Diaspora-Aktion 2016: Mit dem Pastoralbus unterwegs

Einfach da sein, Zeit haben, zuhören

Im Rahmen der Diaspora-Aktion 2016 stellen wir Projekte vor, die die Aktion unterstützt. Eines davon ist der Kirchenbus, der durch Diaspora-Gebiete in Ostdeutschland fährt und einen Raum zum gegenseitigen Austausch bietet.  

Autor/in:
Alfred Herrmann
Gemeinsam am Pastoralbus: Dompfarrer Veit Scapan (re.) entwickelte die Idee. Umgesetzt wird sie durch Kerstin Schäfer und Thomas Schubert. / © Alfred Herrmann (Bonifatiuswerk)
Gemeinsam am Pastoralbus: Dompfarrer Veit Scapan (re.) entwickelte die Idee. Umgesetzt wird sie durch Kerstin Schäfer und Thomas Schubert. / © Alfred Herrmann ( Bonifatiuswerk )

Pünktlich um halb elf rollt der weiße Mercedes-Sprinter auf den kleinen Platz vor dem Feuerwehrhaus in Meschwitz. Im Haus gegenüber pflegt ein älterer Herr seinen Vorgarten. Ansonsten wirkt der 180-Seelen-Ort wie ausgestorben. Ein Laden, eine Post, ein Wirtshaus, eine Kirche, all das fehlt in dem kleinen ostsächsischen Dorf. "Wir sind gemeinnützig unterwegs", prangt es in großen Lettern auf den Seiten des weißen Transporters. Auf den Fahrertüren heißt es: "Katholische Dompfarrei St. Petri Bautzen".

Thomas Schubert öffnet die große Schiebetür. Der untere Tritt der kleinen Treppe fährt automatisch aus. Im Fahrzeug klappt Kerstin Schäfer den Einbautisch nach unten und schiebt die Rolltüren der Schränke nach oben. Mehl und Salz, Toilettenpapier und Seife, Kaffee und Tee, Nudeln und Reis kommen zum Vorschein. Sie greift in den Kühlschrank, holt zwei Flaschen Wasser heraus und stellt sie auf den Tisch. Hinten kocht schon das Wasser für den Kaffee. Mit wenigen Handgriffen gestalten Schubert und Schäfer aus einem parkenden Transportbus einen angenehmen Ort der Begegnung. Dann warten die beiden auf "Kundschaft".

Jeder darf kommen

"Zu uns darf jeder kommen, egal ob er etwas einkaufen will oder einfach nur mit jemandem sprechen möchte. Selbst wer nur kommt und eine Tasse Kaffee trinken mag, ist bei uns richtig", erklärt Schubert das Prinzip des Pastoralbusses der Dompfarrei Bautzen. Von Montag bis Freitag fährt er raus auf die Dörfer. Kubschütz, Scheckwitz, Soritz, Meschwitz, Rachlau, Döhlen, Pielitz, Mehlteuer, Grubditz und Binnewitz lauten die Haltepunkte an diesem Mittwoch, insgesamt 36 Kilometer Wegstrecke. Für je eine halbe Stunde öffnet der Kirchenbus an jedem Ort seine Pforten. Die Initiative versteht sich als Gesprächsangebot für Menschen auf dem Land, überall dort, wo es in den Dörfern nichts mehr gibt, was die Einwohner zusammenführt.

"Am Anfang stand für uns die Frage: Wie erreichen wir als Kirche die Menschen in unseren Dörfern?", erzählt Dompfarrer Veit Scapan. "Denn wer an die Dompfarrei Bautzen denkt, denkt meist nur an die Stadt. Dass zu St. Petri auch noch 89 Dörfer zählen, gerät oft in Vergessenheit." Knapp 4.000 Katholiken, rund sechs Prozent der Gesamtbevölkerung, leben in der flächenmäßig größten Pfarrei des Bistums Dresden-Meißen. Die große Mehrheit von ihnen wohnt in Bautzen, wo sich alle vier Gottesdienstorte befinden und sich das Leben der Pfarrgemeinde abspielt. Und so erleben sich katholische Christen insbesondere auf den Dörfern in einer extremen Minderheitensituation.

Unterstützt vom Bonifatiuswerk

Das soll sich jetzt ändern, auch dank des Bonifatiuswerkes, das das Projekt mit Strahlkraft für die gesamte Diaspora Ostdeutschlands unterstützt. Seit April fährt der Pastoralbus über die Dörfer, jeden Tag eine andere Route, 53 Ortschaften und 250 Kilometer pro Woche. Das Team besteht aus einem fest angestellten Fahrer und drei ehrenamtlichen Seelsorge-Mitarbeiterinnen im Rentenalter. "Für uns als Kirche geht es darum, einfach da zu sein, Zeit zu haben, zuzuhören", meint Dompfarrer Scapan. Der Priester denkt an die vielen älteren Dorfbewohner, die, in ihrer Bewegung eingeschränkt, unter der Einsamkeit auf dem Land leiden.

"Wie geht es Ihrem Mann? Wie ist der Arztbesuch verlaufen?"  Kerstin Schäfer steht im Kirchenbus und reicht Magdalena Dürrlich ein Eis. Die 67-Jährige kommt jede Woche an den Pastoralbus, wenn dieser am Dorfteich in Döhlen Halt macht. Schnell entsteht ein Gespräch zwischen Schäfer und Dürrlich. Die beiden fast gleichaltrigen Frauen kennen sich mittlerweile ganz gut. Schäfer weiß um die Probleme und Nöte der Landfrau. Es geht um Krankheiten, die Ärzte in der Umgebung, die anstehende Feier zum 40. Hochzeitstag und Günther Jauch. Döhlen hat gerade einmal 50 Einwohner und Dürrlich keinen Führerschein. Die Katholikin kommt kaum noch in den Sonntagsgottesdienst, den hört sie nur noch im Radio. Der Pastoralbus war seit langen Jahren der erste direkte Kontakt mit Kirche für die Seniorin. "Das ist eine gute Sache", freut sie sich.

Es braucht langen Atem

"Wir brauchen viel Geduld und langen Atem", ist sich Schäfer bewusst. Die Menschen strömen nicht unbedingt zum Kirchenbus. Vielmehr schlägt dem Team Skepsis entgegen. "Die Menschen auf den Dörfern müssen erst Vertrauen zu uns und unserem Angebot aufbauen. Sie müssen spüren, dass wir es ernst meinen und sie sich auf uns verlassen können, dass wir regelmäßig da sind, jede Woche einmal, immer zur selben Zeit, immer am selben Ort."

Zuversicht schöpft sie aus den vielen kleinen Erlebnissen, die sie Woche für Woche verzeichnet. Die Menschen, die zu ihr kommen, erzählen ihre oftmals bewegende Lebensgeschichte. Sie wollen gehört werden. Und dann erleben Schubert und Schäfer sogar kleine Wunder: "Vor kurzem kam in Schlungwitz ein Mann vorbei und machte uns auf einen alten Herrn aufmerksam, der das Haus nicht mehr verlassen kann und Hilfe braucht", erzählt Schäfer. "Den 80-Jährigen besuchen wir nun jede Woche und erledigen Einkäufe für ihn." Fröhlich fügt sie an: "Und auch den Pfarrer haben wir ihm schon vorbeigeschickt."

 

Kerstin Schäfer gemeinsam mit Dompfarrer Veit Scapan im Pastoralbus der Dompfarrei St. Petri. / © Alfred Herrmann (Bonifatiuswerk)
Kerstin Schäfer gemeinsam mit Dompfarrer Veit Scapan im Pastoralbus der Dompfarrei St. Petri. / © Alfred Herrmann ( Bonifatiuswerk )
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