Erzbischof Zollitsch will Reform bei wiederverheiratet Geschiedenen

Heißes Eisen vor dem Papstbesuch

Wenige Tage vor dem Papstbesuch in Deutschland hat der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch ein heißes kirchliches Eisen angefasst. Und damit sowohl Zustimmung als auch heftigen Gegenwind provoziert.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

In einem Interview der "Zeit" bekundete der 73-Jährige, der seit 2008 Vorsitzender der Bischofskonferenz ist, seine Hoffnung, dass die Kirche noch zu seinen Lebzeiten Fortschritte auf einem Gebiet machen werde, das seit Jahrzehnten heiß umstritten ist: beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen.



Als Beispiel für die Notwendigkeit einer Reform verwies der Erzbischof auf Bundespräsident Christian Wulff. Der ist katholisch, wurde zivilrechtlich geschieden und hat dann seine neue Liebe geheiratet. Nach den geltenden Regeln ist er vom Kommunionempfang ausgeschlossen, weil seine erste Ehe nach kirchlichem Recht weiterhin besteht. Für Zollitsch aber ist Wulff "ein Katholik, der seinen Glauben lebt und darunter leidet, wie die Situation ist". Die Kirche stehe generell vor der Frage, wie sie mit Menschen umgehe, deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen sei. "Das ist eine Frage der Barmherzigkeit, und darüber werden wir in nächster Zeit intensiv sprechen."



Meisner distanziert sich

Das sieht der Apostolische Nuntius in Deutschland, Jean-Claude Perisset, anders. "Die Lehre der Kirche ist klar und mit einer Veränderung nicht zu rechnen", sagte der Botschafter des Papstes am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.



Auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner distanzierte sich. Zollitsch habe sein Interview als Freiburger Erzbischof und nicht als Vorsitzender der Bischofskonferenz gegeben, sagte Meisner gegenüber domradio.de. Um dann zu betonen, dass die Kirche die Unauflöslichkeit der Ehe keinesfalls in Frage stellen könne - was aber auch Zollitsch so sieht.



Unterstützung von Schockenhoff

Unterstützung erhielt Zollitsch von einzelnen Kirchenrechtlern und Moraltheologen: Der emeritierte Münsteraner Kirchenjurist Klaus Lüdicke sagte der KNA, schon heute sei es in Deutschland der Normalfall, Gläubigen, die in einer neuen Ehe lebten, die Kommunion nicht zu verweigern. Das solle die Kirche auch amtlich akzeptieren.  Der Theologe erinnerte an die Praxis der Ostkirchen, die eine Zweitehe unter bestimmten Voraussetzungen akzeptieren.



Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sagte gegenüber domradio.de, Zollitsch habe die Unauflösbarkeit der Ehe nicht in Frage gestellt. Er wolle nur einen barmherzigeren Weg des Umgangs mit Menschen, deren Ehe gescheitert sei. Die Eucharistiefeier sei ja nicht nur eine Anerkennung für tadelloses Verhalten, sondern sie habe auch sündenvergebende Kraft. "Man kann von außen nicht jede Entscheidung für eine zivile Zweitehe als objektiv schwere Sünde qualifizieren", fügte der Theologe hinzu.



Historische Parallele

Befürworter einer Reform berufen sich gern auf ein bald 40 Jahre altes Zitat des jungen Theologieprofessors Joseph Ratzinger: Der heutige Papst hatte 1972 erklärt: "Wo eine erste Ehe seit langem und in einer für beide Seiten irreparablen Weise zerbrochen ist; wo umgekehrt eine hernach eingegangene zweite Ehe sich über einen längeren Zeitraum hin als sittliche Realität bewährt hat und mit dem Geist des Glaubens, besonders auch in der Erziehung der Kinder, erfüllt worden ist, da sollte (...) auf das Zeugnis des Pfarrers und von Gemeindegliedern hin die Zulassung (...) zur Kommunion gewährt werden."



Wenn Zollitsch das Thema jetzt vor dem Papstbesuch wieder auf die Tagesordnung bringt, verweisen Kirchenexperten auf eine historische Parallele. 1993 war es der Freiburger Erzbischof Oskar Saier, der zusammen mit dem Mainzer Bischof Karl Lehmann und dem Rottenburger Bischof Walter Kasper in einem Hirtenwort für die Möglichkeit plädierte, Wiederverheiratete unter Bedingungen wieder in die Eucharistiegemeinschaft aufzunehmen.



Die Reaktionen ließen damals nicht lange auf sich warten. Die vatikanische Glaubenskongregation unter Kardinal Ratzinger ließ die Bischöfe in einem offiziellen Dokument wissen, sie stünden "in offenem Gegensatz zur Lehre der Kirche". Auch als Papst hat Ratzinger den Forderungen eine Absage erteilt: 2008 betonte Benedikt XVI., Personen, die in schwerer Sünde lebten, könnten nicht zur Kommunion zugelassen werden.