Deutschland blickt dem Besuch von Papst Benedikt XVI. entgegen

Europa und andere Erwartungen

Nach dem Dissens im Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten, Einigkeit in der Erwartung an die Papstreise: Wie der Kölner Erzbischof Meisner rechnet auch der Freiburger Zollitsch damit, dass Benedikt XVI. in Deutschland an die christliche Wertegrundlage Europas erinnern wird. Seine Rede im Bundestag wird von den meisten Deutschen befürwortet.

 (DR)

Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch erwartet, dass Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch in der kommenden Woche für die europäische Einigung eintreten wird. "Er wird seine Vorstellung einer christlich geprägten Gesellschaft vermitteln und uns ermutigen, den Weg der europäischen Einigung weiterzugehen", sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Samstagsausgabe).



Benedikt werde dabei klar machen, dass die europäische Idee auf der Grundlage christlicher Werte und Überzeugungen fuße. Er sei "ein großer Europäer", dem die europäische Idee am Herzen liege. Besorgt ist der Papst nach Zollitschs Worten über die Finanzkrise, Vorschläge zum konkreten Krisenmanagement seien von ihm aber nicht zu erwarten.



Treffen mit Missbrauchsopfern?

Ob Papst Benedikt bei seinem Deutschland-Besuch vom 22. bis 25. September auch mit Missbrauchsopfern zusammentreffen wird, ließ Zollitsch offen. Er könne aber "den Wunsch der Opfer nach einer solchen Geste des Papstes nachvollziehen", sagte der Freiburger Erzbischof. Es gehe um tiefe seelische Verwundungen, die umso schlimmer seien, "wenn sie durch Vertreter der Kirche geschehen".



Die katholische Kirche erkenne das Leid der Opfer an, erklärte Zollitsch und fügte hinzu: "Wir setzen alles daran, zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert." Die Reaktion der katholischen Kirche auf die Missbrauchsskandale nannte Zollitsch umfassend und vertrat die Ansicht, die katholische Kirche sei "die Institution in unserer Gesellschaft, die sich wohl am stärksten um die Aufarbeitung dieser schrecklichen Übergriffe bemüht hat".



"Focus"-Umfrage: Mehrheit für Papstrede im Bundestag

Die Mehrheit der Deutschen findet es laut einem Bericht des "Focus" richtig, dass Papst Benedikt XVI. eine Rede im Bundestag hält. Entsprechend hätten sich 51 Prozent der 1008 repräsentativ ausgewählten Personen geäußert, die das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid für die neue Ausgabe des Münchner Nachrichtenmagazins befragt hat. 39 Prozent hielten den Auftritt des Papstes vor dem Bundestag für falsch.



Merkel: Ökumene ist Schwerpunkt

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Ökumene als einen Schwerpunkt des am Donnerstag beginnenden Besuchs bezeichnet. Benedikt komme in das Land der Reformation, erklärte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft im Internet. "Und wir bereiten uns gerade in der Dekade bis 2017 auf 500 Jahre Reformation in Deutschland vor", so Merkel. Sie freue sich auf den Papstbesuch und ihre persönliche Begegnung mit Benedikt XVI.



"Ich denke, es ist wichtig, die Einheit der Christen in unserer Zeit wieder zu betonen, denn die Säkularisierung schreitet voran, und das Gemeinsame des christlichen Glaubens sollte immer wieder in Erinnerung gerufen werden", fügte die Kanzlerin hinzu. Der Besuch des Papstes in Deutschland rufe zudem in Erinnerung, wie sehr Deutschland und Europa vom christlichen Glauben geprägt seien.



Die Bundesregierung setze sich dafür ein, "dass Menschen jedweder Religion nicht verfolgt werden", sagt Merkel. "Das gilt für uns auch ganz besonders für Christen." Christen hätten weltweit am meisten unter Verfolgung zu leiden. Die katholische Kirche sei weltweit verankert und trage damit auch eine weltweite Verantwortung für Gerechtigkeit und Frieden. Merkel: "Diese Rolle ist in unseren Zeiten von unschätzbarem Wert." Zudem dürfe im Namen der Religion keine Gewalt ausgeübt werden.



Kauder: Boykott "beschämend"

Volker Kauder (CDU), der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat unterdessen erneut sein Unverständnis für den angekündigten Boykott der Papstrede vor dem Parlament durch Abgeordnete der SPD, der Grünen und der Linkspartei bekundet. "Beschämend" nennt Kauder dieses Verhalten in einem Gastkommentar für die "Bild am Sonntag".



In einer Demokratie könne jeder Kritik an einer Person äußern, man müsse ihr aber zuerst zuhören, mahnt der Chef der der Unionsfraktion. "Das ist ein Gebot des Anstands - und gerade einem deutschen Papst gegenüber sollten sich alle Parlamentarier daran erinnern." Benedikt XVI. komme nicht allein als höchster Repräsentant der größten christlichen Kirche, sondern auch als Staatsoberhaupt. In dieser Funktion werde er vor dem Bundestag sprechen, "als erster Papst überhaupt". Kauder: "Seine Rede ist eine Ehre für das Parlament. Zumindest sollten aber alle Parlamentarier dem Papst Respekt entgegenbringen."