Die 58. Berlinale steht im Zeichen von Pop und Politik

Diesmal steppt der goldene Bär

Eine bessere Vorgruppe konnte sich Dieter Kosslick für sein Festival kaum wünschen. Die Rolling Stones eröffnen am Donnerstagabend die 58. Berlinale. Zur Premiere von "Shine A Light" wollen sie an der Eröffnungsgala im Festspielpalast am Potsdamer Platz teilnehmen. Der Film von US-Starregisseur Martin Scorsese läuft außer Konkurrenz. Er gibt aber in mehrfacher Hinsicht den Takt des diesjährigen Festivals vor: Die Berlinale steht im Zeichen von Pop, Politik und Dokumentationen.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

Unter anderem sind die Rockpoetin Patti Smith, Popstar Madonna und Rocklegende Neil Young mit eigenen Beiträgen dabei. Die Klassik kommt mit einem Film über Sir Simon Rattle und seine Berliner Philharmoniker zum Klingen. Die politischen Beiträge befassen sich hingegen eher mit Dissonanzen. "Tropa de Elite" von Jose Padilha trat bereits in Brasilien eine große Debatte los. Der Thriller handelt vom Einsatz einer brutalen und korrupten Spezialeinheit der Militärpolizei in den Slums von Rio de Janeiro.

An die Menschenrechtsverletzungen im berüchtigten US-Gefängnis Abu Ghraib in Bagdad erinnert der Dokumentarist und Oskar-Preisträger Errol Morris mit "S.O.P. Standard Operating Procedure". Eher historisch, damit aber nicht weniger politisch brisant, dürfte schließlich das jüngste Werk des polnischen Altmeisters Andrzej Wajda werden. Mit "Katyn" bringt er das lange tabuisierte Massaker an Tausenden polnischen Kriegsgefangenen durch den sowjetischen Geheimdienst im Jahr 1940 auf die Leinwand.

Mehrere Beiträge zum Thema Religion
Zu den Schwerpunkten gehört auch das Thema Religion - als kulturelles wie existenzielles Phänomen. Gleich mehrere Beiträge reflektieren die Geschlechterrolle in muslimisch geprägten Gesellschaften. Der deutsche Dokumentarfilm "Football Under Cover" erzählt, wie eine multikulturelle Frauenfußballmannschaft ein Länderspiel mit dem Iran absolviert - nicht immer zur Freude der iranischen Sittenwächterinnen. Unter dem Titel "Jesus liebt Dich" folgt ein weiterer Dokumentarfilm evangelikalen Christen, die während der Fußball-WM in Deutschland Fans missionieren wollten. In "Jesus Christus Erlöser" rekonstruiert Peter Geyer aus Archivmaterial die tumulthafte Evangeliumsinterpretation von Klaus Kinsky in der Berliner Deutschlandhalle aus den Jahr 1971.

Sorge um deutschen Nachwuchs
Neben bemerkenswerten Dokumentararbeiten scheint der deutsche Spielfilm zu schwächeln. Alfred Holighaus, zuständig für die "Perspektive Deutsches Kino», klagt über mangelnde Originalität beim Nachwuchs. In den Wettbewerb gehen diesmal nur zwei deutsche Produktionen. Doris Dörrie folgt in "Kirschblüten - Hanami" dem Schicksal eines Krebskranken (Elmar Wepper), dessen lebenslustige Ehefrau (Hannelore Elsner) plötzlich stirbt. Auf einer Japanreise entdeckt er daraufhin sein Leben völlig neu. Und Luigi Falorni hat mit "Feuerherz" den Bestseller über eine Kindersoldatin in Eritrea adaptiert.

Viel Prominenz auf der Rekord-Berlinale
383 Filme aus 59 Ländern laufen bis 17. Februar auf der Berlinale.
Das ist Rekord. Auch der Promi-Faktor stieg gegenüber dem Vorjahr deutlich. Scarlet Johansson und Natalie Portman kommen zur Vorstellung des Hollywood-Kostümdramas "The Other Boleyn Girl" über das Schicksal der Boleyn-Schwestern unter Heinrich VIII. Ben Kingsley, Penelope Cruz und Dennis Hopper werden zur Vorführung von Isabel Coixets "Elegy" erwartet. Und Daniel Day-Lewis tritt als Öl-Magnat in der Verfilmung von Upton Sinclairs "Oil" auf. Der Streifen ist für acht Oscars nominiert.

Für Kreischkonzerte und Ohnmachtsanfälle könnte aber diesmal nicht Hollywood, sondern Bollywood sorgen. Seit der indische Musical-König Shah Rukh Khan sein Kommen ankündigte, sind die europäischen Fans in Aufruhr - auch wenn "Om Shanti Om" nicht am Wettbewerb um die begehrten Bären teilnimmt.