Was Corona für die Bischofswahl in Chur bedeutet

Die Aussöhnung muss weiter warten

Wegen des Versammlungsverbotes ist derzeit die ersehnte Bischofswahl in Chur nicht möglich. Zudem sind viele stimmberechtigte Domherren im Pensionsalter. Ein 85-Jähriger würde dennoch aus dem Seniorenheim kommen.

Autor/in:
Barbara Ludwig und Alexander Brüggemann
Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt (Bistum Chur) / © Roman Babakin (shutterstock)
Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt (Bistum Chur) / © Roman Babakin ( shutterstock )

Das zerstrittene Bistum Chur wartet sehnlich auf seinen neuen Bischof - sofern es ein Kandidat ist, der die über Jahre entstandenen Gräben zuschütten könnte. Doch auch in diesen langwierigen und heiklen Prozess haut nun die Corona-Krise hinein. Wegen des Versammlungsverbots wäre der Wahlvorgang derzeit nicht durchführbar - bis mindestens 10. Mai. Und das ist nicht das einzige Problem.

Die Risse im Bistum Chur, zu der neben stark ländlichen Kantonen auch die finanzstarken Katholiken der Metropole Zürich gehören, begannen Ende der 80er Jahre unter dem äußerst konservativen heutigen Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas (1988/90-1997), gegen den viele Churer Katholiken Sturm liefen. Haas war - unter Umgehung der Rechte der Diözese - von Papst Johannes Paul II. direkt ernannt worden und stieß durch seine Haltung und Personalentscheidungen das an Mitbestimmung gewöhnte Kirchenvolk vor den Kopf. Nach jahrelangem Zank wurde der heute 71-Jährige 1997 ins extra dafür neu geschaffene Erzbistum Vaduz im Zwergstaat Liechtenstein versetzt.

"Gezielt Demütigung"

Haas' Nachfolger Amedee Grab gelang es als Schlichter, die Wogen zwischen Bischof und Kirchenvolk weitgehend zu glätten. Doch unter seinem konservativen Nachfolger Vitus Huonder brachen viele Konflikte wieder auf. Huonder polarisierte seine Herde. Unzufriedene zogen 2014 sogar an den Sitz des damaligen Bischofskonferenzvorsitzenden, um für eine Absetzung des Bischofs zu demonstrieren.

Doch der blieb - bis Papst Franziskus 2019 den Amtsverzicht des damals 77-Jährigen aus Altersgründen annahm. Zum Übergangsleiter in Chur ernannte er den früheren Bischof von Reykjavik, Pierre Bürcher (74). Auch dieser sogenannte Apostolische Administrator eckte zuletzt an, als er Mitte März den beliebten Urschweizer Generalvikar Martin Kopp (73) absetzte - weil dieser sich angeblich illoyal verhalten und öffentlich zur anstehenden Bischofswahl positioniert habe.

Die Empörung über die fristlose Ablösung war groß. Kopp wäre im Sommer ohnehin in den Ruhestand gegangen. Er sieht sich als Opfer einer "gezielten Demütigung" und einer Intrige der Bistumsleitung - namentlich des Generalvikars Martin Grichting und des Medienbeauftragten Giuseppe Gracia.

Zusammenkunft derzeit unmöglich

Ein wichtiger Player im Wahlprozedere für den neuen Bischof ist das Churer Domkapitel mit maximal 24 Domherren. Die aktuell 23 Kleriker haben die Aufgabe, aus einer vom Vatikan erstellten Liste mit drei Kandidaten den Nachfolger zu wählen. Doch das Versammlungsverbot für mehr als fünf Personen macht die Zusammenkunft derzeit unmöglich. Und selbst nach diesem Datum könnten Schutzmaßnahmen die Wahl gefährden.

14 Domherren sind über 65 Jahren alt und gehören damit der sogenannten Risikogruppe an; 7 sind sogar über 80. Was gilt, wenn sie ihr Heim nicht mehr verlassen dürfen, weil sie unter Quarantäne gestellt werden? Damit die Wahl gültig ist, muss laut Kirchenrecht die Mehrheit der Mitglieder anwesend sein. Es dürften also in Chur nicht mehr als elf Domherren verhindert sein.

Alle Kandidaten seien auf der Linie des Vorgängers

Gäbe es Alternativen zu einer Wahlsitzung mit physischer Anwesenheit? Eine Briefwahl sei weder vom Kirchenrecht noch in den Statuten des Domkapitels vorgesehen, sagte eine gut informierte Quelle dem Portal kath.ch. Eine Wahl im Rahmen einer Videokonferenz hält sie für unmöglich.

Ob die Domherren angesichts des Ansteckungsrisikos zum Versammlungsort reisen würden, ist noch mal eine andere Frage. Franz Stampfli, Jahrgang 1935, lebt in einem Zürcher Seniorenheim - und hat seine Entscheidung schon gefällt: Sicher würde er kommen, sagte er zu kath.ch und verwies auf die Schutzmaßnahmen, die bei einer Wahlsitzung beachtet würden. Voraussetzung für eine Wahl ist natürlich, dass der Vatikan seine Dreierliste vorlegt. Und selbst wann das geschieht, ist weiter unklar.

Immer wieder wurde über mögliche Nachfolger spekuliert. Und immer wieder wurden dabei vier als besonders konservativ geltende Priester genannt, darunter auch Generalvikar Grichting. Alle Kandidaten seien auf der Linie des Vorgängers Huonder, heißt es in den Schweizer Medien fast unisono. Dabei wünschen sich viele im Bistum einen Brückenbauer.


Quelle:
KNA
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