mitmenschen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen."

Bischof Overbeck: Zeichen der Solidarität von großer Bedeutung

Der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck lobt die vielen Zeichen von Solidarität in der Corona-Krise. In einem am Sonntag auf der Internetseite des Bistums Essen veröffentlichten Video erinnerte er an Jugendliche, die für Alte einkaufen und an Menschen, die anderen Bücher bringen. Er hob die Arbeit von Supermarktkassierern, Ärzten und Pflegern hervor und gedachte der Kranken. "Für all diese sind Zeichen der Solidarität wirklich von großer Bedeutung", sagte Overbeck. Auch Beten verbinde, selbst wenn die Menschen es jetzt nicht gemeinsam tun könnten.

 

Erzbischof Burger: Zuversicht statt Resignation

Unterdessen hat der Freiburger Erzbischof Stephan Burger am Sonntag im Freiburger Münster erstmals einen Gottesdienst unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefeiert. Die Messe wurde live im Internet übertragen.

Burger sprach von einer sehr schwierigen Situation und rief zu umfassender Solidarität auf, um alle besonders gefährdeten Menschen zu schützen. "Wir alle können nun zeigen, dass wir zusammenhalten, dass wir füreinander da sind trotz gebotener Distanz." Statt Resignation brauche es nun Zeichen der Zuversicht, so der Bischof. Dann werde das Verbindende einer "über alle Grenzen gehenden Solidarität" und auch die Gemeinschaft des christlichen Glaubens neu spürbar.

Burger betonte, die Ausbreitung des Coronavirus über alle Grenzen hinweg zeige, dass die Zeit nationaler Alleingänge vorbei sei. "Denkhaltungen wie 'Ich oder mein Land zuerst' haben sich als illusorisch, wenn nicht sogar als gefährlich erwiesen", sagte der Bischof. Jede und jeder einzelne sei nun gefordert, das eigene Handeln zu überprüfen und Egoismus zugunsten solidarischen Verhaltens zu überwinden. "Wie wir als gesamte Gesellschaft diese Krise durchleben, wird auch unsere Zukunft prägen."

Eindringlich mahnte Burger, der auch Caritas- und Misereor-Bischof ist, zu internationaler Solidarität. In der aktuellen Corona-Krise dürften die unter Krieg, Armut und Hunger leidenden Menschen weltweit nicht vergessen werden. Er erinnerte etwa an die Not der Bevölkerung in Syrien und in Libanon. Weil nach der Absage aller Gottesdienste nun auch alle Spendensammlungen entfallen, rief Burger zu direkten Spenden auf.

Ernannter Bischof Meier: Corona zwingt uns zur Katakombenkirche

Bertram Meier (59), ernannter Bischof von Augsburg, sieht die Christen durch die Pandemie in ihre Anfangszeit zurückgeworfen. Das Corona-Virus "zwingt uns zur Katakombenkirche", sagte Meier am Sonntag. "Die ersten Christen hatten keine eigenen Immobilien für Gott, sie stellten ihre Häuser ihm und ihren Schwestern und Brüdern zur Verfügung. Der Geistliche lud die Gläubigen ein, diese Tradition wiederzubeleben. "Entdecken Sie Ihre Häuser und Wohnungen als Kirchen, als Räume, wo sie mit Gott ins Gespräch kommen können." Hauskirchen seien das, was jetzt wieder gebraucht werde.

"Die Corona-Krise schickt uns auf eine Suchexpedition nach dem Willen Gottes. Da bin ich mir sicher - für mich persönlich, aber auch für die Kirche", sagte Meier. "Spüren wir nach, welche Konsequenzen diese Erschütterung für das kirchliche Leben in den Gemeinden und Klöstern haben könnte."

Der ernannte Bischof erinnerte in diesem Zusammenhang an den Lebensweg der heiligen Edith Stein (1891-1942), die sich als geborene Jüdin "bewusst den Glauben abgewöhnt hat". Nachdenklich geworden sei die "selbst ernannte Atheistin" durch ihre Erlebnisse in einem Lazarett, wo Tausende Soldaten an Flecktyphus, Ruhr und Cholera gestorben seien. Allmählich habe sie sich von dort aus in das Geheimnis des Christentums hineingetastet, bis zu ihrem gewaltsamen Tod im Vernichtungslager Auschwitz.

Jetzt gehe es nicht um Glaubenssätze und Moralvorschriften, nicht um Rechtgläubigkeit, sondern um eine Haltung, die sich im Dienst am Nächsten bewähren müsse, betonte Meier. Der Augsburger Domdekan hätte eigentlich am Samstag zum Bischof geweiht werden sollen. Der Termin wurde für unbestimmte Zeit verschoben.

Begrenzte Möglichkeiten werden bewusst

Berlins Erzbischof Heiner Koch betonte, die Krise mache allen bewusst, "dass unsere Möglichkeiten begrenzt sind und dass uns Grenzen gesetzt sind". Zugleich bat er darum, sich vor allem um die Alten und Kranken zu kümmern.

Im ZDF wies der Mainzer Weihbischof Udo Bentz darauf hin, dass die Kirche neue Wege suche, trotz allem den Menschen nah zu sein - "Nähe auf Distanz sozusagen". Es gebe etwa neue Chaträume für die Seelsorge, alternative Gottesdienstformen und andere kreative Neuerungen. Aber auch das Telefon erlebe eine Renaissance für den direkten Kontakt mit den Priestern.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte, das Coronavirus habe "unser Leben in so kurzer Zeit so radikal verändert, dass die Seele kaum nachzukommen weiß". Umso wichtiger sei der Glaube an die Zusage Jesu: "Was immer geschieht, du wirst nicht ins Bodenlose fallen."

Vielleicht könne die Krise sogar zu einer "Revolution der Empathie und Achtsamkeit" führen, so der Landesbischof: "Menschen, die Mitgefühl zeigen, die füreinander sorgen, die zusammenhalten, die sich auf das besinnen, was wirklich wichtig ist. Menschen, die auch jetzt keinen Unterschied machen zwischen Geflüchteten und Einheimischen."


Kardinal Marx predigt / © Arnold (dpa)
Kardinal Marx predigt / © Arnold ( dpa )

Rainer Maria Kardinal Woelki  / © Beatrice Tomasetti (DR)
Rainer Maria Kardinal Woelki / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen / © Lars Berg (KNA)
Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen / © Lars Berg ( KNA )

Erzbischof Stephan Burger / © Ralf Oppmann (Radio Horeb)
Erzbischof Stephan Burger / © Ralf Oppmann ( Radio Horeb )

Bertram Meier / © Harald Oppitz (KNA)
Bertram Meier / © Harald Oppitz ( KNA )

Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse ( KNA )

Udo Markus Bentz, Weihbischof in Mainz / © Harald Oppitz (KNA)
Udo Markus Bentz, Weihbischof in Mainz / © Harald Oppitz ( KNA )

Heinrich Bedford-Strohm / © Harald Oppitz (KNA)
Heinrich Bedford-Strohm / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA