Diaspora-Aktion 2016: Flüchtlingshilfe für Kinder

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Die Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes 2016 unterstützt zahlreiche Projekte - unter anderem auch in der Flüchtlingshilfe. Eines davon ist sind Jungendhilfezentren, die unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen ein Obdach geben.

Autor/in:
Markus Nowak
Ein familienähnliches Umfeld schaffen / © Markus Nowak (Bonifatiuswerk)
Ein familienähnliches Umfeld schaffen / © Markus Nowak ( Bonifatiuswerk )

"Ich fühle mich wohl hier", sagt Soha Al-Daher und ihr Gesichtsausdruck verwandelt sich in ein Lächeln. Der Satz wäre der heute 16-Jährigen noch vor einiger Zeit nicht über die Lippen gegangen. Vor zwei Jahren musste die Palästinenserin ihre Heimat, den Libanon, verlassen. Alleine, noch als Kind. "Ich durfte bis zur neunten Klasse in der Schule bleiben", erzählt das aufgeweckte Mädchen mit ruhiger Stimme. "Dann wollten meine Eltern, dass ich heirate. Aber ich wollte nicht."Der damals 14-Jährigen wurde bei der Flucht geholfen, sie landete in Berlin. Im Kinder- und Jungendhilfezentrum "Mariaschütz" der Caritas fand sie ein Obdach und ist geblieben.

"Es ist hier mein Zuhause", sagt sie heute über die katholische Einrichtung, die seit über 100 Jahren Kindern und Jugendlichen ohne Eltern oder aus zerrütteten Familien Schutz und ein neues Heim bietet. Erst vor kurzem hat Soha ihre ersten eigenen vier Wände bezogen und lebt im betreuten Einzelwohnen der Caritas-Einrichtung. Kochen, waschen und die gesamten Schulaufgaben muss sie jetzt alleine machen. "Ich muss alles etwas schneller lernen als andere", berichtet Soha. Auch Deutsch musste sie schnell erlernen, um Anschluss zu finden. Das ist gelungen: Wenn sie die zehnte Klasse schafft, will sie das Abitur machen und Krankenschwester werden.

Besondere Fürsorgepflicht

"An Deutschland mag ich, dass ich hier in Freiheit und Sicherheit bin. Ohne Mariaschütz wäre mein Leben nicht gelungen", sagt sie. Solche Worte erfreuen den Einrichtungsleiter Helmut Stumpf. Der Psychologe arbeitet seit 20 Jahren in dem Hilfszentrum und erklärt, das Heim wolle "den Kindern ein familienähnliches Umfeld schaffen." Viele Kinder kommen aus Berliner Familien, in denen Alkohol missbraucht wird oder, die zerrüttet sind. In stationären Gruppen, Wohngemeinschaften oder betreutem Einzelwohnen bereiten sich hier die Kinder und Jugendliche auf den Alltag außerhalb des Heimes vor.

Ein freundliches und familienähnliches Umfeld benötigen insbesondere die minderjährigen, unbeaufsichtigten Flüchtlinge, die auch zu den Bewohnern der katholischen Einrichtung zählen. Denn viele der Kinder und Jugendlichen haben Kriegserlebnisse oder sind durch eine lange Flucht traumatisiert. "Als katholische Einrichtung haben wir daher eine besondere Fürsorgepflicht", sagt der 58-jährige Einrichtungsleiter. Flucht und Vertreibung hat auch Jesus Christus erlebt, der schon als Kind auf der Flucht vor der Willkür des Herrschers Herodes war. "Wir erfüllen hier Dienst am Menschen. Und die jungen Menschen liegen uns besonders am Herzen", sagt der Psychologe.

Bonifatiuswerk unterstützt die Flüchtlingshilfe

Auch das Bonifatiuswerk nimmt junge Flüchtlinge in den Fokus. "Keiner soll alleine glauben. Damit der Glaube Früchte trägt" lautete schon 2015 das Motto der Diasporaaktion. Ob Alphabetisierungskurse für schutzbedürftige Frauen, Willkommenstaschen für Neuankommende oder die Unterstützung einer Unterkunft für Opfer durch Menschenhandel – das Hilfswerk für den Glauben hilft auf vielfältige Weise. Viele der Schutzsuchenden finden Kraft in ihrem Glauben, um den Neuanfang in einem unbekannten Land zu wagen, ist sich Monsignore Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerks, sicher. "Zum Lebensnerv unseres Glaubens zählt, Menschen in Not und auf der Flucht aufzunehmen und beizustehen", sagt Austen.

Sprachkurse, Therapieangebote, ein Zusammenleben in gemischten Wohngruppen und ein buntes Freizeitangebot: Die katholische Einrichtung "Mariaschütz" tut einiges, damit die Erziehung und Integration der Flüchtlingskinder gelingt. Wobei Integration nicht nur eine Einbahnstraße sei, wie Ina König beobachtet. Seit 20 Jahren arbeitet sie als Erzieherin in der Einrichtung und hat die Erfahrung gemacht, dass auch deutsche Kinder etwas von den Flüchtlingen in den Gruppen lernen können: Toleranz.

Kinder lernen von Kindern

"Die Kinder brauchen als Bedürftige unsere Unterstützung", weiß die Erzieherin. Aber durch das Kennenlernen der Flüchtlingsschicksale lernen die Kinder gegenseitige Akzeptanz. "Sie schauen dann seltener auf Äußerlichkeiten, sondern auf die inneren Werte", glaubt Ina König. Die Heimbewohnerin Laide stimmt ihr zu. Obwohl der kleine Raum der 14-Jährigen wie ein typisches Zimmer eines Teenagers aussieht: Die Poster von Popsternchen hängen an den Wänden und auf dem Schreibtisch stehen Fotos von ihr selbst.

Die 14-jährige Laide ist ein ein aufgewecktes Mädchen. Sie träumt davon später Musikerin zu sein: In ihrer Freizeit spielt die Siebtklässlerin Gitarre und singt. Doch an ihre Kindheit erinnert sich Laide nur ungern. "Die Gedanken sind nicht schön", sagt sie und wird traurig. "Meine Erinnerungen sind wie gelöscht." Vor sechs Jahren hat sie ihre Mutter in Sicherheit vor dem Krieg im Heimatland Nigeria nach Deutschland gebracht. Seitdem ist der Kontakt abgebrochen. "Ich habe hier niemanden", sagt das Mädchen. Daher sei "Mariaschütz" ihr Zuhause. Trotzdem freut sie sich auf das Erwachsenwerden. Denn dann will sie Sängerin oder Model werden, wie viele Mädchen in ihrem Alter.

 

Mariaschütz existiert seit über 100 Jahren. / © Markus Nowak (Bonifatiuswerk)
Mariaschütz existiert seit über 100 Jahren. / © Markus Nowak ( Bonifatiuswerk )
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