Diakonie-Chef kritisiert Umgang nach sexueller Gewalt

"Zu spät gehandelt"

Anfang des Jahres machte die Forum-Studie zu Missbrauch in evangelischer Kirche und Diakonie Schlagzeilen. Der Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch sagt, was er nun zur Aufarbeitung fordert und richtet einen Appell an Betroffene.

Studie zu Missbrauch in evangelischer Kirche / © Julian Stratenschulte (dpa)
Studie zu Missbrauch in evangelischer Kirche / © Julian Stratenschulte ( dpa )

Die evangelische Kirche und die Diakonie haben mit Blick auf sexuelle Gewalt und entsprechende Schutzkonzepte nach Worten von Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch zu spät gehandelt. "Die katholische Kirche ist da weiter und evaluiert bestehende Schutzkonzepte auf ihre Wirksamkeit. Auch das steht bei uns an. Wir sind am Anfang eines langen Prozesses, auch bei der Aufarbeitung erlittenen Unrechts", sagte Schuch im Interview der "Welt" (Sonntag, online).

 © Wilfried Meyer (epd)
© Wilfried Meyer ( epd )

Für Kinder- und Jugendeinrichtungen seien Schutzkonzepte gesetzlich vorgeschrieben, ohne diese bekomme man keine Betriebserlaubnis, erklärte der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. "Aber sie müssen gelebt und umgesetzt werden: Wir müssen Betroffene ermutigen, sich früh zu melden, und müssen bei Verdachtsfällen sofort aktiv werden. Zudem brauchen wir Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt flächendeckend auch in allen anderen Bereichen, von der Eingliederungshilfe über die Altenhilfe bis zur Schuldnerberatung."

Umgang nach der Studie

Die Ende Januar vorgestellte Forum-Studie zu sexuellem Missbrauch hatte mindestens 1.259 mutmaßliche Täter und 2.225 Betroffene in den 20 Landeskirchen der EKD sowie der Diakonie festgestellt und von einer vermutlich noch sehr viel höheren Dunkelziffer gesprochen. Zudem hatte die Studie auf kirchliche Strukturen hingewiesen, die die Taten und deren Vertuschung begünstigt hätten.

Für die Studie seien vonseiten der Diakonie alle Zahlen zu bekannten Fällen aus den Anerkennungskommissionen übermittelt worden, sagte Schuch. Das seien vor allem Fälle zwischen den 1950er und dem Ende der 70er Jahre gewesen. Für die Zeit danach bis 2020 habe es rund 50 gemeldete Fälle aus der Diakonie gegeben. "Wenn es weitere Betroffene aus dieser Zeit gibt, kann ich nur an sie appellieren, sich zu melden, und versprechen, dass wir die gesamte Aufarbeitung gemeinsam mit ihnen leisten werden."

Schuch sagte, er erhoffe sich viel von den unabhängigen regionalen Aufarbeitungskommissionen zu Kirche und Diakonie, die derzeit ihre Arbeit aufnähmen. "Im Übrigen müssen wir sehr bald die Anerkennungsleistungen für Betroffene, auch finanziell, flächendeckend einheitlich und in einer Höhe regeln, die die Betroffenen akzeptieren können."

Quelle:
KNA