Deutschlands älteste Autobahnkirche wurde vor 50 Jahren geweiht

Und Gott lenkt

In dieser Kirche herrscht eine fast eigentümliche Ruhe. Dabei stehen die Türen weit offen, und nur ein paar Meter entfernt zieht die monoton wummernde Blechkarawane vorbei. Hinter einer riesigen gläsernen Stirnwand ist der Verkehr zu erkennen, der sich auf der A 8 zwischen Stuttgart und München schlängelt - doch kaum ist man ein paar Treppen hinunter in die Mitte des Gotteshauses gegangen, sieht man nur noch den Himmel.

Autor/in:
Bernd Buchner
 (DR)

Rast für die Seele bei Kilometer 64,4: Die Autobahnkirche Adelsried bei Augsburg, älteste Einrichtung ihrer Art, feiert 2008 ihren 50. Geburtstag. Aus diesem Anlass überträgt das ZDF am Sonntag seinen Fernsehgottesdienst von dort.

Bis zu 200.000 Menschen besuchen jährlich die Kirche «Maria, Schutz der Reisenden», wie Pater Wolfram Hoyer nicht ohne Stolz berichtet.
Der umtriebige Augsburger Dominikaner ist seit Anfang 2007 für die Betreuung der Besucher in Adelsried zuständig. 150.000 Kerzen werden in dem stilistisch bewusst einfach gehaltenen Gotteshaus jedes Jahr entzündet, das 1.000-seitige sogenannte Anliegenbuch ist alle vier Monate vollgeschrieben. Auch wenn der Mensch am Steuer sitzt - Gott lenkt. Doch Bitte und Dank gehen weit über das Reisen hinaus. Seit ein paar Jahren gibt es unter www.autobahnkirche.org sogar ein virtuelles Gästebuch.

Rund um die Uhr ist die katholische Kirche geöffnet, das ganze Jahr über und für alle. Reisende sind weder an Konfessionen noch an Tageszeiten gebunden, weiß Elisabeth Schönenberg, die als Elfjährige schon bei der Weihe am 12. Oktober 1958 dabei war und das Gotteshaus nun gemeinsam mit Pater Hoyer in Schuss hält. Der Adelsriederin macht das großen Spaß, obwohl es auch Tage gibt, die sie schwäbisch-burschikos «Hammeltage» nennt: «Manchmal sind die Leute unfreundlich.» Doch überwiegend hat sie sehr gute Erfahrungen mit den Besuchern gemacht. Oft kommt sie ins Gespräch mit ihnen.

An Sonn- und Feiertagen feiert Hoyer drei Mal die Messe - viele Menschen legen ihre Fahrten so, dass sie dabei sein können. «40 Minuten müssen reichen», sagt der Geistliche, der Doktor der Kirchengeschichte ist. Den Gottesdienst gestaltet er einfach. «Die Leute kommen teilweise aus Norddeutschland, kennen ja nicht die hiesigen Lieder.» Doch auch aus der näheren Umgebung strömen die Menschen in die Autobahnkirche. «Die kommen in der Früh um acht aus dem Umkreis von 20 Kilometern», so Schönenberg. «Für uns war die Kirche immer etwas Besonderes. Sie hat Anziehungskraft.»

Die Geschichte der ersten deutschen Autobahnkirche ist eng mit dem Namen Georg Haindl verbunden. Dem Augsburger Fabrikanten, beruflich viel unterwegs, war aufgefallen, dass es zwar an jedem Feldweg ein Kreuz gibt, nicht aber an vielbefahrenen Straßen. Auch weil er seinem Herrgott für fünf gesunde Kinder danken wollte, brachte er seit 1956 das Projekt voran. Der damalige Augsburger Bischof Joseph Freundorfer sei sofort «Feuer und Flamme» gewesen, berichtet Hoyer.
Als Architekt konnte Raimund von Doblhoff (1914 bis 1993) gewonnen werden. Kurz vor der Weihe stieß Haindl im Kunsthandel auf ein Holzkreuz aus dem 15. Jahrhundert, das seither in der Kirche hängt.

Inzwischen gibt es in Deutschland 32 Autobahnkirchen, europaweit sind es mindestens 40. Eine Untersuchung der Katholischen Fachhochschule Freiburg ergab kürzlich, dass zwei Fünftel der Besucher die spirituellen Tankstellen gezielt und wiederholt anfahren. Es gebe regelrechte «Autokirchen-Fans», so die Forscher.

In Auftrag gegeben hatte die Studie der katholische Versicherer «Bruderhilfe Pax», der die Autobahnkirchen unter seine Fittiche genommen hat. Zum Adelsrieder Jubiläum ist am 12. Oktober ein Festgottesdienst vorgesehen. Wie damals vor 50 Jahren fallen die Feierlichkeiten auf einen Sonntag.