Die Bischöfe, das Geld und die Zukunft: Führung (2)

Ermöglichen und Motivieren

Welche Lehren kann Kirche aus der Causa Limburg ziehen? In Teil 2 von "Die Bischöfe, das Geld und die Zukunft" geht es um gutes Leitungspersonal. Der Soziologe Andreas Amann schult Priester mit Führungsaufgaben.

Führen (KNA)
Führen / ( KNA )

domradio.de: Welche Priester kommen zu Ihnen und lassen sich in den Seminaren beraten und anleiten?

Andreas Amann (Soziologe und Organisationsberater): Meistens sind das Pfarrer, die in ihrer Ausbildung gelernt haben, eine Pfarrei zu leiten, und jetzt vor der Aufgabe stehen, plötzlich einen Pfarrverband zu leiten mit bis zu fünf Pfarreien, mit vielen Pfarrgemeinderäten und einem Pfarrverbandsrat. Sie sagen dann: Mit den üblichen Bordmitteln, die wir in der Ausbildung mitbekommen haben, kann ich das gar nicht kompetent leiten, da bin ich richtig überfordert. Und die suchen sich dann – auch auf Anraten des Ordinariats in München beispielsweise, wo ich das anbiete – Unterstützung und bekommen zusammen mit anderen Kollegen das Angebot: 12 Tage in einem Jahr, an denen sie zusammen mit anderen genau diese Führungsfunktion reflektieren können und Antworten auf die Fragen finden, die bei der Bildung eines Pfarrverbands einfach anstehen.

domradio.de: Welche Herausforderungen sind es, denen sich die Priester gegenüber gestellt sehen?

Amann: Ich versuche einmal, es auf drei Punkte zu bringen: Das eine ist, dass sie immer mehr damit konfrontiert sind, nicht mehr Seelsorge allein machen zu können, also nicht mehr als Seelsorger direkt vor Ort zu sein, sondern vielmehr Ermöglicher von Seelsorge zu sein und dafür zu sorgen, dass kompetente pastorale Mitarbeiter oder auch Ehrenamtliche immer mehr die Tätigkeiten ausüben, die sie früher selbst gemacht haben. Das verändert natürlich den Fokus, weil sie dann sagen: Ich muss mich ein Stück zurückziehen und muss mehr meine pastoralen Mitarbeiter entwickeln, schulen, einführen und auch begleiten. Das ist für viele schon eine große Herausforderung, weil sie ein Stück weit in eine Identitätskrise geraten und sagen: Angetreten bin ich unter anderen Voraussetzungen. Die zweite Herausforderung, die ich sehe, liegt darin, dass sie immer mehr Veränderungsprozesse gestalten müssen, weil ein solches Zusammenwachsen von fünf Pfarreien, zum Beispiel auf dem Land, gar nicht so einfach ist: Da geht es ja richtig um, neudeutsch würde man sagen: Merger- und Fusionsprozesse (Firmenzusammenschlüsse, Anm. d. Red.), die ganz viel mit Kulturen zu tun haben, die da aufeinandertreffen, mit gewachsenen Strukturen, die sich plötzlich verändern müssen.  Also die zweite Herausforderung ist, viel mehr in solche Veränderungsprozesse einzusteigen und sie zu begleiten. Und das dritte finde ich fast das Allerwichtigste, dass sie in alldem, was ihnen führungsmäßig oder führungstechnisch bevorsteht, die Sorge um sich selbst nicht verlieren, diese "cura sui", dass sie sagen: In alldem brauche ich auch ein Bild davon, dass ich eigentlich angetreten bin als spiritueller Mensch, und dass ich darauf schaue, dass meine Werte und auch meine Geistlichkeit in all diesen Verwaltungstätigkeiten nicht zerrieben wird.

domradio.de: In wie weit geht es bei diesen neuen Aufgaben um den Führungsstil?

Amann: Zunächst braucht es das Handwerkszeug. Ich muss wissen, wie ich mit Zielen führe, wie ich Strategien entwickle, wie ich pastorale Konzepte entwickle und umsetze. Dann brauche ich auch ein gutes Bild davon, wie ich Dinge und Situationen wahrnehme, wie ich überhaupt die Komplexität wahrnehme, in der ich mich als Leiter eines großen Pfarrverbands wiederfinde. Wer hat zum Beispiel welchen Einfluss, wie muss man diesen und jenen behandeln. Außerdem geht es um die Haltung. Dieses Bild von früher, dass der Pfarrer einfach sagt, was getan wird, und die Räte sind dann nur zum Umsetzen dieser Ideen da, das hat sich sehr verändert. Sie brauchen eine viel kooperativere, viel kollegialere Haltung und ebensolche Werte, um das zu gestalten.

Fähigkeiten, Wahrnehmungen und Haltung – diese drei Dinge spielen beim Führen immer zusammen. Es gibt natürlich auch alte Bilder davon, wie ein Pfarrer zu leiten hat, die werden aber immer obsoleter, immer unwirksamer, weil es ehrenamtliche Helfer braucht. Ehrenamtliche kann man nur über die Motivation führen, also nicht mehr über Gehorsam, sondern immer mehr über Sinn, über Motivation, über Energie und Verantwortung. Das erfordert ein anderes Herangehen an die Menschen.

domradio.de: Da sind wir dann beim Anspruch an die Aufgabe und an den Dienst, an das Amt eines Pfarrers. Spielt da auch die moralische Komponente eine Rolle? Der hohe moralische Anspruch, was ein Pfarrer alles verkörpern muss und was er nicht darf?

Amann: Die Pfarrer stehen natürlich unter ganz besonderem Herausforderungsdruck, wenn es Konflikte gibt. Da erleben wir das ganz oft. Dann sind die anderen ganz schnell dabei zu sagen: Ja, aber Du als Pfarrer darfst Dich doch gar nicht aufregen, Du darfst nicht böse sein. Das ist ein Hemmschuh für die betreffende Person, wenn sie sich sagen muss: Wie soll ich denn führen können, wenn ich in einem Konflikt nicht auch einmal auf den Tisch hauen darf oder auch einmal sagen kann, was ich denke, ohne gleich mit der moralischen Keule eins übergezogen zu bekommen und zu hören: Aber Du als Pfarrer müsstest doch viel mehr im Geiste Jesu führen.

Was ich immer erlebe, ist, dass der Anspruch oder die innere Haltung doch immens hoch ist, also dass die Pfarrer wirklich mit bestem Wissen und Gewissen versuchen, auch im Geiste Jesu zu führen, also wirklich zusagen: Das ist eine spirituelle Tätigkeit und die will ich auch gut ausüben. Es ist ganz selten so, dass wir Leute haben, die eher machiavellistisch versuchen, ihr Ding durchzuziehen, ohne die anderen im Blick zu haben. Es ist eher umgekehrt: Sie bringen ein ganz großes Über-Ich mit, ganz hohe Erwartungen an sich selbst, und das gilt es manchmal herunterzuschrauben und zu sagen: Wenn Sie führen, machen Sie zwangsläufig Fehler. Und die Frage lautet: Wie können Sie mit Fehlern umgehen und auch nach Fehlern weiter mit den Leuten in Kontakt bleiben? Wir mindern deren hohe Ansprüche immer wieder mal ab und sagen: Fehler zu machen, gehört zum Führen dazu, aber auch, danach weiterzumachen!

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR